Homosexualität im Profi-Fußball: Leicht rechts und zu einfach
Warum outen sich schwule Fußballer nicht? Der Ex-Sankt-Pauli-Präsident meint: Wegen Mitspielern mit Migrationshintergrund. Das ist problematisch.
„Mario“, ein Film über einen schwulen Nachwuchsfußballspieler, läuft ab Donnerstag in den Kinos. Deutschlandfunk Kultur interviewte deshalb am Mittwoch den ehemaligen Präsidenten des FC Sankt Pauli, Corny Littmann. Er ist außerdem Schauspieler und selbst homosexuell.
Warum Homosexualität im Profifußball immer noch ein Problem sei, wird er gefragt. Darauf hat er eine gefährlich rechts angehauchte Antwort: Der Migrationshintergrund vieler Mitspieler hindere schwule Profifußballer an ihrem Coming-out.
Spieler aus anderen Ländern hätten teilweise Vorurteile, die „wir in der Steinzeit ansiedeln“. Littmann verweist darauf, wie Schwule und Lesben in anderen Kulturen behandelt würden. Im Amateurfußball gebe es dieses „Problem weniger, denn in den unteren Ligen gebe es noch eher „rein deutsche Mannschaften“.
Littmanns Argumentation erinnert sehr an die Sexismus-Debatte nach der Kölner Silvesternacht von 2015 auf 2016. Damals hieß es aus einigen Kreisen, Übergriffe an Frauen würden in erster Linie von ausländischen Männern verübt. Deutsche Männer, die deutsche Kultur und Gesellschaft sei ja schließlich fortschrittlich und gar nicht frauenfeindlich. Damals wollte man es sich also leicht machen, indem man das Sexismus-Problem nicht bei „uns Deutschen“ sah. Und genauso scheint nun Corny Littmann das Homophobie-Problem auch nicht bei „uns Deutschen“ sehen zu wollen.
Nur kurz nennt Littmann in dem Interview noch andere Gründe für die Angst vor einem Coming-out als Profispieler: Unterschiedliche Umgangsformen in den einzelnen Vereinen etwa und dass „offen schwul sein“ zu Konflikten führe. Welche Konflikte genau er damit meint, bleibt offen. Nicht angesprochen wird die Angst von Profifußballern, durch ein Coming-out lukrative Werbeverträge und Sponsoren zu verlieren.
Vor allem spricht Littmann nicht an, dass wahrscheinlich stereotype und idealisierte Geschlechterrollenbilder der Gesellschaft etwas mit der Homophobie im Fußball zu tun haben. Das allerdings ist ein komplexes Thema. Mit der rechts angehauchten Antwort macht Littmann – wie jene Argumentator*innen zur Silvesternacht – es sich deutlich leichter. Doch so einfach ist es leider nicht.
In einer früheren Version dieses Textes wurde Littmans Äußerung als „Quatsch“ bezeichnet. Gemeint war damit lediglich, dass sie in den Augen der Autorin zu kurz greift. Die Formulierung wurde von der Redaktion geändert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!