Grüne und Homöopathie: Vorstand will keinen Globuli-Streit

Die Grünen-Spitze legt einen Kompromiss vor, um eine Eskalation auf dem Parteitag zu verhindern. Der Streit soll in einem Fachgespräch geklärt werden.

Annalena Baerbock und Robert Habeck flüstern sich etwas ins Ohr, grüner Hintergrund.

Bloß keinen Streit: Die ChefInnen wollen auf dem Parteitag lieber keine Globuli einschmeißen Foto: dpa

BERLIN taz | Der Grünen-Vorstand will mit aller Macht einen hitzig geführten Streit über Homöopathie auf dem nächsten Parteitag verhindern. Bundesgeschäftsführer Michael Kellner hat Kritikern und Befürwortern der umstrittenen Heilmethode jetzt einen Kompromiss vorgeschlagen, nämlich ein Fachgespräch jenseits des Parteitages. Das erfuhr die taz am Dienstag aus Parteikreisen.

Kellner möchte den Delegierten, die Mitte November in Bielefeld tagen, eine Formulierung des Bundesvorstandes zur Abstimmung vorlegen. „Grüne Gesundheitspolitik bekennt sich ausdrücklich zum Selbstbestimmungsrecht der Patient*innen und zur Therapiefreiheit der Ärzt*innen“, heißt es in dem Passus. Die Grünen wollten eine umfassende Versorgung aller Versicherten, sie sähen aber mit Sorge Versorgungslücken bei Arzneimitteln, Kostenexplosionen oder die mangelnde Erforschung lebenswichtiger Medikamente.

„Diese Punkte wollen wir als Partei gemeinsam diskutieren, dazu gehört dann auch die Frage von Kostenübernahmen von homöopathischen Verfahren.“ Der Bundesverband wolle alle AntragstellerInnen und FachpolitikerInnen aus Partei und Fraktion zu einem Fachgespräch einladen, „um eine gemeinsame Positionierung zu erreichen“, schreibt der Vorstand weiter. Sein Argument: Die Debatte um Homöopathie schlage „hohe Wellen“, sei aber mit Sicherheit nicht der wichtigste Punkt des Parteitags.

Die Grünen-Spitze fürchtet eine Eskalation. Schlagzeilen über einen Homöopathie-Streit könnten andere Themen, etwa Klimaschutz oder Wirtschaftspolitik überstrahlen. Zu der umstrittenen Heilmethode liegen mehrere Anträge für den Parteitag vor. KritikerInnen fordern, Kassenleistungen für homöopathische Behandlungen zu streichen, weil jene erwiesenermaßen nicht über den Placebo-Effekt hinaus wirkten. Homöopathie-Fans, von denen es bei den Grünen viele gibt, wollen am Status Quo der Kassenfinanzierung festhalten.

Ist die Kuh vom Eis?

Die AntragstellerInnen müssen den Kompromiss des Vorstands jetzt prüfen. Stimmen sie zu, ist für die Grünen-Spitze die Kuh vom Eis. Der Parteitag würde das Fachgespräch beschließen und nicht weiter in die inhaltliche Debatte über Sinn und Unsinn von Globuli einsteigen. Und die Frage, ob die Grünen für oder gegen die Kassenleistung Homöopathie sind, bliebe erst mal ungeklärt.

Einerseits sind solche Überweisungen nicht unüblich. Auch auf früheren Parteitagen wurden Themen in Kommissionen oder Bundesarbeitsgemeinschaften überwiesen, wenn es noch Gesprächsbedarf gab.

Andererseits widerspricht die professionelle Streitvermeidung dem Bild, dass Grüne gerne von sich zeichnen. Parteichef Robert Habeck beklagt etwa, dass die Gesellschaft das Streiten verlernt habe. Aber Streit im eigenen Laden tragen die Grünen dann doch lieber in homöopathischen Dosen aus.

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