Hohe Kosten für Gas und Strom: Energiearmut hat zugenommen
Für Haushalte mit wenig Geld sind hohe Strom- und Gaspreise ein großes Problem. Das zeigt ein Bericht des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen.
Berlin taz | Die Zahl der Haushalte, die mehr als 10 Prozent ihres Einkommens für Energie ausgeben müssen, ist stark gestiegen. Das geht aus dem Bericht des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen hervor, der am Montag an Bundesverbraucherministerin Steffi Lemke (Grüne) übergeben wurde. Wer über der 10-Prozent-Marke liegt, leidet gängigen Definitionen zufolge unter Energiearmut.
Für den Bericht wurden die Daten von 4.444 Haushalten untersucht. Dem Bericht zufolge sind die monatlichen Abschlagszahlungen für Strom und Gas zwischen dem Beginn der Energiekrise im März 2022 bis Juni 2023 im Median um 52 Euro gestiegen. Der Median bedeutet, die eine Hälfte der Haushalte liegt darüber, die andere darunter.
Die Preissteigerungen treffen Bürger:innen unterschiedlich hart. Haushalte mit mittlerem Einkommen zahlten demnach 57 bis 60 Euro mehr. Haushalte aus dem Fünftel mit dem niedrigsten Einkommen mussten 45 Euro im Monat mehr aufbringen, die aus dem Fünftel mit den höchsten Einnahmen 50 Euro.
Dabei haben dem Bericht zufolge Wohlhabende sehr viel mehr Wohnraum als Bürger:innen mit geringem Einkommen – aber auch mehr Möglichkeiten der Kostenvermeidung. Sie leben etwa häufiger in Gebäuden mit hohem energetischem Standard. Menschen mit wenig Geld dagegen haben höhere Heizkosten, weil sie öfters zur Miete und in schlecht isolierten Wohnungen leben.
Das wohlhabendste Fünftel der Haushalte wendet dem Bericht zufolge 4 Prozent des Einkommens für Energie auf. Ökonom:innen gehen davon aus, dass Energiekosten zu einer finanziellen Überforderung – sogenannter Energiearmut – führen, wenn sie 10 Prozent des Nettoeinkommens übersteigen. Im Juni 2023 waren im Fünftel mit dem geringsten Einkommen im Mittelwert 16 Prozent betroffen, vor der Energiekrise waren es 12 Prozent. Im zweitärmsten Einkommensfünftel sind es im Mittelwert jetzt 11 Prozent nach 8 Prozent zu Beginn der Krise.
Preisdeckel laufen aus
„Nach der ‚10-Prozent-Regel‘ der Energiekostenüberlastung ist damit der Anteil der von Energiekosten überlasteten Haushalte im Betrachtungszeitraum von 26 Prozent auf 43 Prozent angestiegen“, heißt es in dem Bericht. In den Jahren 2016 bis 2020 lag dieser Wert bei 16 Prozent. Bei den Berechnungen haben die Autor:innen allerdings die staatliche Energiekostenhilfe nicht komplett berücksichtigt, die zum Beispiel für Beschäftigte bei 300 Euro lag.
Der Bericht wird inmitten der Diskussion in der Bundesregierung über die Energiepreispolitik veröffentlicht. Wegen der explodierenden Preise hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr die Mehrwertsteuer auf Gas von 19 auf 7 Prozent gesenkt, geplant war eine Befristung bis Ende März 2024. Jetzt drängt Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) darauf, die Absenkung schon zum 1. Januar zurückzunehmen. Die Preisbremsen für Strom und Gas, mit denen die Preise gedeckelt werden, laufen zum 1. Januar ebenfalls aus.
Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm, Mitglied des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen, plädiert für die Fortführung der Preisbremsen bis Ende März. „Preisbremsen sind eine Versicherung für den Fall eines großen Preisanstiegs“, sagte sie am Montag. Für eine Entwarnung ist es ihrer Auffassung nach zu früh. Wird der Winter sehr hart oder kappt Russland die Gaslieferungen etwa nach Österreich, könnten die Preise wieder stark steigen.
Leser*innenkommentare
Paul Meier
Wir brauchen eine Strompreisbremse, wie sie der DGB vorschlägt. Eine Deckelung bei 35 cent/kWh, bis sich die Lage normalisiert hat.
Die Preise lagen ja diese Jahr teilweise bei 48 cent/kWh, es muss also etwas getan werden. Wenn der Ausbau der erneuerbaren dann verstärkt wird, kann der Preis sich wieder nach unten hin stabilisieren.
Tom Tailor
@Paul Meier Es muss in jedem Fall etwas getan werden. Bei 4000 kw/H im Jahr habe ich früher knapp 100 DM im Monat gezahlt, jetzt sind es 130 Euro.
Gorch
Es geht ja nicht nur um den Strompreis, sondern auch um die Netzkosten. Darauf werden dann die Steuern geschlagen.
Selbstverständlich ließen sich politisch die Steuern auf Strom verringern. Aber es soll den Armen geholfen werden. Leider ist es kaum möglich die Stromsteuer auf die persönlichen Umstände einzelner Bürger umzurechnen. Dazu müssten die Energieversorger einen Einblick in die persönlichen Verhältnisse der Bürger bekommen. Der Datenschutz verbietet dies ganz selbstverständlich.
Eine Rückzahlung beim Lohnsteuerjahresausgleich hilft da auch nicht weiter, weil sich dadurch die monatliche Belastung nicht verringert.
Das Geschrei würde also wieder groß sein, wenn die Strombesteuerung für alle reduziert würde. Dann würde den Reichen mal wieder geholfen.
Für den Moment ist es leider noch so, das fossile Erzeuger durch Erneuerbare ersetzt werden müssen. Ab einem bestimmten Punkt allerdings kommen wir in ein dauerhaftes Überangebot von Strom wobei zugleich die Anzahl Verbraucher steigt wg. der Zunahme von Teilnehmern über Wärmepumen, E-Autos uvm. Dann könnten die Einnahmen aus der Stromsteuer auf mehr Verbraucher verteilt werden und der Strompreis würde merklich sinken.
Bis dahin stecken wir weiter im Dilemma der unzulänglichen Preisbildung an der Strombörse, getrieben von Krieg und Inflation.
Den Eigenheimbesitzern können wir aber auch dankbar sein, weil sie mit ihrem privaten Geld Überkapazitäten aufbauen, die langfristig allen nutzen werden.
Günter Witte
Bei den Stromkosten könnte unser Staat Ärmeren Bürgern sofort helfen, er müsste nur selber PV-Anlagen installieren. Der Staat hat tausende Hektar Land für Freiflächenanlagen, enormen Besitz an Gebäuden mit brauchbaren Dächern. Momentan gibt es rund 7 Cent/KWh Vergütung, für diesen Preis könnte der Staat den Strom an Bedürftige abgeben. Weil wenn sich 7 Cent für Private Investoren rechnet, dann rechnet sie sich auch für den Staat.
aberKlar Klardoch
@Günter Witte Der Staat könnte ärmere Bürger durch PV-Anlagen auf eigenem Land und Gebäuden unterstützen, da die Vergütung von rund 7 Cent/KWh sowohl für private Investoren als auch für den Staat wirtschaftlich sein könnte. Die Umsetzung erfordert jedoch sorgfältige Prüfung.
Carsten S.
@Günter Witte Das ist natürlich eine Super-Idee im Sommer, wenn die Sonne scheint. Dann können die armen Leute billig ihre Klimaanlagen betreiben.
Im Winter sieht es dann ein bisschen anders aus.
Kahnt Karl-Heinz
@Carsten S. Na ja, lieber Herr Carsten S., auch wenn es im Winter ein kleines bissel anders aussieht - so werden die Einnahmen für Solarenergie dennoch übers GANZE Jahr generiert. Kurz und gut: Das ist kein Argument gegen Herrn Wittes Vorschlag ...
Es muss doch einen Vorzug haben, dass wir als STEUERZAHLER die Solarenergie umfassend subventionieren; oder etwa nicht? Auch wenn wir selbst dann NICHTS davon haben.
Willem Borone
@Carsten S. Erst mal informieren, dann argumentieren.
PVT-Technik löst beides, dezentral, null Netzüberlastung, langfristig extrem verbraucherfreundlig (= bezahlbar).
31841 (Profil gelöscht)
Gast
Infolge der Marktreaktionen auf den Krieg in Israel/Palästina könnte sich die Lage verschärfen.
Willem Borone
@31841 (Profil gelöscht) ....noch ein weiteres Argument für schnellstmöglihn Aufbau einer autarken Energieverorgung
Karim Abidi
"Für Haushalte mit wenig Geld sind hohe Strom- und Gaspreise ein großes Problem. Das zeigt ein Bericht des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen."
Nennt mich allwissend, nennt mich Messias, nennt mich Nostradamus oder nennt mich Schwätzer, aber ich hätte das auch ohne Verbraucherfragen und Bericht gewusst.
Bei unserem Strommarkt läuft leider einiges falsch
Willem Borone
@Karim Abidi Ja ! AKWs und Braunkohlekraftwerke wurden/werden bedenkenlos subventioniert.....
Langzeitkosten der AKW -Müll -"Entsorgung".....soll ich doch die Nachwelt drum kümmern.....Hauptsache, wir haben "unsere" Milliarden im Sack.......
Zitat zu Steinkohle - (Dauer-)Spätschäden: Roth, 50 Jahre alt, ist Geologe. Und Wasser-Fachmann, beim Bergbaukonzern RAG – und muss ich jetzt um die Altlasten des Steinkohle-Bergbaus kümmern. Die über Jahrzehnte aus dem Boden geholten Abermillionen Tonnen von Kohle und Gestein, haben das Ruhrgebiet gewaltig absacken lassen. Im Schnitt um 12 Meter, die Essener Innenstadt ist fast 30 Meter abgesunken. Die Zahl der Schächte, Gruben und Stollen im Ruhrgebiet und im Aachener Revier werden auf rund 60.000 geschätzt, es ist ein gigantisches Netz, was sich tief in der Erde entspinnt. Über 200 Pumpen sind daher nötig, damit das Ruhrgebiet nicht zur Seenplatte wird.
Lösung für die Zukunft:
Energie wird demokiratisiert = verstatlicht, auf alle öffentlichen Gebäude Solarenergie (möglichct PVT), mit Ladestationen auf den zugehörigen Parkplätzen, nur noch - E-Dienstwagen, Kilometergeld nur noch für E-Autos (vermindert selbstverständlich um den Gratis - Ladestrom).....etc.
Karim Abidi
@Willem Borone Jap, diese unsinnigen Subventionen gehören gestrichen! Ausserdem sollte es für jede Art von Strom einen Preis geben, der auch mehr oder weniger den Kosten entspricht - die erneuerbaren wären dann am Günstigsten und Gas wäre stand Jetzt am Teuersten, andere Formen der Stromgewinnung würden durch den Gaspreis nimmer beeinflusst werden.
Wenn hierfür Verstaatlichung von Nöten ist lets go. Die Infrastruktur und alles was zum Leben notwendig ist sollte eh in der Hand der Öffentlichkeit sein, und net in der Hand von iwelchen reichen Erben deren Großeltern das ganze mal gekauft haben um mit den Nöten der Bürger Gewinn zu erzielen
Kahnt Karl-Heinz
@Karim Abidi Lieber allwissender Messias,
auch wenn das so offenkundig ist: WIE sonst aber sollten jene ihre Einkommen verdienen - die man eigens zur Sache befragt hat?
Leider ist es in der Sache ebenso, wie vom Kommentator Günter Witte gefragt: WARUM beteiligt der Staat die Ärmeren NICHT an den Einnahmen, die ihm Solarenergie so kostengünstig in die Kassen spült. Weil das zu einfach wäre - und nichts dran verdient ...
Karim Abidi
@Kahnt Karl-Heinz Tja, evtl ist das bloß mein Neid, dass ich den Gewinnern ihren Gewinn net gönne und stattdessen günstigen Strom für alle will🤔 ich selbst bin ja eigtl für ne Verstaatlichung des Energiesektors, aber selbst wenn mans net verstaatlicht, so sollte man ermöglichen, dass die Erneuerbaren attraktiv sind. Man sollte sich nimmer nach den Gaspreis sondern nach den Kosten richten. Wenn man mehr verlangt als es kostet, dann macht man ja immer noch Gewinn, auch wenn dieser kleiner ausfällt. Leute die zb Photovoltaik haben sollten kein Geld mehr für Strom zahlen müssen den sie selbst produzieren, das könnte such das Mieten günstiger machen wenn man gesetzlich verpflichtet, dass man diese Vergünstigung auch an den Mieter weitergibt.
Zur Beteiligung am Gewinn: das wäre super, es gab ja so'n Experiment bei dem man die Einwohner am Gewinn des Windrads beteiligte und schon ist die Akzeptanz enorm gestiegen.
Aber ja, wäre wohl alles zu einfach und zu sozial, mein Fehler. Vergesse immer, dass es in Deutschland nur den obersten Prozenten nutzen darf und möglichst kompliziert sein muss
Matt Gekachelt
@Kahnt Karl-Heinz Indem es ein auskömmliches Grundeinkommen gibt. Dann muss keiner gemeingefährlichen Produkte mehr herstellen, oder fragwürdige Dienstleistungen verrichten. Geld ist genug da. Unsere Lebensgrundlagen zerstören wir gerade und opfern die Zukunft für unser kurzfristiges "Vergnügen". So sind wir "Boomer" nunmal groß geworden. Da kann man nix machen, und wir sind viele. Das zählt - nicht nur in der Demokratie.
Tom Tailor
@Matt Gekachelt Nicht nur wir "Boomer", auch alle nachfolgenden Generationen. Die gegenwärtige Kohorte der 20- 25 jährigen hat doppelt soviel Ressourcenverbrauch als wir zur damaligen Zeit.
Willem Borone
@Kahnt Karl-Heinz Ja,und deshalb wird weiterhin der Braunkohlestrom subventioniert....und für ca.6 ct/kWh exportiert, statt ihn an uns Bürger, die ihn subventioniert haben, für max. 10ct zu verkaufen.
Willem Borone
@Kahnt Karl-Heinz Einfacher: Energiekonzerne enteignen, Energie zum Selbstkostenpreis an die Bürger weitergeben.
Exportpreis für deutschen Strom im Mai2023: 5,32 ct pro Kilowattstunde !
......und wir "Normalbürger" zahlen 35-40 Cent !
Kahnt Karl-Heinz
@Willem Borone Da bin ich ganz bei Ihnen, Herr Borone!
Der Bürger subventioniert seit jeher die Großverbraucher ...