Hilfe für Kriegsopfer: Düsseldorf will Kinder aus Gaza und Israel aufnehmen
Lange hielt sich die Stadtspitze beim Thema Nahost-Hilfe zurück – nun will Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) traumatisierten Kindern Schutz bieten.

Bislang ist Düsseldorfs Oberbürgermeister nicht sonderlich mit sozialer und weltoffener Politik aufgefallen. Aber in Nordrhein-Westfalens Landeshauptstadt soll sich das nun ändern. Stephan Keller (CDU) erklärte am Wochenende, er wolle schutzbedürftige und traumatisierte Kinder aus dem Gazastreifen und Israel aufnehmen.
Damit schließt sich die Stadt der Ankündigung von Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) an, bis zu 20 Kinder aus Gaza aufnehmen zu wollen. „Diese starke und zutiefst menschliche Geste wollen wir auch in Düsseldorf aufgreifen“ sagte der 54 Jahre alte Keller im WDR-Interview. Wie Hannovers Stadtspitze blicke auch Düsseldorf mit großer Sorge auf die Situation im Gazastreifen. Die Bilder von verletzten und traumatisierten Kindern – ob in Israel oder in Gaza – seien schwer erträglich.
Ungeklärt bleiben bislang der Aufnahme-Zeitpunkt sowie „Logistik und Formalitäten“. „In der kommenden Woche wollen wir die Chancen der Realisierung unseres Vorhabens eruieren“, heißt es dazu in der gemeinsamen Erklärung Kellers mit Bürgermeisterin Clara Gerlach und Oberbürgermeisterkandidat Fabian Zachel. Die Düsseldorfer Initiative – erste Gespräche mit der Jüdischen Gemeinde und dem Kreis der Düsseldorfer Muslime seien bereits geführt worden – ziele auf eine „breite Unterstützung innerhalb der Stadtgesellschaft“.
In sozialen Netzwerken sorgte die Ankündigung für reichlich Kritik: Von einem Tropfen auf den heißen Stein war dort etwa die Rede, sowie von einer willkürlichen Auswahl israelischer und palästinensischer Familien. „Die Ankündigung von Oberbürgermeister Stephan Keller, 20 Kinder aus Israel und Palästina aufnehmen zu wollen, ist aus unserer Sicht vor allem eines: ein durchschaubares Wahlkampfmanöver“, heißt es dazu auf taz-Anfrage von den Düsseldorfer Linken.
Initiative als Trendwende
Der gebürtige Aachener Stephan Keller, der in Birmingham, Bayreuth und Bochum zum Juristen ausgebildet worden ist, bevor er in die Kommunalverwaltung und -politik wechselte, befindet sich gerade mitten im Wahlkampf. In Nordrhein-Westfalen sind in knapp einem Monat Kommunalwahlen – und Keller will in Düsseldorf Oberbürgermeister bleiben.
Die Initiative als Trendwende zu bezeichnen, liegt nahe. Noch am 10. Juli hatte die Verwaltung auf eine Anfrage der Linken nach konkreten Hilfen für die Menschen in Gaza geantwortet, dass „die Landeshauptstadt Düsseldorf weder kommunale Möglichkeiten noch Zuständigkeiten habe, Städte zu unterstützen, zu denen weder Partnerschaften noch offizielle Kontakte bestehen.“
„Es ist bezeichnend, dass OB Keller erst jetzt, da die gesellschaftliche Meinung beginnt zu kippen, Humanität für sich entdeckt“, kritisiert die Linke. Keller ließe dem zuletzt angenommenen Antrag im Rat der Stadt Düsseldorf „Hilfe für Kriegsopfer in Israel und Palästina“ vom 27. Juni bis jetzt keine Taten folgen.
Bedenken sind auch aus der Stadtgesellschaft zu hören, etwa vom Friedensdorf, einer Hilfseinrichtung, die bereits viel Erfahrungen auf dem Gebiet gesammelt hat. Für die Helfenden bleiben eine Menge Fragen offen: Welche Kinder überhaupt kommen sollen, wer die Verantwortung für sie übernimmt, wer vor Ort koordiniert, ob Begleitpersonen mitkommen dürfen, ob die Zustimmung der Hamas und Israels notwendig sei. Keller wird Antworten finden müssen.
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