Internationaler Tag der Menstruation: Das Blut der Unterdrückung
Weltweit ist die Monatsblutung ein Tabu. Zum Aktionstag sprechen fünf Frauen, die sich wehren.
H at eine Frau Blutfluss und ist solches Blut an ihrem Körper, soll sie sieben Tage lang in der Unreinheit ihrer Regel verbleiben. Wer sie berührt, ist unrein bis zum Abend. Alles, worauf sie sich in diesem Zustand legt, ist unrein; alles, worauf sie sich setzt, ist unrein.“ So steht es in der Bibel, Levitikus 15, Vers 19.
Der unreine Blutfluss, um den es geht, ist die weibliche Menstruation. Im Judentum war die menstruierende Frau lange von allen rituellen Handlungen ausgeschlossen, im Christentum galt die Menstruation Mönchen als Strafe für Evas Sündenfall. Ausgenommen davon war nur die Mutter Gottes: Die nämlich, so Theologen, habe unbefleckt empfangen und ohnehin nie menstruiert.
Mit den magischen Kräften und Unreinheiten der Menstruation beschäftigten sich jahrtausendelang vor allem Männer. Aristoteles sah in ihr einen Beweis für die weibliche Minderwertigkeit: Frauen seien nicht wie Männer imstande, Blut in Sperma zu verwandeln und müssten es deshalb monatlich ausscheiden. Plinius der Ältere beschrieb, dass in der Nähe menstruierender Frauen der Wein verderbe, Bienen stürben und Saatgut unfruchtbar würde. Und Paracelsus stilisierte die Blutung gar zur Bedrohung der Menschheit: „Es gibt kein Gift in der Welt, das schädlicher ist als das menstruum.“
Um Gift ging es überhaupt lange: 1520 beschrieb Paracelsus die Existenz des „Menotoxin“. Die Auffassung, dieses finde sich in Blut und Schweiß menstruierender Frauen und lasse etwa Blumen welken, wurde noch bis weit ins 20. Jahrhundert diskutiert.
Während des etwa vierwöchigen Zyklus einer Frau bereitet sich die Gebärmutter auf eine mögliche Schwangerschaft vor. Kommt es zu keiner, setzt die Menstruation ein. Neben der Gebärmutterschleimhaut werden Blut, Wasser und Vaginalsekret ausgeschieden. Rund fünf Tage im Monat und sieben Jahre ihres Lebens verbringt eine Frau im Schnitt menstruierend. Währenddessen haben mehr als zehn Prozent aller Frauen so starke Beschwerden, dass sie ihrer Ausbildung oder ihrem Beruf nicht nachgehen können.
Um die Bedürfnisse von Frauen allerdings geht es noch nicht allzu lange. Zwar kennen schon nahezu alle alten Kulturen Hilfsmittel, um das Blut aufzusaugen, darunter Binden aus Bast, Gras oder Leinen. In Deutschland kam 1894 die erste kommerzielle Wegwerfbinde auf den Markt, 1947 wurde der erste Tampon für den hiesigen Markt patentiert: der o.b. („ohne Binde“). Doch etwa in der Werbung war die Flüssigkeit, die die Saugfähigkeit von Tampons und Binden beweisen soll, lange unverfänglich blau. „Sauber und diskret“ sollte die Menstruation vor allem sein.
Global ranken sich noch immer viele Mythen um sie. Zwar feiern einige Kulturen das erstmalige Auftreten der Menstruation, die sogenannte Menarche, als Fest, das auch mit einem positiven Zugang zum weiblichen Körper zu tun haben kann. Weit häufiger jedoch haben Frauen damit zu tun, zu informieren und das Stigma abzubauen, das für potentiell die Hälfte der Menschheit mit ihrer Blutung verknüpft ist.
Zum Teil wird das Problem dadurch verstärkt, dass es keine geeigneten Produkte gibt, um die Blutung aufzufangen, oder diese nicht bezahlbar sind, weshalb Mädchen und Frauen auch weiterhin nicht zur Schule gehen oder an anderen Bereichen des sozialen Lebens teilnehmen können. Auch der Zugang zu ausreichend sauberem Wasser, etwa in schulischen Einrichtungen, ist längst nicht überall gewährleistet. Und schließlich haben viele Familien im vergangenen Jahr ihr Einkommen durch die Pandemie verloren, so dass sie sich Hygieneprodukte kaum noch leisten können.
Zum Weltmenstruationstag, der 2014 von Frauenrechtsinitiativen ins Leben gerufen wurde, warnt die Hilfsorganisation Care davor, dass die Zahl der aktuell etwa 500 Millionen Mädchen und Frauen, die während ihrer Menstruation ohne Hygieneprodukte auskommen müssen, weiter zu steigen droht. In Äthiopien, Uganda, Niger und Kenia etwa seien bis zu 70 Prozent der Frauen und Mädchen gezwungen, ohne ausreichend sauberes Wasser, Hygieneprodukte oder medizinische Versorgung zurechtzukommen.
Care fordert die internationale Gemeinschaft auf, Menstruationshygiene in alle humanitären Hilfspläne aufzunehmen, genügend finanzielle Mittel dafür bereitzustellen und die politische Teilhabe von Frauen an diesen Entscheidungen zu gewährleisten.
Doch nicht nur Hilfsorganisationen machen auf diese Probleme aufmerksam. Diese fünf Frauen haben ihren täglichen Kampf dem Thema gewidmet.
Unerschrocken gegen die „Arschbacken“ in Uganda
Ausgerechnet die Debatte um die Monatsblutung brachte Stella Nyanzi, Ugandas führende Feministin, ins Gefängnis. Es war kurz nach den Wahlen 2016. Präsident Yoweri Museveni hatte im Wahlkampf kostenlose Binden an Schulen versprochen und damit bei Frauen viele Stimmen geholt. Denn ein Großteil der Mädchen in Uganda bleibt während ihrer Monatsperiode regelmäßig der Schule fern. Viele Familien können sich die Binden nicht leisten, und in den meisten Schultoiletten gibt es kein fließendes Wasser, um sich zu waschen. Indem sie auf sich aufpassen, vermasseln sich viele Mädchen den Abschluss.
Nach der gewonnenen Wahl fiel die kostenlose Binde still und heimlich vom Tisch. Zwar hatte der Präsident seine Frau Janet zur Bildungsministerin ernannt und damit Hoffnungen geweckt, dass er sein Wahlkampfversprechen ernst gemeint haben könnte. Doch als Ministerin musste „Mama Janet“, wie sie landauf, landab genannt wird, feststellen: Es mangelt an Geld im Staatshaushalt, um Binden anschaffen zu können.
Dies brachte Stella Nyanzi, promovierte Akademikerin für Genderstudien und Sexualwissenschaft an Ostafrikas renommiertester Universität Makerere in Ugandas Hauptstadt Kampala, auf die Palme. „Wir haben jetzt jede Menge Vaginas im Parlament sitzen, aber sie müssen auch beweisen, dass sie ein Gehirn haben“, schimpfte sie damals gegenüber der taz. Janet Museveni sei nur Bildungsministerin geworden, „weil sie mit dem Präsidenten ins Bett geht.“ Auf Facebook bezeichnete sie das Präsidentenehepaar als „ein Paar Arschbacken“.
Das wurde ihr zum Verhängnis. Denn für den 76-jährigen Präsidenten, seit 1986 an der Macht, war dies eine klare Majestätsbeleidigung. Von Unbekannten wurde sie aus ihrem Haus entführt und später wegen „Cyber-Belästigung“ und Unruhestiftung angeklagt. Sie habe gegen das Gesetz über Computermissbrauch verstoßen, so die Vorwürfe des Staatsanwalts.
Gefördert durch das European Journalism Centre (EJC) mit Unterstützung der Bill & Melinda Gates Foundation folgt die taz ein Jahr lang dem Wasser. Fünf taz-Korrespondentinnen recherchieren in Lateinamerika, Westasien, Südasien und in Afrika entlang des Nils. Denn vor allem im Globalen Süden gibt es zu wenig oder kein sauberes Wasser. Besonders Frauen müssen jeden Liter über weite Strecken nach Hause tragen. Der Zugang zu Wasser wird mit der Klimakrise verschärft. Immer öfter wird Wasser privatisiert oder steht im Konflikt mit Großprojekten, die Fortschritt bringen sollen. Mehr unter taz.de/wasser
Monatelang saß Nyanzi im Jahr 2017 im Gefängnis, litt dort unter anderem an Malaria. Aufgrund ihrer schlechten körperlichen Verfassung wurde sie schließlich auf Kaution freigelassen.
Vier Jahre später verhandelt jetzt Ugandas Verfassungsgericht über den Fall Stella Nyanzi. Kurz nach den Wahlen im Januar dieses Jahres war sie mit ihrer Familie ins Nachbarland Kenia geflohen. Doch seit Mai ist sie zurück und wirft nun den Verfassungsrichtern vor, das Regime würde ein aus der Kolonialzeit stammendes Gesetz über Geisteskrankheiten nutzen, um Oppositionelle wie sie mundtot zu machen. Kampfeslustig sitzt die Mutter von drei Kindern im Gerichtssaal. Und auch für Präsident Museveni hat sie eine neue Provokation parat. „Komm nicht in meinem Mund“, heißt ihre gedruckte Gedichtsammlung, die Mitte Juni erscheinen soll.
Derweil sind Binden in Uganda ein Politikum geblieben. In einer Crowdfunding-Kampagne über soziale Netzwerke hatte Stella Nyanzi, bevor sie inhaftiert wurde, umgerechnet fast 2.000 Euro eingesammelt. Das Geld spendete sie Nichtregierungsorganisationen, die Schülerinnen beibringen, sich selbst wiederverwendbare Stoffbinden zu nähen. Gereicht hat das nur für eine Handvoll Schulen. Aber seitdem führen immer mehr Schulen in Uganda auf Eigeninitiative Nähkurse für Mädchen ein, um Binden herzustellen. Nyanzis Idee hat sich verselbstständigt.
Simone Schlindwein
In Kolumbien bekommt Schneewittchens Kleid rote Flecken
Carolina Ramírez und ihre Kolleginnen vom Projekt „Princesas Menstruantes“ haben eine Mission: „Für uns ist das Wichtigste, uns komplett von der traditionellen Lesart der Menstruation zu lösen, die rein auf Reproduktion beruht“, sagt Carolina Ramírez. „Wir sind überzeugt, dass dies die vielfache Unterdrückung von Mädchen und Frauen begünstigt hat.“
Carolina Ramírez (39) ist Psychologin und Menstruationserzieherin. Zwölf Jahre lang hatte sie im Umland von Medellín in Kolumbien mit Frauen gearbeitet, von denen viele sexuelle Gewalt erlebt hatten. Immer wieder ging es um Menstruation – und wie man darüber mit den Töchtern spricht.
In der 9. Klasse, wenn in Kolumbiens Schulen Sexualkunde auf dem Lehrplan steht, wird Menstruation im besten Fall unter Fortpflanzungsaspekten behandelt. „Menstruieren ist aber nicht nur dazu da, um schwanger zu werden“, sagt Ramírez. „Die Hormone sind gut für das Wohlbefinden der Frau, die Menstruation reinigt die Gebärmutter von Krankheitserregern.“
Carolina Ramírez
So entstand die Idee, das Thema Menstruation liebevoller und lustiger für Mädchen aufzubereiten – und im Jahr 2016 das Buch „El vestido de Blancanieves se ha teñido de rojo“ (Das Kleid von Schneewittchen hat sich rot gefärbt). Darin merkt Schneewittchen durch eine Blumenpracht, die plötzlich in ihr wächst und als roter Honig aus ihr heraus läuft, was für sie wichtig ist im Leben. Ein Prinz kommt nicht vor.
Das Buch gilt als erstes Kinderbuch in Lateinamerika zum Thema überhaupt. Seitdem hat Carolina Ramírez vier weitere Menstruationsmärchen geschrieben. Sie will mit alten Denkmustern aufräumen, welche die Menstruation nutzen, um Frauen von Orten oder Ämtern fernzuhalten.
Ihr Team hat in den Randgebieten von Medellín Mädchen befragt. Dabei stellte sich heraus: Der häufigste Grund, weshalb sie in der Schule fehlen, waren nicht fehlende Hygieneprodukte – sondern die Angst vor Flecken. „Und diese Angst lässt sich nur mit Bildung nehmen“, sagt Carolina Ramírez. Eine weitere Erkenntnis: „Die Schule ist kein sicherer Ort zum Menstruieren. Es gibt keine Fürsorge, keine Begleitung, keine Binden, oft nicht einmal Wasser, Klopapier oder Türen, die richtig schließen.“ Viel zu oft lassen Lehrer*innen die Mädchen nicht auf die Toilette gehen und sagen: „Kontrolliere deinen Körper.“
Das 2015 gegründete Projekt „Princesas Menstruantes“ bietet Lehrmaterialien, Workshops für Mädchen und Erwachsene sowie eine Weiterbildung zur Menstruationserzieherin. Die „Escuela de Niñas poderosas“ (Schule der mächtigen Mädchen) soll Mädchen im Alter von acht bis zwölf Jahren helfen, ihre Pubertät zu einer positiven Erfahrung zu machen und ihre Autonomie fördern. Das reicht von Menstruations- und Sexualkunde über Selbstfürsorge bis hin zu weiblichen Vorbildern und einer politischen Geschichte der Frauen. „Wir reden darüber, wie sie sich um sich selbst kümmern und ein Unterstützungsnetz aufbauen und eine Vertrauensperson finden, mit der sie reden können, wenn ihnen etwas passiert“, sagt Ramírez.
Bis 2020 haben Carolina Ramírez und ihre Kolleginnen mehr als 12.000 Mädchen, Jugendliche und Frauen in Lateinamerika geschult. „Menstruationsbildung darf kein Privileg sein“, sagt Carolina Ramírez. „Die Mädchen, die völlig vom Staat alleingelassen leben, brauchen uns am dringendsten. Wenn uns eine Schule anruft und sagt: Wir haben da 50 Mädchen, aber kein Geld – dann versuchen wir, es irgendwie aufzutreiben, und nehmen uns drei Tage frei.“
Katharina Wojczenko, Bogotá
Für sichere Gesprächsräume im Libanon
Line Tabet Masri ist 35 Jahre und hat zwei kleine Töchter. Doch erst als sie mit 30 ihre Tochter bekam und sich ihre Menstruation dadurch verändert hat, hat sie angefangen, mit Freundinnen darüber zu sprechen. Nun sitzt sie in ihrer großzügigen Wohnung in Beirut im 16. Stock mit Blick auf die Berge und spricht passioniert über die Periode. „Die Würde einer Frau darf nicht abhängig sein vom Einkommen oder ihrer Herkunft“, sagt sie bestimmt.
Der Schein des großen Wohnzimmers trügt. Masri hat ihre Ersparnisse verloren, weil Libanons Währung aufgrund der Finanzkrise 80 Prozent ihres Wertes verloren hat. Zehn von den günstigsten Binden kosten heute umgerechnet 4 Euro, eine kleine Packung Tampons fast 25 Euro.
Mit dem Währungsverfall begann Masri, Hilfspakete zu packen. „Dabei ist mir aufgefallen, dass wir Zahnpasta oder Desinfektionsmittel spenden, aber keine Binden.“ Eine sehr männliche Sicht. Deshalb initiierte die 35-Jährige gemeinsam mit ihrer Freundin Rana Haddad im Mai 2020 das Projekt „Dawrati“ („Meine Periode“). Sie arbeitet mit einem Bindenhersteller zusammen, hat Spendenboxen in Apotheken aufgestellt und nimmt auch Einzelspenden an der Haustür an. Alles ehrenamtlich.
Line Tabet Masri
Durch diese Arbeit hat sie gemerkt, wie privilegiert ihr Umgang mit der Menstruation bisher war. Sie erinnert sich, wie ihre Mutter mit ihr in den Supermarkt ging und sie sich verschiedene Binden aussuchte. „Dass ich verschiedene Modelle kaufen und ausprobieren konnte – das ist ein Privileg.“
In der Schule hatten sie bereits über das reproduktive System gesprochen. Doch in konservativen Haushalten und bei der älteren Generation sei Menstruation ein Tabuthema. „Der Verkäufer in kleineren Läden packt dir die Binden in eine schwarze Tüte, damit niemand sieht, was darin ist.“
Entsprechend schwer sei das Gespräch. Selbstgenähte Binden funktionieren nicht, wenn sie zum Trocknen auf eine Leine gehängt werden müssen und die Nachbarschaft sie sieht. Und: „Ich kann nicht einfach Freiwillige schicken, die dann mit Frauen über ihre Periode sprechen. Für so etwas braucht es einen Safe Space, Freund*innen und Komfort.“ Dafür hätten die Frauen im Libanon gerade keinen Kopf. Sie kämpfen mit Kinderbetreuung, Haushalt, Job und der Frage, wie sie im nächsten Monat das Essen bezahlen sollen.
Auf lange Sicht möchte Masri mit „Dawrati“ Gespräche für Frauen organisieren, damit sie in geschütztem Raum miteinander sprechen können. Sie plant auch, Periodenunterwäsche im Libanon zu produzieren. Doch das Material muss importiert werden und ist teuer. „Es gab einen Aufruhr, als die Regierung beschloss, Rasierer zu subventionieren, aber nicht Periodenartikel. Sie sagten daraufhin, sie würden das Material für die Herstellung absorbierender Unterwäsche subventionieren – aber bis heute haben sie mir nicht geantwortet.“
Eines hat Tabet schon geschafft: Sie hat bei vielen Männern das Tabu um die Monatsblutung gebrochen. „Manche Männer rufen mich an, wenn sie im Supermarkt stehen und fragen, welche Marke oder Bindenform sie kaufen sollen.“ Ab und an helfen auch ihre beiden Töchter, Menstruations-Kits zu packen. „Sie wissen noch nicht, was die Periode ist, aber sie sollen lernen, dass Frauengesundheit nicht nur die körperliche, sondern auch die mentale Gesundheit betrifft.“
Julia Neumann, Beirut
Mit der „Menstrupedia“ gegen Unkenntnis in Indien
Es war harte Arbeit, aber für Aditi Gupta und ihren Mann Tuhin Paul hat es sich gelohnt. Vor neun Jahren entwickelten sie mit Crowdfunding den indischen Aufklärungscomic Menstrupedia, der mit Halbwissen um Menstruation aufräumt.
Als junges Mädchen hatte Gupta Mythen über die monatliche Blutung gehört und unter dem Stigma gelitten, in dieser Zeit unrein zu sein. Sie nutzte Stoffreste, da sie sich aus Scham nicht traute, Binden zu kaufen. Besuche in Hindu-Tempeln waren während der Menstruation nicht erlaubt. Bis heute sieht man Schilder mit Warnhinweisen, die Frauen einmal im Monat den Eintritt verbieten.
Aditi Gupta
„Das beeinträchtigte mein Selbstbewusstsein und meine Ausbildung“, sagt Gupta. Erst viele Jahre später wurde ihr klar, dass sie, wie Millionen von Mädchen, die jährlich in Indien in die Pubertät kommen, eine Tortur ohne Grund durchmachte: „Weil Menstruation ein Tabu ist, fehlen Toiletten. Über Regelschmerzen sprechen wir gar nicht. Das Leiden wird als weibliche Tugend gesehen“, so die 36-jährige Mutter.
In Guptas Wahlheimat Gujarat dürfen Frauen während der Menstruation teilweise nicht kochen. „Ursprünglich sollte das den Frauen eine Pause von der Hausarbeit verschaffen. Es hat jedoch dazu geführt, dass Frauen als 'unrein’ dargestellt werden“, sagt sie.
Ihre Zielgruppe sind nicht nur die Mädchen ab neun Jahren, die sie mit sensibler Sprache und Zeichnungen über Körperbewusstsein und Menstruationsgesundheit aufklärt. „Das kollektive Wissen über die Menstruation muss sich ändern“, sagt sie. In der Vorbereitung für ihren Comic war Gupta bei vielen Familien, um über Menstruation zu sprechen. Sie wurde damals 'schamlos’ genannt. Widerstand erfuhr sie in der städtischen Mittelschicht mehr als in Dörfern.
Heute sieht Gupta große Veränderungen. In Filmen, Social Media und Comedy ist die Monatsblutung kein Tabu mehr. Doch ihr begegnet immer wieder verblüffender Aberglaube: Frauen dürften während ihrer Tage nicht mit geöffnetem Haaren im Dunklen vor die Türe treten, auch Corona-Impfungen während der Monatsblutung seien nicht gut. Meist zielen solche Falschinformationen darauf ab, Frauen in ihrer Freiheit einzuschränken, sagt Gupta.
Die erste Auflage des 88-seitigen Hefts erschien auf Englisch, bald folgten Indiens einheimische Sprachen Hindi, Bengali, Telugu und mittlerweile knapp 20 weitere Sprachen, zuletzt Simbabwes wichtigste Landessprache Shona. Die Charaktere passte Zeichner Paul für das afrikanische Publikum an.
Empfohlener externer Inhalt
Gupta hat mit „Menstrupedia“ bisher über 50.000 Mädchen und Frauen aufgeklärt. In Indien wurden die Hefte in Kooperation mit Organisationen wie dem UN-Kinderhilfswerk Unicef an 10.000 Schulen verteilt. Die Covid-19-Pandemie hat diese Arbeit vor Ort entschleunigt, da Schulen geschlossen wurden. Gupta, die sich kürzlich von einer Corona-Infektion erholte, setzt in dieser Zeit auf Workshops mit Pädagogen, Eltern und Kindern.
Zwei weitere Pläne hat sie in diesem Jahr noch. „Wir haben festgestellt, dass ältere Mädchen Jüngere aufklären“, sagt Gupta. So arbeitet sie an einer Smartphone-App für die Großen. Szenen aus dem Comic wurden vertont und lassen sich auf Youtube als Videos finden. Und ihr Mann Paul hat sich mit Jungs auseinandergesetzt, die in die Pubertät kommen. Der nächste Aufklärungscomic ist also schon druckreif.
Natalie Mayroth, Mumbai
Kenias Frauen und Mädchen offene Gespräche ermöglichen
„Weltweit ist Kenia ein Beispiel dafür, wie man mit Menstruation umgehen soll in ein Entwicklungsland. Aber es bleibt noch vieles zu wünschen übrig“, sagt Roisa Kerry bei einer Tasse Dawa, ein kenianisches Getränk aus heißem Wasser, Honig, Ingwer und Zitrone. Das sei eine leckere Medizin gegen Corona, sagt die 31-Jährige mit einem Augenzwinkern.
Kerry ist Heilprakterin und setzt sich mit ihrer NGO „Live Healthy Initiatives“ für vieles ein, was mit Gesundheit zu tun hat. „Menstruation braucht einen multisektoralen Ansatz. Es geht nicht nur um Zugang zu Binden. Es geht auch um Hygiene, also Vorhandensein von sauberem Wasser, privaten und guten Sanitäranlagen und Information.“
Kenia war 2004 eines der ersten Länder der Welt, das die Mehrwertsteuer auf Binden strich, um sie für die Ärmsten bezahlbarer zu machen. Staatliche Schulen bekommen von den Behörden Binden, die sie umsonst an bedürftige Schülerinnen verteilen sollen. Auch hat die Regierung ein Regelwerk für wiederverwendbare Binden geschaffen, da es in Kenia diverse, aber nicht genügend Projekte von NGOs, Kirchen und anderen Organisationen dafür gibt.
Ein Paket Wegwerfbinden kostet in Kenia immerhin umgerechnet knapp einen Euro. „Das ist viel Geld für eine Familie, die von einem Euro pro Tag leben muss“, erklärt Kerry. „In so einer Situation sind Binden weniger wichtig als Nahrung.“ Und obwohl Schulen kostenlose Binden verteilen, haben Schülerinnen nicht immer Zugang dazu, weil manche Lehrkräfte sie für ein Nebeneinkommen verkaufen oder an Familienmitglieder verschenken. Kerry hat eine Alternative: „Die Lösung ist ein Bindenspender. Die Mädchen bekommen von den Behörden jeden Monat einen Token, womit sie sich die Binden aus dem Spender holen können. Diese Behörden müssen dann auch die Automaten füllen.“
Die Covid-19-Pandemie hat das Dilemma vergrößert. Kenias Schulen waren beinahe ein Jahr lang geschlossen, was für viele Mädchen ein Jahr ohne Binden bedeutete.
Kerry bildet Freiwillige aus, die in Schulen und Jugendvereinen Informationen über Menstruation weitergeben – nicht nur an Mädchen, sondern auch an Jungen. „Es geht immer besser mit der Erläuterung. Dabei helfen auch die Sozialen Medien“, meint Kerry und zeigt ihre Aufklärungsmaterialen.
Wie schnell die Zeiten sich ändern, zeigt Kerrys eigene Erfahrung als junges Mädchen. „Ich sprach nie mit meiner Mutter über die Periode. Wenn ich sie bekam, kaufte ich Watte, weil die anderen Mädchen in der Schule das auch so machten. Meine Schwester, die vier Jahre jünger ist, hörte ich eines Tages meine Mutter um Geld fragen, um Binden zu kaufen. Ich war damals entsetzt, dass man über so etwas sprechen konnte.“
Ilona Eveleens, Nairobi
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