Hitze und Vorsorge: Der Ventilator allein schafft es nicht
Tipps, wie man die Hitze besser aushält – schön und gut. Für dauerhafte Linderung sind jedoch grundsätzliche Veränderungen in den Städten notwendig.
V or allem morgens und nachts ordentlich lüften, tagsüber, so vorhanden, Rollläden runter oder zumindest Vorhänge zuziehen. Trotzdem auf Frischluft achten, genügend trinken und leicht essen, ein Auge auf betagte Menschen und sehr kleine Kinder haben, denn beiden Gruppen setzt die Hitze besonders zu. Die Ratschläge finden sich überall, wenn sich heiße Tage ankündigen. Behörden geben sie, Medien, Social-Media-Nutzer:innnen.
Es sind diese Tage, an denen in den Haushaltswarenabteilungen der Elektronikhändler die Ventilatoren knapp werden. An denen zum See oder ins Schwimmbad fährt, wer die Möglichkeit dazu hat. Die Tage, an denen man, wenn es schlimm kommt, später in der Statistik sieht, dass es heiß war. Nicht nur anhand der Temperaturkurve, sondern auch daran, dass die Übersterblichkeit darauf hinweist, dass mehr Menschen als sonst in diesem Zeitraum gestorben sind und dass Wissenschaftler:innen einen Zusammenhang sehen zur Hitze.
Was auffällt: Es gibt reihenweise Ratschläge an Bürger und Verbraucher:innen. Sie scheinen primär in der Verantwortung zu stehen, wenn es um Schutz vor Hitze geht. Dabei sollten wir doch in der Debatte längst weiter sein: So wichtig es auch ist, dass jede:r Einzelne etwas tut, wenn es ums Abbremsen von oder die Anpassung an die Klimakrise geht; um fundamental etwas zu ändern, braucht es mehr. Denn der Ventilator sorgt nur punktuell für Linderung, nicht dauerhaft.
Das passiert erst, wenn es einen echten Wandel gibt: grüne Fassaden, entsiegelte Böden, überhaupt mehr Grün und weniger Grau und Blech in den Städten, Frischluftschneisen, Kaltluftentstehungsgebiete und öffentlich nutzbare Möglichkeiten zur Abkühlung, von Flüssen bis zu Wassernebeln. Denn es sind gerade die Städte, diese Ansammlungen von Beton, in denen die Temperaturen an Hitzetagen bis ins Unerträgliche steigen.
Inzwischen zählt auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble zu den Unterstützern für ein Polendenkmal in Berlin. Am 1. September werden der CDU-Politiker und die polnische Sejmmarschallin Elżbieta Witek am Askanischen Platz einen Kranz niederlegen. Mit dabei wird auch Zbigniew A. Kruszewski sein, einer der Teilnehmer des Warschauer Aufstandes von 1944. Der vierte Redner ist Dieter Bingen, der Direktor des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt. Der Askanische Platz ist der Ort, an dem das Denkmal entstehen soll.
Bingens Institut ist auch eine Art Schirmherr für die Denkmals-Initiative, die Florian Mausbach, der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, im November 2017 ins Leben gerufen hat. Neben den 129 Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern, zu denen auch der Autor dieser Zeilen gehört, kommen inzwischen auch 240 Bundestagsabgeordnete aus allen Parteien mit Ausnahme der AfD hinzu. Damit ist wohl klar: Das Denkmal wird kommen.
Unumstritten ist es allerdings nicht. Schon zu Beginn der Initiative warnte Markus Meckel, lange Zeit Präsident des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge, vor einer Einteilung der NS-Opfer nach Nationalitäten. Der ehemalige Direktor des deutsch-russischen Museums, Peter Jahn, monierte: „Mit dem Gedenken an der Ostgrenze Polens aufzuhören, ist nicht angebracht. Die Vernichtungslogik der Nazis hielt sich nicht an diese Grenzen.“ Jahn plädiert deshalb für einen „Gedenkort für die Opfer der NS-Lebensraumpolitik“. Zuletzt kritisierte taz-Polenkorrespondentin Gabriele Lesser das Denkmal als „Entjudaisierung der Schoa“.
Demgegenüber betonen die Befürworter des Denkmals, dass Polen das erste Land war, in dem die deutsche Besatzung auch gegen die Zivilbevölkerung vorging. „Von den ersten Tagen an war die deutsche Besatzungspolitik in Polen von massenhaftem Terror begleitet“, schreibt Bingen in der Jüdischen Allgemeinen. „Das Ziel war die Versklavung und Dezimierung der polnischen Zivilbevölkerung insgesamt, die gezielte Ermordung der polnischen Eliten und im Besonderen die systematische und vollständige Ermordung der Juden Polens.“
Darüber hinaus, so Dieter Bingen, würde ein „Lebensraum-Denkmal“ eine „Opfergemeinschaft symbolisieren, die es nie gab, und ungewollt ein historisches deutsches Stereotyp des slawischen Ostens bedienen“.
Positiv über die Initiative hat sich auch die nationalkonservative Regierung in Warschau geäußert. (wera)
Klimaschutz lohnt sich
Aber nicht nur dort sind planerische Veränderungen nötig: Krankenhäuser, Schulen oder Pflegeeinrichtungen in alten oder schlecht vor Hitze geschützten Gebäuden stehen schon jetzt im Sommer vor Problemen – und vor riesigen Investitionslücken. Wo waren noch mal die Leute, die meinten, wir könnten uns Klimaschutz nicht leisten, da viel zu teuer? Zu wenig Klimaschutz wird nicht billiger.
Klar, in Deutschland ist die Zahl der heißen Tage, an denen die Temperatur 30 Grad überschreitet, verglichen mit Südfrankreich oder Spanien noch niedrig. Doch auch hier steigt sie. Bislang werkeln Städte und Gemeinden weitgehend allein vor sich hin. Einige tun nichts, manche tun etwas, wenige viel. Dabei wäre es so wichtig, dass sich nicht erst dann etwas ändert, wenn Sommertemperaturen über 40 Grad zur Regel werden. Überlebenswichtig.
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