Homöopathie-Streit bei Grünen: Globuli-Frieden erstmal gescheitert

Homöopathie-Kritiker der Grünen lehnen das Angebot der Parteispitze ab, den Globuli-Streit in ein Fachgespräch auszulagern. Aus der SPD kommt Kritik.

Kügelchen und glas

Geben die Grünen sich auf dem Bundesparteitag die Kugel? Darüber wird gestritten Foto: McPhoto/ picture alliance

BERLIN taz | Der Homöopathie-Streit bei den Grünen geht in eine neue Runde: Der Bundesvorstand ist mit einem Versuch gescheitert, das emotionale Thema vom nächsten Bundesparteitag fernzuhalten. Die innerparteilichen Homöopathie-Kritiker lehnten ein Kompromiss­angebot des Vorstands ab, den Streit in ein Fachgespräch auszulagern. Eine gesundheitspolitische Fachkonferenz könne nicht die Kompromisslösung der Frage sein, „ob wir uns zur Wissenschaft bekennen“, schrieb das Grünen-Mitglied Tim Demisch auf Twitter.

Demisch hat mit über 250 Mitgliedern einen Antrag für den Parteitag im November gestellt, der fordert, die Finanzierung der Homöopathie über die Krankenkassen zu beenden. Schließlich sei jene erwiesenermaßen nicht über den Placebo-Effekt hinaus wirksam. Die Homöopathie-Fans bei den Grünen wollen den Status quo der Kassenfinanzierung beibehalten. Die Grünen-Spitze fürchtet nun eine Eskalation auf dem Parteitag.

Bundesgeschäftsführer Michael Kellner hatte deshalb am Dienstag ein Friedensangebot unterbreitet. Der Streit könne in ein Fachgespräch mit Fachpolitikern aus Partei und Fraktion ausgelagert werden, „um eine gemeinsame Positionierung zu erreichen“, heißt es in der Begründung eines Antrags des Bundesvorstands. Das Argument: „Die Debatte um Homöopathie schlägt hohe Wellen, ein wichtiger, aber mit Sicherheit nicht der wichtigste Punkt.“ Heißt übersetzt: Der Vorstand ahnt, dass Schlagzeilen über den Homöopathie-Streit Themen wie Klimaschutz oder Wirtschaftspolitik überlagern könnten.

Nun wird weiter über das umstrittene Thema verhandelt. Die Homöopathie-Kritiker bleiben gesprächsbereit. „Wir verweigern uns einem Kompromiss nicht, müssen aber inhaltliche Punkte von uns realisiert sehen“, sagte Demisch. Bei der Konkurrenz erregte die Debatte Aufmerksamkeit. „Da Homöopathie nicht wirkt, nach aller Wissenschaft, sollten die Krankenkassen sie auch nicht erstatten“, schrieb der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach auf Twitter. Wenn die Grünen hier der Wissenschaft und den getäuschten Patienten in den Rücken fielen, sei das feige. „Glaubwürdigkeit hängt nur an ganzer Haltung.“

„So okay“

Lauterbach schrieb allerdings nicht dazu, dass die SPD Teil einer Bundesregierung ist, die die Kassenfinanzierung von Homöopathie gutheißt. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte im September betont, die Kostenübernahmen nicht antasten zu wollen. Er verwies darauf, dass die gesetzlichen Kassen bei Arzneiausgaben von rund 40 Milliarden Euro im Jahr etwa 20 Millionen für Homöopathie zahlten. Darüber könne man emotional diskutieren und dabei viele vor den Kopf stoßen. Oder man könne sich fragen, ob es das angesichts der gesamten Größenordnung wert sei. Er habe sich entschlossen, es sei „so okay“.

Die Debatte sei „nicht der wichtigste Punkt“, betontder Grünen-Vorstand

In Frankreich sollen homöopathische Arzneimittel ab 2021 nicht mehr erstattet werden. Auch in Deutschland wird das schon länger diskutiert. Wer solche Mittel haben wolle, solle sie erhalten, „aber bitte nicht auf Kosten der Solidargemeinschaft“, hatte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, gesagt – und ebenfalls auf nicht ausreichende wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit verwiesen.

Viele Krankenkassen bezahlen den Versicherten die Kosten für homöopathische Behandlungen. Viele Versicherte wünschten sich die Kostenübernahme, sagte ein Sprecher der Techniker Krankenkasse am Mittwoch. Viele lehnten diese aber auch ab. Die Debatte sei „sehr polarisiert“. Die Techniker Krankenkasse gebe „noch nicht einmal ein Promille“ ihrer Aufwendungen für Homöopathie aus. Die Leistungsausgaben der Techniker Krankenkasse beliefen sich 2018 auf 26 Milliarden Euro.

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