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Initiative von Rot-Rot-Grün-AbgeordnetenStopp für Waffenlieferungen nach Israel

Drei Abgeordnete fordern den Stopp deutscher Rüstungsexporte nach Israel und eine Anerkennung Palästinas als Staat. Es droht ein Koalitionsstreit.

Keine Waffenexporte nach Israel, sagt Isabel Cademartori von der SPD Foto: Florian Gaertner/photothek/imago

Berlin taz | Der Aufruf ist in doppelter Hinsicht ein Novum: Drei Abgeordnete von SPD, Grünen und Linken fordern in einem offenen Brief einen Stopp deutscher Waffenlieferungen nach Israel und eine Anerkennung Palästinas als Staat. Bei der Initiative handelt um die erste rot-rot-grüne Initiative auf Bundesebene seit Langem und um einen Zusammenschluss bei Fragen, die selbst innerhalb der Parteien kontrovers diskutiert werden. „Die Lage vor Ort ist so zugespitzt, dass wir etwas tun wollen“, sagt eine der Initator*innen, die SPD-Abgeordnete Isabel Cademartori aus Mannheim.

Gemeinsam mit dem Grünen-Politiker Kassem Taher Saleh und der Linken-Abgeordneten Nicole Gohlke fordert sie ein „sofortiges Ende der militärischen und politischen Unterstützung für Benjamin Netanjahus Regierung“, um den Druck auf Israel für das neue Zustandekommen eines Waffenstillstands zu erhöhen. In dem offenen Brief heißt es, Deutschland und die Europäische Union sollten nicht nur Appelle an die israelische Regierung veröffentlichen, sondern „ihre Verpflichtung gegenüber dem Völkerrecht mit Taten untermauern“.

Besonders SPD-Politikerin Cademartori wagt sich mit dem Aufruf aus der Deckung. In der Ampel-Regierung hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stets betont, dass Deutschland Waffen an Israel liefere und dies auch weiter tun werde. Zuletzt hatte der dafür zuständige Bundessicherheitsrat im Januar auch etwa die Exporte von Komponenten für militärische Ketten- und Radfahrzeuge nach Israel erlaubt.

Mit ihrem künftigen Koalitionspartner könnte die SPD mit weitergehenden Forderungen konfrontiert werden. So hatte der designierte Außenminister Jo Wadephul (CDU) der Ampel-Regierung vorgeworfen mit einer Blockade von Waffenlieferungen nach Israel „gegen die Staatsräson zu verstoßen“. Unionsabgeordnete vertreten zudem die Position, Israel bei Waffenexporten mit einem Nato-Partner gleichzustellen und so die Lieferungen deutlich zu vereinfachen.

Koalitionsstreit droht

„Wir sind mit einem Koalitionspartner konfrontiert, der noch vehementer für eine politische und militärische Unterstützung Israels wirbt, als Olaf Scholz das unkritisch getan hat“, sagt die SPD-Politikerin Cademartori. Sie hoffe deshalb, dass auch die SPD-Fraktion Abgeordnete künftig deutlicher in der Frage Stellung beziehe. „Es gibt da einige, die meine Haltung teilen.“

Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 hat Israel in dem darauffolgenden Krieg mehr als 50.000 Menschen im Gazastreifen getötet. Vor zwei Monaten hatte die Regierung von Netanjahu zudem die zwei Millionen Ein­woh­ne­r*in­nen im Kriegsgebiet von allen Hilfslieferungen abgeschnitten. Das Welternährungsprogramm verbraucht dieser Tage nach eigenen Angaben seine letzten Vorräte im Gazastreifen.

„Es ist keine theoretische Frage mehr, ob Israel Völkerrecht verletzt“, sagt Cademartori. „Das Verweigern von humanitärer Hilfe, um militärische Ziele zu erreichen, ist klar völkerrechtswidrig.“

Für Nicole Gohlke von der Linkspartei geht es mit der Initiative darum, ein Netzwerk zu schaffen, um die Diskussionen im Bundestag weiterzutreiben. „Leider gibt es bislang wenige Politiker, die sich dazu äußern“, sagt sie. Es gehe darum, das Thema fraktionsübergreifend voranzubringen. Auch vor dem Hintergrund von Donald Trumps Unterstützung für das militärische Vorgehen Israels in Gaza hofft sie auf die SPD und darauf, dass sie der Union etwas entgegensetzen werde.

Hoffen auf Frankreich

In dem offenen Brief fordern die Abgeordneten neben dem Stopp der Waffenlieferungen nach Israel und einer aktiveren Vermittlerrolle Deutschlands bei Waffenstillstandsverhandlungen die Anerkennung Palästinas als eigenständigem Staat, „in Abstimmung mit Frankreich“. Der französische Präsident Emmanuel Macron lädt gemeinsam mit Saudi-Arabien im Juni zu einer Konferenz zur Zweistaatenlösung nach New York und hatte angekündigt, Paris werde Palästina als Staat anerkennen. Bereits vergangenes Jahr hatten Spanien, Irland und Norwegen einen solchen Schritt unternommen.

„Wir haben das parteiintern noch nicht diskutiert, ich würde aber davon ausgehen, dass das bei uns nicht so kontrovers ist“, sagt Linken-Politikerin Gohlke. Grünen-Politiker Taher Saleh hatte sich bereits im vergangenen Sommer für die Anerkennung Palästinas als Staat ausgesprochen. Auch SPD-Abgeordnete Cademartori findet, dass sich die kommende Bundesregierung der französischen Initiative anschließen solle. „Ich finde, dass wir das unterstützen sollten, um die Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen wirksamer gegen israelische Landnahme zu unterstützen.“

Der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD ist von einem solchen Schritt dagegen weit entfernt. Doch an einem anderen Prinzip möchte die Bundesregierung zumindest dem Namen nach weiter festhalten: Entgegen eines ersten Entwurfs mit Handschrift der Union ist im Koalitionsvertrag weiterhin von der Zweistaatenlösung die Rede, die als „tragfähige Perspektive für ein friedliches Zusammenleben von Israelis und Palästinensern“ bezeichnet wird.

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2 Kommentare

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  • Die deutsche Staatsräson besagt, dass wir aus der Erfahrung des Dritten Reichs heraus jüdisches Leben schützen wollen. Sie besagt gerade nicht, dass wir den Fehler, den wir an Juden begangen haben, nun nochmal an Palästinensern wiederholen und ein Aushungern im Ghetto unterstützen dürften. Jedem, der das tut, müssen wir energisch in den Arm fallen. Das ist die Lehre. Wer das nicht begreift und das Lebensrecht von Zivilisten nach Freund und Feind einteilt, der hat von unserer Geschichte gerade nichts begriffen, sondern Irrlehren gezogen. Es tut mir als Feund Isreals leid, aber man muss nach all den zahllosen Beispielen von Kriegsverbrechen schlicht erkennen, dass hier kein Einzelversagen in diversen Rängen mehr zu beklagen ist, sondern Netanjahu die Bevölkerung im Gazastreifen systematisch vertreiben - und wo nötig für dieses Ziel und den dafür erforderlichen Leidensdruck - auch direkt vernichten will. Das dürfen wir nicht zulassen.

  • Endlich