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Höheres RenteneintrittsalterArbeit ist nicht gleich Arbeit

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Ein höheres Renteneintrittsalter ist nicht in jedem Beruf machbar. Für Leute in Verschleißjobs würde eine Reform zu Renteneinbußen führen.

Es sind besondere Zeiten auf dem Arbeitsmarkt Foto: Gerd Pfeiffer/Voller Ernst/Fotofinder

E s sind schräge Zeiten auf dem Jobmarkt. Jungen Leuten, 25, 30 Jahre alt, wird scheinbar der rote Teppich ausgelegt. Firmen bieten Be­wer­be­r:in­nen Vier-Tage-Wochen an, Arbeitszeit nach Wahl, Homeoffice, Einstiegsprämien. Sind Ar­beit­neh­me­r:in­nen die neuen Kings in der Klassengesellschaft? Mitnichten. Tatsächlich ist der Kampf ums Personal ein alarmierendes Symptom, hinter dem Verteilungskämpfe drohen, deren Ausgang offen ist.

Durch Nachwuchsmangel und Alterung erhöht sich der Arbeitsdruck: Wir sollen länger ackern, vielleicht sogar 42 Stunden. Mütter möglichst in Vollzeit, Ältere bis zum 70. Lebensjahr. Arbeitskräfte werden doch gesucht! Leider gerät dabei aus dem Blick, dass Arbeit eben nicht gleich Arbeit ist. Durch den Personalmangel verschärfen sich etwa die ohnehin schon schwierigen Bedingungen in den Careberufen.

Pfleger:innen, Er­zie­he­r:in­nen reduzieren ihre Jobs wegen der Unterbesetzung und der damit verbundenen hohen Belastung bereits auf 32-Stunden-Stellen und sorgen damit für ihre eigene Altersarmut. Ein Arbeitgeber in der Pflegebranche erklärte, eine Steigerung der Löhne hätte zur Folge, dass die dann besser bezahlten Frauen ihre Arbeitszeit verringern könnten, daher sei sie angesichts des Personalmangels kontraproduktiv. Ein beklemmender Satz.

In Logistikunternehmen ist die nervliche und körperliche Belastung für Sor­tie­re­r:in­nen und Bo­t:in­nen von vorneherein so hoch, dass kaum jemand den Job über mehrere Jahrzehnte durchhält. Die Firmen setzen darauf, dass sie immer wieder Nachschub finden durch Jobsuchende ohne Qualifikation und mit geringen deutschen Sprachkenntnissen. Es stimmt, immer mehr Ältere arbeiten auch noch im Rentenalter. Solange sie das freiwillig tun, ist nichts dagegen zu sagen.

Wer in der Politik aber auf die Idee kommt, etwa durch eine gesetzliche Rente mit 70 quasi zwei Fliegen – den Personalmangel und die Finanzprobleme der Rentenversicherung – mit einer Klappe zu schlagen, der outet sich als Ahnungsloser. Und verschärft Ungleichheiten, die zu wenig thematisiert werden. Ein höheres Renteneintrittsalter würde Rentenkürzungen bedeuten für Leute in Verschleißjobs, die mit 65 nicht mehr können.

Ar­beit­neh­me­r:in­nen in diesen Jobs haben ohnehin eine geringere Lebenserwartung als Aka­de­mi­ke­r:in­nen und beziehen schon deswegen weniger Rente. Wer mit belastender Dienstleistung, die zum körperlichen und nervlichen Abbau führt, sein Geld verdient, hätte das Nachsehen in einem solchen, auch demografisch bedingten Umbau des Sozialstaats. Da wäre sie dann wieder, die Klassengesellschaft.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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49 Kommentare

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  • es lohnt sich einmal das österreichische Rentenmodell anzusehen. Österreich bekommt bei ähnlicher Ausgangslage wie D ein wesentlich höheres Rentenniveau hin, weil es konsequent umlagefinanziert wird.

    Wir hier in D jammern über die Demografie und sitzen damit einer Nebelkerze auf, die verdeckt, dass wer kann und wer Geld verdient sich in D einfach aus der Rentenfinanzierung ausklinken kann, sprich die unteren Einkommen müssen sich selbst finanzieren. Dass das bei sinkendem Realeinkommen in diesen Schichten, wie in den Merkeljahren geschehen nicht funktionieren kann bedarf keiner großen Denkleistung.

    Der Trick in D besteht darin, das die Versicherungswirtschaft Hand in Hand mit anderen Lobbyverbänden, das staatliche System krankrechnen und sinkende Renten auf die Demografie schieben. Das nur ein kleiner Teil der Menschen in D in die Kasse einzahlt und schon gar nicht die großen Einkommen wird nirgends thematisiert, schon gar nicht von links (oder die die sich für links halten)

    • @nutzer:

      Rudolf Walther hat hier mal in der taz - unter andreren schwyzer Kuriositäten - die Altersversorgung der Schweiz - (“wäre heute nicht mehr durchsetzbar!“) skizziert.



      Stichwort “Topverdiener zahlen mehr in die gesetzliche Rentenkasse ein, als sie herausbekommen.“



      Kann den Beitrag aber grad nicht finden



      Nur. “Es ist - wie auch¿ - auch dort noch längst nicht aller Tage Abend.



      “Rente Glo­bal: Schweiz



      Das Vor­bild ver­blasst



      Lange galt die Schweizer Altersvorsorge weltweit als Maßstab: Hohe Renten, moderate Beiträge, fairer Ausgleich zwischen Arm und Reich. Doch Niedrigzinsen und demografischer Wandel bringen das System in Schieflage. Und das ist nicht das einzige Problem.



      www.gdv.de/de/them...ld-verblasst-68186



      Die Argumentationsketten kommen einem bekannt vor. M.W. waren/sind -anders als massiv in Schland - Fremdentnahmen nicht bekannt/möglich(?).



      & Däh



      “Die erste Säule ist darauf ausgelegt, die Existenz im Alter angemessen zu sichern, gesetzliche und berufliche Vorsorge zusammen sollen die „Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise“ ermöglichen. So steht es in der Verfassung.“



      & mE besonders wichtig =>



      “Der Beitragssatz ist mit derzeit 10,6 Prozent aber deutlich geringer als beim großen Nachbarn (18,6 Prozent) und – noch entscheidender – es gibt keine Beitragsbemessungsgrenze. Das heißt: Ein Einkommensmillionär zahlt jährlich mehr als 100.000 Schweizer Franken in die Rentenkasse – ohne Anspruch auf entsprechend hohe Altersbezüge zu haben. Die Maximalrente beträgt derzeit 2390 Franken im Monat. Und die bekommt nur, wer auf mindestens 44 Beitragsjahre kommt. Selbst wer Millionen eingezahlt, aber etwa einige Jahre im Ausland gelebt hat, muss Abschläge in Kauf nehmen. In Deutschland wäre eine derart große Umverteilung der gesetzlichen Rentenversicherungsbeiträge wohl verfassungswidrig.“ Ach was! © Vagel Bülow - 🙀🥳🤔 -

      Ja Mahlzeit

  • &! Renten kürzen als Schlampel-Ziel - 👹 -



    Neu is dess nicht - Gesagt ist viel!



    Doch ist‘s durchgängig auch gemacht!!



    Düwel ook - Otto Teufel gab mal acht=>



    “Rentenexperte Otto Teufel: Einer schuftet im Augiasstall (Wohl wahr!)



    Der Bruder von Fritz Teufel ist einer der versiertesten, kritischsten Rentenexperten Deutschlands. Seit 30 Jahren kämpft er gegen die Rechentricks der Rentengesetzgebung.“



    taz.de/Rentenexper...o-Teufel/!5127666/ by Gabriele Goettle 💐



    & btw but not only => Woll, dess noch =>



    Ja das war die taz einmal - doch doch -



    Firmierte zu recht => “Linkes Portal“



    & Däh => verweht versandet - zu spät =>



    Hück aber “Bayernkurier Immergriins“



    “Das Soziale?“ - Is PU & Co. 🤬=>



    Rinkslechts: “nur noch ein Hirngespins“



    So so - 🤢🤮🤑 - •

    Na Mahlzeit

  • Immerhin lässt sich feststellen, dass die Kommune in Sachen Renteneintrittsalter fast wie mit einer Stimme spricht (das war ja in letzter Zeit weiß Gott nicht immer der Fall, siehe Ukraine-Krieg) … ich lehne mich mal so weit aus dem Fenster, dass ich behaupte, dass eine große Mehrheit in der Bevölkerung das nicht anders sieht.



    Und trotzdem läuft der neoliberale Sch … einfach immer weiter, trotz Protesten von Gewerkschaften, Sozialverbänden, Kirchen und von sonst noch wem … an Lindner und seiner 7%-FDP kann‘s ja wohl nicht alleine liegen, wenn die breite Ablehnung dieser unsozialen Politik so geflissentlich ignoriert wird.



    Vielleicht müssen wir einfach noch deutlicher werden, um in Berlin gehört zu werden … hat mit den Klimaprotesten doch auch geklappt.

  • Wenn die Deutschen nicht dazu bereit sind die notwendigen Arbeiten, für die jetzt schon keine Arbeitnehmer mehr gefunden werden können, dann muss man sich diese halt aus dem Ausland heran holen und bezahlen.

    Das Geld dafür kann man ja mit Rentenkürzungen oder höhere Steuern zusammen bekommen. Der Pillenknick wird auf alle Fälle Lösungen wählen, in denen deren Pflege und Unterhalt gewährleistet ist. Nur gegen längere Areitszeiten zu ihrer Zeit wir es ein Veto geben :-)

  • 6G
    659975 (Profil gelöscht)

    Last die Beamten in die Rentenkasse zahlen und berechnet die Pensionen nach dem selben Schlüssel wie die Renten berechnet werden.

    Dann hält das Rentensystem auch wieder ein paar Jahre.....

  • Die Befürworter von ständigen Erhöhungen des Renteneintrittsalters wissen natürlich seit Jahrzehnten genau, dass es Verschleißjobs gibt. Und es ist ihnen scheißegal, denn letzten Endes sind diese Änderungen versteckte Rentenkürzungen. Und die sollen möglichst viele betreffen.

    Was in Deutschland seit mindestens 20 Jahren fehlt ist eine richtige Reform der Rente, wie sie Österreich auf die Reihe gebracht hat.

    Aber da unsere Regierung in Wirklichkeit nur für die Wirtschaft&Versicherungen arbeitet, ist solche Politik hier in diesem Lande unerwünscht.

    • @Herbert Eisenbeiß:

      Korrektur: die Regierung arbeitet für die Wirtschaft, die Versicherungen und für den Erhalt der Beamt:innenprivilegien, gerade auch bei Renten. Sonst könnte man mit Bürgerversicherung, wie z.B. in der Schweiz, mehr erreichen.

    • @Herbert Eisenbeiß:

      Nützt es eigentlich was, wenn man dann nach Österreich auswandert ;-)

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Das Titelbild lässt vermuten, dass es sich um eine Sommerloch-Debatte handelt.

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Das Fotto is klasse!



      Ich verstehe es als Eloge auf alle KanalarbeiterInnen

      • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

        Im übertragenen wie im wörtlichen Sinne!

        • 9G
          95820 (Profil gelöscht)
          @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

          Sie hinterlassen ihre Spur in der Infrastruktur. Im übertragenen wie im wörtlichen Sinne.



          MancheR ist nur aufgetaucht, weil sie/er frische Luft gebraucht.



          Das Fotto is Klasse. Gerd Pfeifer sein Voller Ernst, wie der Autorenvermerk uns lehrt.

          • @95820 (Profil gelöscht):

            Stimme both nicht nur im Ernst sein Mantel zu. But.



            “Da wäre sie dann wieder, die Klassengesellschaft.“ Im Ernst.



            Wieso - dann&wieder?! •

            unterm—— btw —



            Hermann Heller - der hell&klarsichtige



            - dort längst vergessene Kronjurist der Sozialdemokratie &! Erfinder des -



            Sozialen Rechtsstaates! Gellewelle.



            “Heller prägte in seiner Schrift Rechtsstaat oder Diktatur? von 1930 den Begriff des sozialen Rechtsstaats.“



            Würde das genauso sehen! Wollnich.



            ——



            de.wikipedia.org/w...nn_Heller_(Jurist)



            & für Herrn Gröfimaz petit C Lindner🤬



            “Was gibt es materielleres als das Haushaltsgesetz!“ Wohl wahr. Newahr.



            Normal Schonn •



            & 1997 => Remember - Mr. Flacheisen -



            Christian Lindner in 1997 - Reaktion auf alte sternTV Doku | Finanzfluss Twitch Highlights



            m.youtube.com/watch?v=uwInBvLRnh4

            • @Lowandorder:

              m.youtube.com/watch?v=uwInBvLRnh4:

              A real rebel without a cause, isn't he?

  • Eine Anhebung des Rentenalters soll nicht vorrangig dazu führen, dass Menschen wirklich länger arbeiten. Es geht hauptsächlich darum, Vorwände für Rentenkürzungen zu schaffen. Deshalb bringt es auch wenig, sich darüber zu unterhalten, wer überhaupt so lange arbeiten kann. Es muss darum gehen, solche Rentenkürzungen durch die Hintertür für alle zu verhindern.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Voll getroffen, einziges Ziel ist es die Sozialbeiträge der Arbeitgeber niedrig zu halten

      • @Thomas Kreß:

        Es gibt noch ein Zusatzziel.

        Unbedingt verhindern, dass alle entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit einzahlen.

  • Das Gendern funktioniert nicht. Bot:innen = keine Boten.



    Sortierer:innen = keine Sortierern.

    Warum nicht Boten:innen oder Sortierern:innen, wenn von Sortierern mwd geschrieben wird?



    Warum wird bei der taz nach eigener Logik der Mann unsichtbar gemacht?

    • @WeGu:

      Na ja, dann wissen Sie ja jetzt wie sich Mädchen, Frauen und Non Binary Personen beim 'generischen' Maskulinum immer fühlen.

      • @Tuff:

        Nein Tuff, tun sie nicht. Die Meisten davon sind intelligent genug um das generische Maskulinum zu verstehen.



        Und warum setzt du generisch in Apostrophe?

      • @Tuff:

        Nur ein sehr kleiner Teil der Mädchen und Frauen. Die Meisten haben genug Selbstbewusstsein.

  • So isser, der Kapitalismus, wenn man nicht mehr weiter weiss, macht man mit den Sklaven wieder einen Scheiss.



    Nicht neu, Rentenkürzung.



    Geh bis zum umfallen malochen, oder wir sanktionieren dich.



    Dabei ist die Kapitalfraktion sehr erfinderisch, jedes Jahr darf ein Anderer denselben Spruch aufsagen.



    Ich bleibe dabei, N. Blüm hatte recht, die Rente ist sicher.



    Wenn eingezahlt wird. Von gerechten Löhnen.



    Und jetzt kommts dicke. Viele junge Menschen haben keinen Bock mehr, mit einem vergleichsweisen Taschengeld ihre Tage in Pflegeheimen, Krankenhäusern, auf Baustellen und in Fabriken zu verbringen.



    Fachkräftemangel nennt sich das.



    Ich habe fünfzig Jahre gearbeitet. Bei einem Arbeitgeber.



    Gibts heute nicht mehr, gut so.



    Wenn gerechte Löhne gezahlt werden, löst sich die Frage nach der Rente von selbst, es wird mehr eingezahlt.



    Und wenn Kapital und Politik auch in Deutschland dazu lernen würden, wie in Österreich, sehe ich weniger Probleme.



    Ne, wollen sie nicht, siehe oben.

  • 6G
    659975 (Profil gelöscht)

    Solche Vorschläge kommen von Leuten, die größtenteils nie körperlich in ihrem Leben gearbeitet haben. Sie haben keine Ahnung. Das ist das Problem in Deutschland mit PolitikerInnen:



    Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal.



    Nie richtig gearbeitet, schon gar nicht körperlich.



    Außerdem: Warum wird immer nur über die Renten geredet?



    Warum wird erwähnt das der Bund und die Länder Pensionslasten in Milliardenhöhe vor sich her schieben?



    Eine Einheitsrente für alle. Auch Beamte! Und Frühpension abschaffen. Warum schicken Bahn und Telekom bis heute die Mitarbeiter, die aus "alten Zeiten" ihren Beamtenstatus noch haben mit 55 in Frühpension? Der Staat übernimmt die Pension, das Unternehmen ist einen teuren Mitarbeiter los. Mit 55 kann der Beamte auch noch zur Not den Parkplatz fegen, aber er muss nicht in Frühpension.



    Alle graue Theorie, vorbei an der Realität. Wir brauchen PolitikerInnen mit Lebens- und Arbeitserfahrung.

  • Alles Makulatur, heiße Luft, und ungelegte Eier.

    Die Rentenpolitik der Zulunft wird von einem Faktor mehr bestimmt werden als von allen anderen:

    Covid.

    Für Deutschland kann man beim gegenwärtigen Stand von allemal 1-2 Millionen Frühverrentungsfällen ausgehen.



    Andererseits wird die Lebenserwartung einen deutlichen Dämpfer bekommen. Die Ära des massenhaften Sterbens mit ü90 - ein in Aufwärmphase, volle Erwerbstätigkeit, und Rentenjahre gedritteltes Leben - geht jedenfalls bereits jetzt schon absehbar dem Ende entgegen, und wer leichtsinnig und mutwillig seine "Freiheit" und das "Ende" der Pandemie abfeiert, unmaskiert und ungeimpft, und sich wieder und wieder infiziert (die ersten sind schon beim 6. Mal), kann auch durchaus bereits mit Ende 40, körperlich und geistig so ruiniert wie ein unfitter End80er, nach Walhalla auffahren (oder wo auch immer Schwurbler nach dem Tod hinkommen).

    Welcher der beiden Einflüsse des Virus stärker ist, wird abzuwarten sein; in 2-3 Jahren können wir uns mal die Veränderung der Sterbetabellen und der Nachfrage nach Herz/Lungen-Reha, Diabetesversorgung, und psychosozialer Long-Covid-Palliativtherapie anschauen. Dann werden wir entscheidend mehr wissen.



    Bis dahin brauchen wir gar nicht zu versuchen, an der Rentenpolitik in größerem Ausmaß zu drehen. Egal was man da jetzt macht, es wird ja eh alsbald an der kardiovaskulären Realität scheitern.

    (Vergleich: die russische Rentenreform der frühen postsowjetischen Jahre wurde von der Volksseuche Verelendungsdepression bzw der darsus resultierenden Totsauferei direkt obsolet gemacht, da die Lebenserwarung der Männer in überraschend kurzer Zeit um 1/3 einbrach, d.h. da starben xtausende mit Ende 30, Anfang 40 mitten aus dem Erwerbsleben heraus einfach weg. Bei der Kapitalismusanpassung des Rentensystems war hingegen davon ausgegangen worden, dass die Lebenserwartung bis Ende des Jahrhunderts um 10-15% steigen würde, d.h. immer mehr Leute mindestens 20 Jahre in Rente sein würden.)

    • @Ajuga:

      "... und sich wieder und wieder infiziert (die ersten sind schon beim 6. Mal), kann auch durchaus bereits mit Ende 40, körperlich und geistig so ruiniert ..."



      Ist das echt so? Das lese ich hier zum ersten Mal. Haben Sie dafür Belege? Nicht, dass ich das anzweifele, aber das ist doch sehr spannend.

    • @Ajuga:

      AJUGA trifft ins Schwarze:



      Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist wie dargelegt die kardiovaskuläre Realität längst einbezogen in die Jonglage der immergleichen Charaktermasken!

  • Die ursprüngliche Idee der Rentenfinanzierung wurde mehrfach demografisch torpediert, speziell durch Kriegs-bedingte Verwerfungen. Später kamen im 20. Jahrhundert zusätzliche Finanz-Bedarfe. Die Futurologie hat mit KI und Robotik für die Entwicklung der Technisierung und Automatisierung der Arbeit noch spannende Variablen im Instrumentenkasten. Wenn Pflegende "80 Prozent gehen", wie sie das nennen, haben sie mit Überstunden und Extraschichten immer mehr als 40 Stunden, solange Fachkräfte-Mangel vorherrscht. Dass gute Arbeit mit hoher Effizienz in 6 Stunden möglich ist, das kann im Schicht-Modell aber nicht überall berücksichtigt werden. Erwerbsarbeit und Eigenarbeit bleiben oft noch janusköpfig. Manche Mitarbeitende unterdrücken die Verbindung zur Arbeit per Telefon in ihrer Freizeit. Anderswo kappt die Firma die Möglichkeit, berufliche Strompost im Urlaub zu bearbeiten. Wer die steigende Lebenserwartung bei der Planung übersieht, handelt nicht im Sinne der Generationengerechtigkeit. Flexible Konzepte müssen her, beim beruflichen Wiedereingliederungsmanagement geht das auch. Letzteres mussten und konnten viele Arbeitgebende wegen Long Covid bereits erfolgreich umsetzen.

    • @Martin Rees:

      es lohnt sich einmal das österreichische Rentenmodell anzusehen. Österreich bekommt bei ähnlicher Ausgangslage wie D ein wesentlich höheres Rentenniveau hin, weil es konsequent umlagefinanziert wird.



      Wir hier in D jammern über die Demografie und sitzen damit einer Nebelkerze auf, die verdeckt, dass wer kann und wer Geld verdient sich in D einfach aus der Rentenfinanzierung ausklinken kann, sprich die unteren Einkommen müssen sich selbst finanzieren. Dass das bei sinkendem Realeinkommen in diesen Schichten, wie in den Merkeljahren geschehen nicht funktionieren kann bedarf keiner großen Denkleistung.



      Der Trick in D besteht darin, das die Versicherungswirtschaft Hand in Hand mit anderen Lobbyverbänden, das staatliche System krankrechnen und sinkende Renten auf die Demografie schieben. Das nur ein kleiner Teil der Menschen in D in die Kasse einzahlt und schon gar nicht die großen Einkommen wird nirgends thematisiert, schon gar nicht von links (oder die die sich für links halten)

      • @nutzer:

        Und warum ist das so, dass die Linken das nicht einmal offenlegen? Auch in Medien ist das Thema tabu.

        • @resto:

          tja. Diese Frage stelle ich mir immer wieder.



          Einige Ökonomen tun das, aber Medienecho findet es kaum....

  • Renteneintrittsalter erhöhen ist ganz eindeutig ein Renten-Abbau-Programm.

    "Mehr als die Hälfte (55 Prozent) geht davon aus, dass sie ihren derzeitigen Beruf nicht bis 67 ausüben kann. Das hat eine repräsentative Umfrage des Berliner Kantar-Instituts im Auftrag der IG Metall gezeigt. Ein noch höheres Rentenalter würde für die meisten Menschen nur eines bedeuten: Hohe Abschläge und eine entsprechend geringe Rente."



    www.igmetall.de/po...e-sprechen-dagegen

    Das gilt besonders für:

    "Fast unerreichbar ist die 67 Jahre-Altersgrenze für Arbeiterinnen und Arbeiter. 90 Prozent von ihnen halten es laut Kantar-Umfrage für unrealistisch, dass sie ihre Tätigkeit unter den aktuellen Arbeitsbedingungen bis 67 ausüben können." (ebd.)

  • In der Vergangenheit konnten Menschen in Frührente gehen.



    Damit wurde die Volkswirtschaft um eine Generation Berufserfahrung betrogen.



    Insofern empfinde ich diese Neubewertung von "altem Eisen", als positiv.



    Der effiziente Einsatz der Arbeitskräfte bedingt natürlich auch, dass die Erfahrenen mehr leitende als



    " tragende" Funktionen übernehmen.



    Automatisierung schafft ebenfalls in mehrfacher Hinsicht Abhilfe .



    Trotz der erfreulichen Zuwanderung sind die Sozialsysteme bei der demografischen Entwicklung nur schwer aufrecht zu erhalten.



    Wer hier nach staatlicher Unterstützung schreit, sollte sich gelegentlich die aktuelle Staatsverschuldung anschauen und grundsätzlich klären, ob das Geld



    " einfach aus der Wand" kommt.



    Was die Pflege betrifft, so behält der Satz:



    ohne Zivis ist Deutschland am Ende!



    seine Gültigkeit.



    Schon interessant, was ein abgehalfterer Dr.



    einem Staat für langfristige Schäden zufügen kann.

    • @Philippo1000:

      "Ohne Zivis ist Deutschland am Ende". Bei solchen Sätzen freut sich der antideutsche Linke in mir, während ich als Heilerziehungspfleger da nur den Kopf schütteln kann.

      Ein Sozialsystem, das nur dadurch funktioniert, dass ungelernte junge Menschen in Massen auf Pflege- und Betreuungsbedürftige losgelassen werden, ist keins.

      Was wir an der Stelle brauchen, ist wohl eher eine Debatte darüber, wie viel und welche Arbeit wir uns überhaupt noch leisten können. Gerade in Zeiten der Klimakrise ist das etwas, was ich vermisse.

      • @Piratenpunk:

        Kenne ich … als Fachkraft denke ich mir, dass ich genau so gut den Hut nehmen kann, wenn es mit den vielen ungelernten jungen Leuten angeblich auch funktioniert. Wie das die Pflege- und Betreuungsbedürftigen sehen, steht wieder auf einem anderen Blatt … die werden erst gar nicht gefragt, wer da auf sie „losgelassen“ wird.

      • @Piratenpunk:

        In der Ausbildung werden ebenfalls " ungelernte junge Menschen" auf Pflege- und Beteungswürdige losgelassen.



        Es werden auch Medizinstudenten auf die Menschen losgelassen.



        Einen Beruf zu erlernen beginnt nicht mit Berufserfahrung.



        Die Zivis wurden angelernt und fortgebildet, so wie das auch in anderen Ausbildungen üblich ist.



        Für Viele war der Zivildienst Orientierung und nicht wenige haben in dem Bereich ihren Beruf gefunden.



        Ich denke, dass ist ein besserer Weg, als zu versuchen, Fachkäfte im Ausland abzuwerben, denn dort werden sie sicher auch gebraucht.



        Es hat sich ja gezeigt, dass nicht mehr Geld den Pflegenotstand löst, sondern mehr Zeit.



        Zivildienst könnte diese Lücke wieder schließen.

      • @Piratenpunk:

        Natürlich nur das was Werte erschafft, also Nullen auf dem Konto oder? ;)



        Werte wie Fürsorge, Hilfe, kann man ja nicht quantifizieren, bringen fast keine 0 aufs Konto etc. ;) Außer wenn Reiche zur Pflege und ins Altersheim kommen. Die Maschine funktioniert ja auch schon ganz gut.

        *kannSpurenvonSarkasmusenthalten*

  • vielleicht sollte die Rente mal EU weit angeglichen werden. Man könnte sich doch auf 60 einigen. Muss eben woanders kein Geld verpulvert werden und der Staat schlanker werden

    • @Maik Voss:

      Danke. Der Quatsch vom schlanken Staat sorgt in D dafür, dass kaum noch etwas vernünftig funktioniert. Das in D ein Bauvorhaben ewig dauern, liegt z.B. auch an massiv unterbesetzten Bauämtern.

  • Als ob sich die Arbeitnehmer in Luft aufgelöst hätten. Politische und Wirtschaftliche Fehlentwicklungen sollen auf Kosten der Arbeitnehmer ausgebügelt werden. Als ob wir deren Lakaien währen. Bei der nächsten Kriese fliegen viele wieder raus und haben Einbußen bei der Rente. Der Rest kann malochen bis die Gesundheit nicht mehr mitmacht. Gleichzeitig wächst die Zahl der Millionäre und Milliardäre immer weiter und wir werden immer unfreier. Für was?

  • Aber woran machen sich die Verschleißjobs fest? Natürlich werden Pflasterleger*innen oder dauergestresste Paketbot*innen nur eher selten bis 70 und darüber hinaus durchhalten, allerdings sieht das in privilegierten Berufen wie Klinikärzt*innen, Werber*innen oder Leuten im Management oder Consulting (gerade das 'Up or Out' hält ja auch keiner bis zur Rente durch) kaum besser aus. Wo also sind die Jobs die bei wenig Zeiteinsatz und Belastung gut bezahlt werden? Und welchen Berufen kann man die Arbeit bis 70 bedenkenlos pauschal verordnen?

    • @Ingo Bernable:

      Sie wollen doch hier nicht wirklich normale Arbeitszeiten mit starker Belastung, mit übertrieben Arbeitszeiten und massiven Arbeitsauslastung vergleichen?



      Letzteres kann man lösen in dem man Gewinnmaximierung einfach mal runterschraubt und die Menschen normal arbeiten läßt. Bei ersterem wurde auch unter diesem Szenario die starke ArbeitsBElastung ja bleiben!

      • @Daniel Drogan:

        Warum sollte man das nicht vergleichen?



        Und klar könnte man die Arbeitszeiten dieser Berufsgruppen sicher auf regulatorischem Weg auf ein 'normales' Maß zurechtstutzen, würde dann aber eben auch dazu führen, dass zB nicht mehr jede notwendige Operation durchgeführt werden könnte. Und was die gesamtwirtschaftlichen Folgen wären, wenn man Managementetagen zur 37,4h-Woche verdonnert ist eben auch eher fraglich.

        • @Ingo Bernable:

          Mehr Personal einstellen und fertig. Was im Managementbereich und in der Chirurgie teilweise an Stunden abgerissen wird ist krank.

    • @Ingo Bernable:

      Bei uns hieß es immer: "Chirurgie säuft".

      Das ist nicht unmittelbar berufsbedingt, sondern nur mittelbar (es fängt an mit dem Beruhigungsschluck nach Feierabend, um nach der Konzentration und Frickelarbeit im OP abschalten zu können), aber es führt eben auch in so einem Beruf, an den man nicht als erstes denkt, zu einem Ausbrennen vor Erreichen des Rentenalters.

      • @Ajuga:

        Meine Erfahrung ist eine andere, es sind die Augen und der Tremor, die im Alter das Operieren beeinträchtigen, da hilft auch Ruhnke nicht.

  • Ich kann mich für diesen Bericht nur bedanken, weil er auf einen so wichtigen Aspekt aufmerksam macht, der in der Diskussion über das Renteneinstrittsalter immer wieder übersieht; letzteres mag ein Indikator dafür sein, dass die politische Klasse in Deutschland zwar in vielerlei Hinsicht diverser wird, sich aber immer mehr aus einem sozial recht homogenen Akademiker-Milieu rekrutiert - natürlich ist Rente mit 70 o.ä. nicht erschreckend, wenn man einen Bürojob hat (den man vielleicht sogar als Hobby betrachtet); Menschen, der einer körperlich anstrengenden Arbeit nachgehen (das sind mehr als man denkt!) sind in der Politik kaum noch vertreten.

    • @O.F.:

      Das fette 20. Jahrhundert ist vorbei.

      "Akademiker-Millieu" heißt heutzutage eher etwas wie: Fristverträge bis Ende 30 oder gar noch länger, miese Bezahlung bei permanentem Leistungsdruck ("publish or perish" für die, die an den Hochschulen bleiben; ständiges Fördermitteljagen für alle), und oft genug der erste Burnout bevor man überhaupt fertigpromoviert hat, und Abbau der staatlichen Förderung sowohl in Ausbildung als auch im Beruf.

      Haben Sie eigentlich eine Ahnung, wieviele Studierende sich heutzutage prostituieren, um nicht am Studienende mit zehntausenden Euro Schulden dazustehen?

      Körperlichen Verschleiß kann man heutzutage weit besser therapieren als psychisches Ausbrennen. Wer die Bandscheiben im Sack hat, kann natürlich nicht mehr arbeiten, aber immerhin noch ein würdiges Leben genießen.

      Das klassische Proletariat heult gerne herum, aber insgesamt ist es doch in weiten Teilen (abgesehen von den "typisch weiblichen/migrantischen" Berufen wie Reinigungskraft, Pflege, usw) gehobene Mittelschicht, und überraschend oft sogar (wenig, aber immerhin) über dem Bundesdurchschnittseinkommen. Denn damit Fordismus und Digitalisierung nicht zu einer Art weltweiten Weberaufstand führte, gestand das Kapital ab Mitte des 20. Jahrhunderts zähneknirschend dem nicht wegrationalisierbaren Sekundärsektor-Proletariat einen enormen sozialen Aufstieg zu: aus dem arbeitskämpfenden roten Verdammten dieser Erde in Krupps Walzwerk wurde der BILD lesende, AfD wählende, Roboter beaufsichtigende Facharbeiter (gerne mit FH-Diplom - das ihn komischerwiese für den Antiintellektuellen nie zum "Akademiker" macht) oder das "kleine Handwerkerle" mit 7stelligen Jahresumsatz, die beim Pflegestreik oder Klimaprotest in ihrem "wohlverdienten" Secondhand-3er-BMW auf Standgas im Stau stehen und "diese schmarotzenden, linksgrünversifften Leistungsverweigerer" am liebsten ins Lager stecken würden.

      (Es sind nicht alle so - aber wer mit Klischees ankommt, dem ist mit Klischees zu antworten.)

      • @Ajuga:

        Ich finde es erschreckend, mit welcher Verachtung sie auf körperlich arbeitende Menschen blicken - aber eigentlich bin ich auch dankbar dafür, weil sie damit eben meinen Punkt unterstreichen. Mit "Antiintellektualismus" hat der übrigens gar nichts zu tun; ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass Politik zur partiellen Blindheit neigt, wenn sich ihre Repräsentanten aus einem allzu homogenen Milieu rekrutieren.