Grüne Jugend zum Sondervermögen: Weniger Ärger mit den jungen Leuten
Die Grüne Jugend protestierte gegen das Bundeswehr-Sondervermögen – doch junge Abgeordnete sagten ja. Wie viel Einfluss hat der Nachwuchs noch?
Die aktuelle Grünen-Fraktion ist so jung wie noch nie. Die Grüne Jugend spricht von 27 Abgeordneten, die Mitglied des Verbands sind oder das Höchstalter von 28 Jahren noch nicht lange überschritten haben. „Richtig viel jung-grüne Power für einen echten Wandel“, jubelte der Verband nach der Bundestagswahl.
Bei der Abstimmung zur Grundgesetzänderung für das Sondervermögen stellte sich aus den Reihen der 27 aber niemand quer. Einige wenige Abgeordnete der Grünen Jugend fehlten, der Rest stimmte mit „Ja“. Die fünf Nein-Stimmen aus der Fraktion kamen von älteren Abgeordneten. Und das, obwohl die Grüne Jugend das Sondervermögen eigentlich ablehnte. Die Kritik ihrer Doppelspitze an den Milliarden war im gesamten Grünen-Kosmos die am deutlichsten vernehmbare. Das dürfte sowohl an der guten Öffentlichkeitsarbeit von Heinrich und ihrem Sprecherkollegen Timon Dzienus als auch an der relativen Zurückhaltung in den restlichen Teilen der Partei gelegen haben.
Grenzenlose Begeisterung gab es zwar auch in der Fraktion nicht. Mit der Idee des Sondervermögens hatte Kanzler Olaf Scholz die Grünen im Februar im Bundestag überrumpelt, und grüne Änderungswünsche – zum Beispiel die Verwendung des Geldes auch für Sicherheitsaufgaben jenseits der Bundeswehr – flogen in den Verhandlungen in letzter Minute wieder raus.
„Eine bittere Pille“
Dass sie dennoch zugestimmt haben, begründen viele der jungen Abgeordneten mit einer harten Abwägung. „Es war natürlich eine bittere Pille, dass die Union dafür gesorgt hat, dass zum Beispiel Cybersicherheit nicht berücksichtigt wird. Die Gründe dafür haben für mich trotzdem überwogen“, sagt Max Lucks, selbst ehemaliger Bundessprecher der Grünen Jugend. Ausschlaggebend seien für ihn unter anderem die Sicherheitsinteressen von Osteuropäern und Skandinaviern gewesen, mit denen er als Außenpolitiker regelmäßig zu tun hat.
Was niemand der Abgeordneten aufführt, aber bei umstrittenen Abstimmungen natürlich auch oft eine Rolle spielt: die Loyalität gegenüber den verantwortlichen Parteigrößen (in diesem Fall Annalena Baerbock, die die finalen Verhandlungen führte) sowie der Fraktionszwang und die Sorge, sich mit einer Nein-Stimme die Arbeit an anderer Stelle schwer zu machen. Wer im Bundestag sitzt, auf den wirken plötzlich sehr viele Zwänge.
Zumindest etwas anders ist die Situation bei den Jusos, die in der SPD-Fraktion stark vertreten sind. Die meisten von ihnen stimmten zwar auch für das Sondervermögen, es gab aber zumindest einige Nein-Stimmen – unter anderem von Juso-Chefin Jessica Rosenthal, die anders als Heinrich und Dzienus selbst im Bundestag sitzt. Bei der Grünen Jugend schließt schon die Satzung ein Mandat aus, was deren Spitze aber auch weiterhin richtig findet: So sei die „Beinfreiheit“ größer.
Grenzen und Hoffnung
Wie viel Einfluss bleibt dem Jugendverband so aber? „Diese Abstimmung hat auch mir die Grenzen der parlamentarischen Arbeit aufgezeigt“, sagt Heinrich. „Zu hoffen, dass sich alles ändert, weil 27 Abgeordnete aus der Grünen Jugend im Bundestag sitzen, überschätzt den Handlungsspielraum von Einzelpersonen. Umso wichtiger ist es, den Druck von unten zu organisieren. Das ist langwieriger, aber nachhaltiger.“
Trotzdem könne die Grüne Jugend etwas bewirken. Das habe sich auf dem Kleinen Parteitag im April gezeigt, auf dem ein Antrag des Verbands gegen das Sondervermögen nur knapp scheiterte. „Das Thema ist ja auch nicht erledigt, viele Konflikte tun sich jetzt erst auf. Wie verhindern wir eine globale Aufrüstungsspirale? Wie verhindern wir massive soziale Verschlechterungen im Herbst und Winter?“, sagt Heinrich. Zeit, den Kopf hängen zu lassen, habe man nicht.
Und auf Unterstützung im Bundestag kann sie für die Zukunft zumindest wieder hoffen. Einen Bruch zwischen Grüner Jugend und den jungen Abgeordneten gebe es nicht, beteuert der Parlamentarier Lucks. „Wir sind uns einig, dass wir in den kommenden Verteilungsfragen zusammenarbeiten werden“, sagt er.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit