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IStGH erlässt Haftbefehl gegen NetanjahuWanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen

Der Internationale Strafgerichtshof hat Haftbefehl gegen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu erlassen. Er steht seit Monaten unter Kritik.

Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und der Ex-Verteidigungsminster Yoav Gallant. Es bleibt abzuwarten, ob sie in Deutschland einreisen dürfen Foto: Abir Sultan/ap

Berlin taz | Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat Haftbefehle für die Akteure einiger Konfliktparteien im Gazakrieg ausgestellt. Gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, den Ex-Verteidigungsminister Joav Galant sowie den militärischen Hamas-Anführer Mohammed Deif wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Netanjahu und Galant werden auch Aushungern als Mittel der Kriegsführung, Mord und Verfolgung vorgeworfen. Das teilte das Gericht in Den Haag am Donnerstag mit.

Netanjahu und Galant seien als zivile Vorgesetzte für das Kriegsverbrechen des vorsätzlichen Angriffs auf die Zivilbevölkerung in Gaza strafrechtlich verantwortlich. Das Büro von Netanjahu nannte die Haftbefehle antisemitisch. Israel erkennt den IStGH nicht an. Die Hamas wiederum verkündete, die Befehle sollten auf alle israelischen Anführer ausgeweitet werden.

Der Chefankläger, Anwalt Karim Khan, hatte die Haftbefehle im Mai beantragt. Gegen mehrere Hamas-Anführer wegen des Überfalls und der Tötung von Zi­vi­lis­t*in­nen und des Kriegsverbrechens der Geiselnahme am 7. Oktober 2023 in Israel und wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit von Israels Regierung in Gaza.

Khan hatte ursprünglich auch Haftbefehle für den Hamas-Anführer in Gaza, Jahia Sinwar und den politischen Hamas-Chef Ismail Hanijeh beantragt. Beide wurden vom israelischen Militär und Geheimdienst getötet. Ob al-Masri noch lebt, ist fraglich. Israel hatte erklärt, ihn bei einem Luftangriff getötet zu haben. Die Hamas hat das weder bestätigt noch dementiert. Vorsorglich erließ der Strafgerichtshof den Haftbefehl.

Amnesty kritisiert die Bundesregierung

Men­schen­rechts­ver­tei­di­ge­r*in­nen sehen in dem Erlass den Versuch, die Glaubwürdigkeit des internationalen Rechtssystems wiederherzustellen. „Niemand steht über dem Völkerrecht: keine Anführer bewaffneter Gruppen, keine Regierungsangehörigen, seien sie gewählt oder nicht, keine Militärangehörigen“, sagte Agnès Calla­mard, Generalsekretärin von Amnesty International, im Mai. Amnesty hatte die Bundesregierung kritisiert, völkerrechtswidrige Handlungen der israelischen Regierung nicht als solche zu benennen und so die Arbeit des Strafgerichtshofs zu beschädigen. Die Ermittlungen leitete die US-Anwältin Brenda J. Hollis. Sie war bereits Teil des Ermittlungsverfahrens gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Das Gericht hatte im März 2023 einen Haftbefehl gegen Putin erlassen.

Das Beispiel Putin zeigt, dass ein vorliegender Haftbefehl nicht unbedingt dafür sorgt, dass Kriegsverbrecher hinter Gitter kommen. Putin reiste Anfang September in die Mongolei. Ein Land, das den Strafgerichtshof anerkennt. Trotzdem nahm die Mongolei Putin nicht fest. Der Haftbefehl wurde bisher nicht vollstreckt.

Die 124 Staaten, die den Strafgerichtshof rechtlich tragen, sind nun verpflichtet, Netanjahu, Galant und Deif festzunehmen und an den Gerichtshof in Den Haag auszuliefern. Diese Pflicht gilt auch für Deutschland. Unter Völ­ker­recht­le­r:in­nen ist allerdings umstritten, ob die völkerrechtliche Immunität eines Präsidenten oder Regierungschefs eine Verhaftung ausschließt. Der IStGH hat entschieden, dass die Immunität nicht bei seinen Haftbefehlen gelte. Er hat aber keine Möglichkeit, einen Staat zur Verhaftung Netanjahus zu zwingen.

Die Niederlande seien bereit, den Haftbefehl gegen Netanjahu zu vollstrecken, berichteten niederländische Medien. Von der Bundesregierung kam zunächst keine Stellungnahme. Im Mai hatte der Sprecher der Bundesregierung gesagt, wenn die Entscheidung über einen Haftbefehl gegen Netanjahu ergangen sei, „müssen wir damit umgehen.“

Mitarbeit: Christian Rath

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17 Kommentare

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  • Ich hoffe, dass bei einem Prozess auch militär-strategische Gesichtspunkte berücksichtigt und neutrale Militär-Fachleute gehört werden.

  • "Das Büro von Netanjahu nannte die Haftbefehle antisemitisch."



    Weil Netanjahu geradezu die Verkörperung aller Juden darstellt, klar.



    "Die Hamas wiederum verkündete, die Befehle sollten auf alle israelischen Anführer ausgeweitet werden."



    Natürlich nur auf die, klar.

    Na ja, Kriegspropaganda.

  • "Das Beispiel Putin zeigt, dass ein vorliegender Haftbefehl nicht unbedingt dafür sorgt, dass Kriegsverbrecher hinter Gitter kommen."



    Ich würde davon ausgehen, dass zunächst ein "preliminary", also vorläufig, "nicht hinter Gitter" stimmt und plausibel ist, denn diese Verbrechen verjähren nicht, wenn die Beweisführung das gerichtsfest auch mit Dokumenten und Zeugenaussagen hergibt.

  • Jede Kritik an Israel und seinen Exponenten, mögen die noch so rechts und rassistisch sein, scheint für Sie Teil einer weltweiten antisemitischen Verschwörung zu sein. Das wirkt allmählich nicht viel weniger kurios als die bekannten antisemitischen Verschwörungstheorien.

  • Was für ein Fest es für die Antisemiten es sein müsste, könnte der Jude Netanjahu beim Betreten deutschen Bodens von deutschen Polizisten festgenommen werden.

    Um dann, stellvertretend für alle seiner Gruppe dem Weltgericht vorgeführt zu werden.

    Dieser feuchte Traum ist der Hintergrund dieses Beschlusses.

    • @Jim Hawkins:

      Und anders als bei Putin, der trotzdem reist, telefoniert oder bei Konferenzen zugeschaltet wird, wird die Weltgemeinschaft ganz fest zusammenstehen gegen den Regierungschef aus Israel. So gesehen nix neues für Israel.

    • @Jim Hawkins:

      "Dieser feuchte Traum ist der Hintergrund dieses Beschlusses."

      War eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis sie mit ihren zuweilen steilen Thesen im Bereich der Verschwörungstheorien landen.

      Der Weltgerichtshof als oberstes Gremium wird schon über gerichtsfeste Beweise verfügen, wenn er einen Haftbefehl erlässt. Außerdem erhält der Erlass eines Haftbefehls noch kein Urteil. Es gilt bis zum Beweis des Gegenteils und entsprechender Urteilsverkündung die Unschuldsvermutung.

      Anstatt hinter allen Anschuldigungen die ihm nicht genehm sind eine antisemitische Weltverschwörung zu vermuten, steht es den Angeklagten ja auch frei mit den Organen des IGH zu kooperien und zur Klärung und damit evtl zur eigenen Entlastung der Anklagepunkte beizutragen.

      Und Frage an sie, warum sollte ein Staatschef rechtlich anders behandelt werden, als ein Staatsbürger?

      • @Sam Spade:

        Ich bin mir ganz sicher, dass das Weltgericht über ganz famose Beweise verfügt.

        Falls nicht, behauptet man sie halt.

        In diesem Fall stört das keinen.

        Sie empfehlen also eine Kooperation. Das würde die Demütigung perfekt machen.

        Dazu wird es natürlich nicht kommen.

        Ich wünsche mir auch, dass Netanjahu weg wäre. Nur an der Gesamtlage würde das rein gar nichts ändern.

        Israel kann machen, was es will. Seine Feinde wünschen seine Vernichtung. Die kennen keine Parteien, nur Juden.

        • @Jim Hawkins:

          Man kann Netanjahu aber keinen Freifahrtsschein ausstellen, nur weil eine Verurteilung an der Gesamtlage nichts ändern würde.

          Gibt die Beweislage es her für die Anklagepunkte einen Haftbefehl zu erwirken, so ist das ein normaler Rechtsvorgang, nur in einem aussergewöhnlichen Bezugsrahmen.

          Der wiederum hat mit dem Rechtsvorgang nicht das Geringste zu tun. Feinde, welcher Art auch immer, hin oder her.

    • @Jim Hawkins:

      Kann es sein, dass die Phantasie mit Ihnen durchgeht?

      Der Haftbefehl gegen Netanjahu wurde nicht erlassen, weil er Jude ist, sondern weil die Art und Weise, wie er Macht ausübt, vermutlich gegen Völkerrecht verstößt. Da kann er sich nicht hinter seiner Nationalität verstecken.

      Ob die Vorwürfe zu Recht erhoben werden, muss ein Gericht entscheiden. Nicht ein, wie immer gearteter, Mob.

    • @Jim Hawkins:

      Wird uns von Ihnen nicht immer eingeredet, es gebe einen Unterschied zwischen dem Staat Israel, seinen handelnden Repräsentaten und den Juden. Weshalb Kritik an Israel und seinen Repräsentanten ja angeblich nicht antisemitisch sei, sagen die Freunde Israels doch immer. Entgegen der Behauptungen der "anderen Seite" in diesen Auseinandersetzungen. Die - angeblich zu unrecht - beklagt, sie werde mit ihrer verechtigten Kritik als Antisemiten diffamiert und mundtot gemacht.

      Ihr Kommentar belegt so klar wie selten, dass "Antisemitismus" einfach nur das Totschlagargument für jede Äußerung ist, die Ihnen und Ihresgleichen nicht passt.

      Denn Netanjahu wird nicht als Jude gesucht. Sondern als Verantwortlicher für Handlungen, die nach der vorläufigen Auffassung des IStGH Kriegsverbrechen darstellen. Unb die nach eben dieser vorläufigen Auffassung auch nicht von der Verteidigung gegen die Hamas gerechtfertigt sind. Denn der Zweck heiligt eben nicht die Mittel.

      • @Peter Rabe:

        Sie lassen sich etwas von mir einreden?

        Das spricht nicht für ihr Urteilsvermögen.

        Mundtot gemacht. Totschlagargument.

        Sorry, nicht mein Niveau.

        Und: Seit dem 7. Oktober explodiert der Antisemitismus weltweit. Der Wunsch dahinter ist der Totschlag, ganz real, nicht als Argument.

        • @Jim Hawkins:

          Nebelkerzen. Wieso genau wird Herr Netanjahu aus Feindschaft gegenüber den Juden und als deren Repräsentant denn verfolgt, wie Sie eingangs behauptet haben?

  • In dieser Situation kann Deutschland eigentlich nicht anders als Netanjahu zu "bitten" das Land nicht zu betreten, bis dieser Haftbefehl aus der Welt ist.



    Gerade mit Deutschlands Geschichte wäre jede, wirklich jede Reaktion auf einen Besuch Netanjahus einfach nur falsch.

    • @Herma Huhn:

      "Gerade mit Deutschlands Geschichte wäre jede, wirklich jede Reaktion auf einen Besuch Netanjahus einfach nur falsch."

      Nach Gerichtsverfassungsgesetz gilt "Funktionelle Immunität hindert nicht die Erstreckung deutscher Gerichtsbarkeit auf die Verfolgung von Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch.“

      Bedeutet nichts anderes als das Amtsträger beim Verdacht von Völkerstraftaten nicht von der Immunität geschützt sind.

      Insofern stellt sich die Frage nach der Reaktion oder eine Einteilung in richtig oder falsch erst gar nicht. Es gibt auch keinen Ermessensspielraum wie evtl. in der Mongolei.

      Bei der Einreise nach Deutschland würde der Haftbefehl noch am Flughafen vollstreckt werden.

      • @Sam Spade:

        "Bei der Einreise nach Deutschland würde der Haftbefehl noch am Flughafen vollstreckt werden."



        Würde oder müsste? Spannende Frage.

        Offene Frage: unterliegen Staatsoberhäupter von Staaten, die den IGH nicht anerkannt haben, überhaupt dessen Gerichtsbarkeit?