Habecks Kehrtwende: Gasumlage zurück auf Start
Sogar der Koalitionspartner SPD meckert über Minister Habeck und seinen Plan. Die Bundesregierung möchte sich alles „nochmal genau angucken“.
Nun sollen nur solche Firmen Unterstützung bekommen, die sie auch benötigen. „Trittbrettfahrer“ wolle er aussortieren, sagte Habeck am Freitag. Auf diese entfallen bislang knapp 10 Prozent der Umlagegelder in Höhe von 34 Milliarden Euro. Die Umlage soll ab Oktober gut 2,4 Cent pro Kilowattstunde für Endverbraucher betragen. Für einen vierköpfigen Durchschnittshaushalt sind das etwa 480 Euro plus Mehrwertsteuer im Jahr.
Dass einige Versorger wie die österreichische OMV in ihren Bilanzen Gewinne ausweisen, hatte für Kritik gesorgt. „Bei der Auszahlung muss klar sein: Ist es notwendig? Braucht das Unternehmen diese Unterstützung, um weiterhin auch die Versorgung sicherzustellen?“, sagte SPD-Co-Chefin Saskia Esken.
Eine rechtssichere Abgrenzung ist nicht trivial. Man stelle sich eine Konzerntochter vor, die ins Minus geraten ist, während zugleich der Mutterkonzern gut dasteht, weil eine andere Konzerntochter durch hohe Gaspreise gut verdient. Es habe bislang – trotz „einer Legion von Juristen“, mit denen er im Austausch gewesen sei – niemand gewusst, wie sehr der Gasmarkt verflochten ist, begründete Habeck das bisherige Konzept.
Tricksen ist auch nicht gut
Gleichwohl: Die Bundesregierung werde sich alles „jetzt noch mal genau angucken“. Moralisch sei es nicht richtig, dass Unternehmen, die „ein Schweinegeld verdient haben“, von den Gaskunden gestützt werden. Allerdings: Wenn man anfange zu tricksen und ein Konzept entwickle, das klageanfällig ist, werde „garantiert geklagt werden“, so Habeck.
Juristen prüfen ohnehin längst, ob die Umlage verfassungswidrig ist. Die Wirtschaftskanzlei Raue in Berlin hat bereits verfassungs- und europarechtliche Bedenken zusammengefasst. Gegen Europarecht könnte die Umlage als nicht genehmigte Beihilfe verstoßen. An welchen Stellschrauben Habeck nun drehen wird, um ein Modell zu entwickeln, das einerseits rechtssicher ist, andererseits dem gesellschaftlichen Gerechtigkeitsempfinden genügt, ist bislang unklar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen