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Investorenschreck DeutschlandRezessives Umfeld, teure Energie

Ausländische Investoren halten Europa für immer weniger attraktiv. Vor allem die größte Volkswirtschaft des Kontinents schwächelt – Deutschland.

Irgendwas ist hier nicht in Ordnung: Börsentafel in der Frankfurter Wertpapierbörse Foto: dpa

Berlin rtr | Europa und seine größte Volkswirtschaft Deutschland locken einer Studie zufolge weniger ausländische Investitionen an. Die Zahl der Neuansiedlungen und Erweiterungen sei im vergangenen Jahr auf dem Kontinent um vier Prozent auf 5.694 Projekte gefallen, wie das Beratungsunternehmen EY am Donnerstag zu seiner Auswertung mitteilte. Das 2019 – also vor Beginn der Corona-Pandemie – erreichte Niveau werde damit um elf Prozent unterboten.

Attraktivster Standort blieb demnach Frankreich, trotz eines Rückgangs um fünf Prozent auf 1.194 Neuansiedlungen und Erweiterungen. In Deutschland fiel das Minus mit zwölf Prozent auf 733 Projekte wesentlich größer aus. „Industrielle Investoren wurden durch das rezessive Umfeld, die hohen Energiepreise und die Sorge um die Sicherheit der Energieversorgung abgeschreckt“, schrieb EY mit Blick auf die Bundesrepublik. „Komplexe Bürokratie und hohe Arbeitskosten schränken auch weiterhin die Fähigkeit Deutschlands ein, mehr ausländische Unternehmen anzuziehen.“

Der zweite Rang ging deshalb an das Vereinigte Königreich verloren, das gegen den Trend einen Anstieg von sechs Prozent auf 985 Projekte verzeichnete. London schob sich den Angaben zufolge ganz nach vorn als Europas Investitionsregion Nummer eins, gefolgt von Paris. Besonders ausländische Software- und IT-Anbieter zog es demnach in die britische Hauptstadt.

„Europa braucht dringend ausländische Investitionen, und diese Studie sollte ein Weckruf für den gesamten Kontinent sein“, sagte EY-Expertin Julie Linn Teigland. Diese würden die europäische Wirtschaft stärken, indem sie Arbeitsplätze schaffen, Innovationen fördern und die Exporte ankurbeln würden.

„Es müssen jetzt dringend Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass Europa angesichts der immer schärferen Konkurrenz aus den USA und China wettbewerbsfähig bleibt“, sagte Teigland.

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16 Kommentare

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  • Aus meiner Sicht gibt es innere und äußere Faktoren für diese Entwicklung.



    Selbstgemacht: Bürokratie, hohe Steuern, zunehmender Fachkräftemangel, Energiepreise...



    Außen: Bessere Arbeitskräfte Situation, größeres Innovationstempo, Mehr Subventionen...



    Lässt sich das kurz- und mittelfristig ändern? Wohl nicht. Da hat man Jahrzente geschlafen. Da müsste ein Ruck durch die Gesellschaft gehen, da kann ich leider keine führende Kraft erkenne...

  • Laut einer aktuellen Umfrage von Civey befürworten zwei Drittel der Bevölkerung ein Wiederhochfahren der letzten 6-7 abgeschalteten Kernkraftwerke. Technisch ist das in 2-3 Jahren möglich.



    Damit könnten auf der Basis der Berechnung der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm die Stromkosten um 20% gesenkt werden.



    Außerdem gäbe es die Möglichkeit mit diesen Kernkraftwerken grünen Wasserstoff sehr viel günstiger als mit Windkraft und in großen Mengen zu produzieren.



    Laut Einschätzung des Beratungsunternehmen Radiant Energy Group wäre das kurzfristig das größte denkbare Stimulus Paket für die deutsche Wirtschaft und ganz nebenbei ein Sprung nach vorne beim Klimaschutz.

    PS: Bei einer Laufzeitverlängerung von 20 Jahren würden die Kosten durch die Betreiber selbst getragen - das lohnt sich nämlich dann richtig (anders als bei einer Laufzeitverlängerung von mickrigen drei Monaten).

  • Am besten noch mehr Enteignungsfantasien und noch höhere Energiepreise... Ein Hoch auf Grün

  • Im Land der Schwarzmaler, Enteignungs-Linken und rechten Migrations-Hasser kann einem das nicht wundern.



    Wenn man als Konzern von vorn herein als Ausbeuter und Kapitallistenschwein verschrien wird auch nicht. Wo eingewanderte Fachkräfte sich Nachts nicht auf die Straßen trauen, weil ein paar rechte Idioten ihre Wut ablassen, braucht es einem noch weniger zu wundern.



    Und dann erst kommen die kommerziellen Probleme, wie zu teure Energie, zu viel Bürokratie und fehlendes qualifiziertes Personal.



    Innerhalb weniger Jahre sind wir im IWF Index von Platz 4 auf Platz 16 abgerutscht und ich fürchte Deutschland wird noch viel weiter sinken.

  • Hohe Energiepreise? Was ein Blödsinn ein Blick auf energiemarie.de/strompreis/europa genügt, um zu sehen, daß wir in der EU im Mittelfeld liegen.

    Die anderen Aussagen würde ich wie WONK-THE-SANE auch als Auftragsarbeit für die FDP einstufen.

    • @Semon:

      Verglichen mit 8Cent/kWh in den USA und Kanada sind unsere Strompreise sehr hoch, ein Grund warum gerade viele deutsche Unternehmen dem nflation Reduction Act folgen und in die USA an- bzw. umsiedeln.

  • Solche "Studien" sollte man unbedingt auch ein bisschen kritisch einordnen. Das liest sich alles wie von der FDP in Auftrag gegeben und ist sehr betriebswirtschaftlich gedacht, unter offenbar sehr dezidierter Auslassung der Rolle des Staates. Wer ist diese "Beratungsfirma" und wer hat in wessen Auftrag diese Studie verfasst?

    • @Wonko the Sane:

      Wer ist diese „Beratungsfirma“? Nach eigenen Angaben deutscher Marktführer in der Steuerberatung. Regelmäßig werden Studien gemeinsam mit Branchen-/Arbeitgeberverbänden gemeinsam verfasst.



      Vermutung daher: Es ist ein Versuch, öffentlich für Steuernachlässe für Konzerne und Subventionen zu werben, ohne das so deutlich zu sagen. Lieber gibt man FDP und C*U „Argumente“ an die Hand.

  • In der Financial Times war ein Interview mit dem Leiter des norwegischen Staatsfonds, der noch weiter ging: Negatives mindset und völlig überholte Risiko-nicht-Bereitschaft der Menschen und auch der Firmenbosse. Ich befürchte der Mann hat recht.



    "geh zum Staat, da hast du einen sicheren Job' oder auch die mauen Ergebnisse aktuell der Großkonzerne, das geht so nicht weiter. Wir haben weder ein innovative IT Bude am Start noch Pharma, noch KI. Volkswagen, BASF oder Bosch. Das sind unsere 'Zugpferde". Da bekommst du als Gesellschaft halt im internationalen Wettbewerb weder Fachkräfte noch ne erfolgreiche Zukunft hin.

    • @Tom Farmer:

      Das ist auch so ein Generationen-Ding glaube ich. Sogar in den USA ist der "Gouvernment-Job" inzwischen der häufigste Traum der "progressiven" Nachwuchsgeneration.

  • Soso ... es gibt also ein paar Prozent weniger "Neuansiedlungen und Erweiterungen". Hatten wir das alles nicht schon einmal? Woran mag es liegen? Nun, man könnte ja, wenn die Wirtschaft schwächelt, von staatlicher Seite mehr Geld ausgeben (Keynes lässt grüßen!), z. B. für Forschung und Entwicklung, man könnte Geld in Schulen und Universitäten stecken. Was aber tut man? Man spart! Klar, die sprichwörtliche "schwäbische Hausfrau" wird auf diese Weise immer bleiben, was sie ist: eine schwäbische Hausfrau, die jeden Cent zweimal umdreht, bevor sie investiert. Aus ihr wird nie eine Unternehmerin werden, denn sie hat Angst davor, Schulden aufzunehmen, um in die Zukunft zu investieren. Ihre Zukunft ähnelt der Gegenwart und die der Vergangenheit.

    • @Aurego:

      Im Artikel geht es doch um etwas ganz anderes: Die Ansiedlung oder Projektierung ausländischer Firmen in DE und das die abgeschreckt sind derzeit. Energieversorgung und Preise, komplexe Bürokratie und hohe Arbeitskosten.



      Was genau soll da jetzt der Staat machen laut Keynes?

    • @Aurego:

      Wie trefflich doch der Vergleich ist.



      Die (der) sparsame schwäbische Hausfrau (-mann) (FDP) wird also wegen fehlender Investition in Innovation auch in Zukunft weiterhin mit dem Schrubber den Boden reinigen und nicht zeit- und kräfteschonend ein Reinigungsgerät verwenden! Sicherlich philosophiert die "Hausfrau (-mann)" immer wieder mal von Innovationen, wartet aber nur darauf und kommt mit derlei Philosophiererei nicht in die Umsetzung.



      Und das alles nur unter dem Primat des Sparens. Das macht sehr gut deutlich, warum aktuell die Vertreter der "schwarzen Null" unserer Wirtschaft schaden.



      Das Gegenszenario liegt darin z.B. im Bereich regenerativer Energieversorgung zu investieren, auch auf "Pump", um in wenigen Jahren die Energiekosten, gerade im Vergleich mit Frankreich und GB wegen fehlender Atom- und Fossilkraftanlagen, den weit günstigeren Energiepreis zu ermöglichen. Spätestens dann werden die jetzt durch EY schlecht beratenden Investoren und Firmen wieder in unser Land kommen. Nach dem Beratungs- und Prüffall "Wirecard" sollte uns andererseits klar sein, wie belastbar Gutachten aus dem Hause EY tatsächlich sind.

    • @Aurego:

      Man könnte auch das Geld in gute Energieversorgung stecken, die Bürokratie abbauen und vorallem digitalisieren, vieles was in anderen Ländern mit wenigen Mausklicks geht braucht in Deutschland Wochen und kommt mit einer Papierflut.

  • Wer von "Wettbewerbsfähigkeit" lauttönt, will den fetten Katzen noch mehr Zaster zuschieben, noch weniger Steuern und noch weniger Verantwortung für das Sozialwesen.



    Wo die BRD schon notorisch einen ungesunden Überschuss hat und Exportfirmen teuer indirekt subventioniert (nicht nur die Autoindustrie).

    Solche Sprüche per Reuter sollte man bitte also stets in die neoliberale Agenda einordnen!

  • Wo ist der internationale Vergleich? Wie sehen die Investitionen außerhalb der EU aus?