Hohe Kosten für Gas und Strom: Energiearmut hat zugenommen
Für Haushalte mit wenig Geld sind hohe Strom- und Gaspreise ein großes Problem. Das zeigt ein Bericht des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen.
Für den Bericht wurden die Daten von 4.444 Haushalten untersucht. Dem Bericht zufolge sind die monatlichen Abschlagszahlungen für Strom und Gas zwischen dem Beginn der Energiekrise im März 2022 bis Juni 2023 im Median um 52 Euro gestiegen. Der Median bedeutet, die eine Hälfte der Haushalte liegt darüber, die andere darunter.
Die Preissteigerungen treffen Bürger:innen unterschiedlich hart. Haushalte mit mittlerem Einkommen zahlten demnach 57 bis 60 Euro mehr. Haushalte aus dem Fünftel mit dem niedrigsten Einkommen mussten 45 Euro im Monat mehr aufbringen, die aus dem Fünftel mit den höchsten Einnahmen 50 Euro.
Dabei haben dem Bericht zufolge Wohlhabende sehr viel mehr Wohnraum als Bürger:innen mit geringem Einkommen – aber auch mehr Möglichkeiten der Kostenvermeidung. Sie leben etwa häufiger in Gebäuden mit hohem energetischem Standard. Menschen mit wenig Geld dagegen haben höhere Heizkosten, weil sie öfters zur Miete und in schlecht isolierten Wohnungen leben.
Das wohlhabendste Fünftel der Haushalte wendet dem Bericht zufolge 4 Prozent des Einkommens für Energie auf. Ökonom:innen gehen davon aus, dass Energiekosten zu einer finanziellen Überforderung – sogenannter Energiearmut – führen, wenn sie 10 Prozent des Nettoeinkommens übersteigen. Im Juni 2023 waren im Fünftel mit dem geringsten Einkommen im Mittelwert 16 Prozent betroffen, vor der Energiekrise waren es 12 Prozent. Im zweitärmsten Einkommensfünftel sind es im Mittelwert jetzt 11 Prozent nach 8 Prozent zu Beginn der Krise.
Preisdeckel laufen aus
„Nach der ‚10-Prozent-Regel‘ der Energiekostenüberlastung ist damit der Anteil der von Energiekosten überlasteten Haushalte im Betrachtungszeitraum von 26 Prozent auf 43 Prozent angestiegen“, heißt es in dem Bericht. In den Jahren 2016 bis 2020 lag dieser Wert bei 16 Prozent. Bei den Berechnungen haben die Autor:innen allerdings die staatliche Energiekostenhilfe nicht komplett berücksichtigt, die zum Beispiel für Beschäftigte bei 300 Euro lag.
Der Bericht wird inmitten der Diskussion in der Bundesregierung über die Energiepreispolitik veröffentlicht. Wegen der explodierenden Preise hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr die Mehrwertsteuer auf Gas von 19 auf 7 Prozent gesenkt, geplant war eine Befristung bis Ende März 2024. Jetzt drängt Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) darauf, die Absenkung schon zum 1. Januar zurückzunehmen. Die Preisbremsen für Strom und Gas, mit denen die Preise gedeckelt werden, laufen zum 1. Januar ebenfalls aus.
Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm, Mitglied des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen, plädiert für die Fortführung der Preisbremsen bis Ende März. „Preisbremsen sind eine Versicherung für den Fall eines großen Preisanstiegs“, sagte sie am Montag. Für eine Entwarnung ist es ihrer Auffassung nach zu früh. Wird der Winter sehr hart oder kappt Russland die Gaslieferungen etwa nach Österreich, könnten die Preise wieder stark steigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett