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Gewalt an der Sharif-UniversitätSchaut hin!

Gilda Sahebi
Kommentar von Gilda Sahebi

Medien und Politik im Westen begreifen nur schwer, was in Iran geschieht. Es wird Zeit, die koloniale Brille abzusetzen und angemessen zu berichten.

Exil-Iraner*innen in aller Welt kämpfen um Aufmerksamkeit für die Massenproteste in Iran Foto: Hassan Ammar/ap

W ährend die Studierenden der Elite-Universität Sharif in Teheran in der Nacht auf Montag – eingeschlossen und bedroht von Sicherheitskräften und den berüchtigten Basidsch-Milizen – um ihr Leben fürchten, treffen sich rund achttausend Exil-Iraner*innen aus der ganzen Welt in einem Twitter-Space. Sie fühlen sich hilflos, sie haben Angst, und die Trauer um die Geschehnisse rund um die Sharif-Universität ist sogar im digitalen Raum spürbar. Die Frage: Wie können wir den Studierenden in Iran helfen?

Das wichtigste Anliegen der Exil-Iraner*innen: Aufmerksamkeit erzeugen. Ausländische Po­li­ti­ke­r*in­nen und Medien darauf aufmerksam machen, dass in Teheran ein Massaker an jungen Menschen droht. In der Hoffnung, dass das Regime weniger brutal zuschlagen würde, wenn es sich beobachtet fühlt. Aufmerksamkeit als Verteidigung. Denn obwohl schon seit Stunden Videos in die Außenwelt dringen, wird in ausländischen Medien kaum darüber berichtet.

Also werden Tweets verbreitet, Videos geteilt, auf denen zu sehen ist, wie Sicherheitsbeamte auf Protestierende einprügeln, wahllos in Autos schießen, auf denen Straßen voller Menschen zu sehen waren, und Eltern, die zur Universität stürmen, um ihre Kinder zu retten. Die Szenen, die sich an der Uni abspielten, glichen denen in einem Kriegsgebiet. In den sozialen Medien verglichen Menschen vor Ort das Vorgehen der Sicherheitskräfte mit der Brutalität der Terrormiliz Islamischer Staat.

Es hat der stundenlangen Anstrengung tausender Twitter- und Instagram-Profile und Mul­ti­pli­ka­to­r*in­nen bedurft, bis westliche Medien überhaupt richtig hinschauen.

Weder in den Medien noch in der Politik scheint die fundamentale Bedeutung dessen, was gerade in Iran geschieht, gesehen zu werden. Was sich dort abspielt, ist nicht weniger als eine Revolution im sogenannten Nahen Osten: Eine genuine Frauenrechtsbewegung, getragen von allen Geschlechtern, allen Ethnien, allen Altersgruppen.

Die Werte, für die die Menschen kämpfen, kommen nicht von außen, nicht vom Westen, denn alle Werte, die ein freies Land braucht, sind bereits da. Es braucht Kampf, es braucht Willen, es braucht das Wissen, dass man gewinnen kann gegen die patriarchalen Strukturen.

Und es braucht einen Westen, der die Menschen ernst nimmt, der nicht hofft, dass die „Unruhen“ wieder vorbeigehen, damit wieder Ruhe im Karton ist. Einen Westen, der die kolonialistische Brille ablegt, mit der er in diese Region schaut. Einen Westen, der nicht die Sprache der Unterdrücker spricht, sondern die Sprache der Unterdrückten versteht. Medien, die sich ernsthaft mit diesem Land beschäftigen. Denn: The Revolution must be televised.

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Gilda Sahebi
Ausgebildet als Ärztin und Politikwissenschaftlerin, dann den Weg in den Journalismus gefunden. Beschäftigt sich mit Rassismus, Antisemitismus, Medizin und Wissenschaft, Naher Osten.
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25 Kommentare

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  • Auch Navid Kermani www.zeit.de/2022/4...ritik-solidaritaet thematisiert fehlende Solidarität:

    》Selbst als die Iraner überall im Land gegen die Unterdrückung protestierten, war von der grünen Außenministerin Annalena Baerbock über Tage nichts zu hören, bevor sie sich schließlich in New York zu einem dürren Statement über die Bedeutung von Frauenrechten durchrang. Für ihre Passivität immer lauter kritisiert, plädiert Baerbock inzwischen für Sanktionen, die allerdings, soweit bekannt, kaum vorsichtiger ausfallen könnten. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz lässt weiterhin nur seinen Regierungssprecher ein paar Allgemeinplätze ausrichten [...] Wenn man sich erinnert – und viele Iraner tun das, nicht nur in Deutschland–, mit welcher Empathie Angela Merkel sich etwa 2009 an die iranischen Demonstranten wandte, die sie in einen Zusammenhang mit ihrer eigenen ostdeutschen Biografie und dem Fall der Mauer stellte, lässt sich die Schmallippigkeit ihres Nachfolgers nicht allein mit seinem norddeutschen Temperament erklären. Liegt es daran, dass dieBundesregierungdie Atomverhandlungen nicht gefährden möchte, deren Erfolg den Zugang zu den riesigen iranischen Gasfeldern öffnen würde? Es wäre ein weiterer Missgriff deutscher Real- beziehungsweise Energiepolitik《

  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    Wenn man für sein Anliegen werben will, sollte man die Umworbenen vielleicht nicht gleich beschuldigen mit "Koloniale Brille". Ist nicht so wirklich geschickt! Und am Ende sind wir - im Westen - auch nicht für alles auf dieser Welt zuständig!

  • Auf der Webseite von franceinfo culture:

    》Une vidéo est devenue virale sur les réseaux sociaux, celles d'actrices et artistes françaises qui apportent leur soutien aux femmes iraniennes suite à lamort deMahsa Amini.

    Dans cette vidéo publiée par le compte Instagram "Soutien femmes Iran", on aperçoit Marion Cotillard, Isabelle Adjani, Angèle, Pomme, Alexandra Lamy, Isabelle Huppert, Laure Camaly, Jane Birkin, Charlotte Gainsbourg, Julie Gayet, Mélanie Laurent, Juliette Binoche. En fond musical, la reprise du chant italienBella Ciaopar la chanteuse iranienne Gandom, devenue l’hymne de la contestation.

    "Nous avons décidé de répondre à l'appel qui nous était lancé"

    À l’initiative de cette vidéo, trois avocats : la bâtonnière de Paris Julie Couturier, l’ancienne présidente du Conseil national des barreaux, Christiane Feral Schuhl et Richard Sédillot, spécialisé dans la défense des droits humains《

    U.a. hier, bei Juliette Binoche auf Instagram, zu sehen: www.instagram.com/...gshid=YmMyMTA2M2Y=

  • Ich finde bewundernswert, was Gilda Sahebi zur Zeit leistet. Allerdings dieses „koloniale Brille“ kommt doch etwas ideologisch daher, irgendwie kann mans nie recht machen. Auf twitter ist der Teufel los, Unmengen tweets und retweets zum Thema.



    Aber vielleicht sollte mal eine andere Spur verfolgt werden, warum in links/grünen Kreisen (vor allem feministischen) eher verhalten reagiert wird: sich zum Islam auch Islamismus zu äussern ist im Milieu nicht opportun. Das hat dazu geführt dass legalistische Kräfte, auch aus Iran gesteuert in Deutschland munter agieren können. Unter dem Schutzmantel der Islamophobie. Eine Naivität ähnlich wie dem späten Erwachen bei Russland. Viele Antirassismus Expert*innen schweigen dazu . So konnten das Iran nahe IZH in HH sogar einen Staatsvertrag schließen.



    Und genau an diesem Schnittpunkt schweigt auch Gilda Sahebi, jetzt aber beschwert sie sich.



    In der Regel machen kurdische oder jesidische Aktivisten oder Journalisten darauf aufmerksam, wie z.B auch bei dem Verdacht bei Kübra Gümüsay

    • @Bär Lauch:

      Nachdem hierzulande vor allem Grüne + Linke und sich fortschrittlich Wähnende



      die stolzen Kopftuchträger*innen und Kopftuchverfechterinnen gehätschelt und getätschelt haben tun diese sich schwer eine Rolle vorwärts ins Zeitalter der Befreiungsbewegung vom Kopftuch zu machen.

      • @Michael Balser:

        es geht mir hier weniger ums Kopftuch, als vielmehr, wie in Verbindung über Türkei, Iran etc. hier Strukturen aufgebaut wurden. bsp. der europäische Islamophobiereport, finanziert über die AKP nahe Setastiftung. Und genau deren Wording von Rot/grün/links kritiklos übernommen wurde. Ebenso in Berlin Umgang mit antimuslimischen Rassismus , da werden auch sehr zweifelhafte Exprt*innen herangezogen. D aist eine unglaubliche Naivität und Blauäugigkeit am Werke, genauso we bei Putin...

  • "Einen Westen, der die kolonialistische Brille ablegt, mit der er in diese Region schaut."



    Mir ist jetzt nicht ganz klar, was das genau bedeuten soll? Im Text lese ich nur, dass die Berichterstattung zu wenig ist - was hat das mit kolonialistischem Blick zu tun, wenn beispielsweise die Ukraine in den Medien mehr Raum einnimmt?



    "Einen Westen, der nicht die Sprache der Unterdrücker spricht, sondern die Sprache der Unterdrückten versteht."



    Auch hier: was soll das heißen? Inwiefern wird der Pariastaat Iran als gleichwertig angesehen? (Und jetzt bitte nicht Wirtschaftsbeziehungen anbringen, ja, das ist Murks, hat aber nichts mit den Mullahs zu tun)

    Überhaupt: wer ist denn das, "der Westen"? Deutschland? Ungarn? Japan? Island?

  • Man kann die Wut und Ohnnacht von Frau Sahebi sehr wohl verstehen. Was soll man auch angesichts dieser brutalen Gewalt des Khamenei-Regimes gegenüber den gewaltfreien Protesten der Studenten auch anderes empfinden.



    Die Berichte hierzulande über die Geschehnisse im Iran sind aber meines Erachtens so ausführlich und angemessen, wie dies eben auch die Situation vor Ort zulässt.



    Hier in der taz und anderen Qualitätszeitungen, aber auch bei den öffentlich rechtlichen Fernsehanstalten wird das m.E. durchaus regelmäßig thematisiert. Die Weltspiegelmoderatorin Natalie Amiri hat mehrfach darüber berichtet und wurde einige Male dazu interviewt.



    Sicherlich ist immer mehr an Berichterstattung möglich, es muss nur auch recherchierbar sein bzw. die Quellen seriös und nachvollziehbar.



    Eine koloniale Brille sehe ich wenigstens hierzulande aber keine, ich weiß nicht, an was Frau Sahebi dies festmacht. Solche nicht unbedingt verifizierbaren Vorwürfe führen m.E. gerade zu abwehrenden Haltungen, und tragen nichts zur Situation bei.



    Sie sind aber sicherlich auch den emotionalen und ohnmächtigen Gefühlen geschuldet, die Frau Sahebi gerade angesichts der Dramatik empfindet.

  • Immerhin sehe ich jetzt, welche Wirkung der Kommentar in den Forumsspalten zeitigt.

    Man relativiert, man wirft Übertreibung vor, man bezeichnet Solidarität als kolonialistisch.

    Hoch die internationale, relativierte Solidarität.

    Und das alles bestätigt das:

    "Und es braucht einen Westen, der die Menschen ernst nimmt, der nicht hofft, dass die „Unruhen“ wieder vorbeigehen, damit wieder Ruhe im Karton ist."

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Aufmerksamkeit erzeugen.""

    auf

    "".... Sicherheitsbeamte, die auf Protestierende einprügeln, wahllos in Autos schießen,(...), und Eltern, die zur Universität stürmen, um ihre Kinder zu retten. Die Szenen, die sich an der Uni abspielten, glichen denen in einem Kriegsgebiet.(...) Vorgehen der Sicherheitskräfte mit der Brutalität der Terrormiliz Islamischer Staat.""

    ==

    Woher nimmt Gilda Sahebi Ihre scheinbare Gewissheit das die Brutalität und Gewalt der Basijis im Westen nicht gesehen wird?

    Noch ist die Aufstandsbewegung 2009/10 im Iran nicht vergessen als hunderttausende in Kilometerlangen Protestzügen durch die Straßen Teherans zogen.

    Was ist aus dieser Protestbewegung geworden? Überwältigt, verurteilt, gefoltert - in den Gefängnissen verschwunden und durch die Gewalt des Regimes verstummt.

    Das der Westen Position bezieht hat der iranische Oberschurke Khamenei doch vorgestern bestätigt: Wie üblich hat er Amerika und Israel beschuldigt Auslöser der Proteste zu sein.

    So wichtig wie es ist die Verbrecher & Verbrechen des Khamenei - Regimes aus dem Dunkel in das Licht der Öffentlichkeit zu ziehen hilft das kurz - und mittelfristig den iranischen Demonstranten nicht weiter.

    Das iranische Regime hat schon in den Jahren 2007 ff. militärische Vorsorge getroffen und das Land in Sicherheitsbezirke aufgeteilt und Militärs und Basijis mit allen militärischen Mitteln der Aufstandsbekämpfung ausgerüstet.

    Was wir derzeit sehen ist das diese Einheiten aktiviert werden um die Proteste im Blut der Demonstranten zu ersticken.

    In Syrien haben iranische Militärs Assad unterstützt die syrischen Demonstranten in den Jahren 2010 - 11 wie die Hasen abzuschiessen. Es ist naiv nicht davon auszugehen, das das Khamenei Regime bereit ist, diese eskalierende viehische Brutalität auch innenpolitisch anzuwenden.

    So richtig wie die Forderung von Gilda ist, zu berichten - ohne Professionalisierung der Aufstandsbewegung beschleicht mich eher ein mulmiges Gefühl.

  • Jetzt frage ich mich, ob ich die Berichte über die Demonstrationen und das Geschehen im Iran in anderen Online-, Print- u. TV-Medien in den letzten Wochen nur geträumt habe? Nach diesem Artikel scheint nirgendwo sonst darüber berichtet zu werden. Und von welcher kolonialen Brille ist hier die Rede, die wir im Westen in Bezug zum Iran aufhätten?



    "Es hat der stundenlangen Anstrengung tausender Twitter- und Instagram-Profile und Mul­ti­pli­ka­to­r*in­nen bedurft, bis westliche Medien überhaupt richtig hinschauen." Was soll so ein unqualifizierter Vorwurf? Stundenlang ist verhältnismäßig kurz wenn man berücksichtigt (und das muß man), dass seriöse Medien nicht 1:1 ungeprüft irgendetwas sonst woher übernehmen. Eine eigene Berichterstattung vor Ort muß organisiert werden, sofern es die Umstände überhaupt ermöglichen und und und. Als Journalistin sollte die Autorin um solche Dinge wissen.



    Bei aller Notwendigkeit um eine Berichterstattung für dieses wichtige Thema und in der Hoffnung, dass die Menschen und vor allem die Frauen im Iran, eine immense Wirkung zum Positiven mit den Protesten erzielen und die staatlichen Morde enden, ist der pauschele Vorwurf gegenüber anderen Medien und gegenüber uns allen als Gesellschaft mehr als deplatziert.

  • Die Grundeinstellung hierzulande zu den todesmutigen "Montags"demonstrationen der iranischen Jugend ist



    schulterzuckend : Das führt ja doch zu nichts !

    Erstaunlich zum Gedenktag der deutschen Wiedervereinigung, zu der die revolutionären Montagsdemonstrationen der DDR-Jugend geführt hat, die letztendlich das STASI-Regime zum Aufgeben veranlasst hat.

  • Also Frau Neumann hat mir in dem Artikel „ Das bisschen Wind im Haar“ in dieser Zeitung gesagt, dass das Ablegen des Kopftuches reiner Symbolismus ist und es eine Koloniale Tradition ist, den Frauen zu sagen was sie tragen sollen. Und jetzt ist es kolonial die Proteste nicht in ihrer ganzen Tragweite zu erkenne.



    Ich dachte es wäre reine westliche Symbolik das Kopftuch abzunehmen?

  • "Und es braucht einen Westen, der die Menschen ernst nimmt, der nicht hofft, dass die „Unruhen“ wieder vorbeigehen, damit wieder Ruhe im Karton ist."

    Niemand im Westen hofft das. Wie kommt man auf sowas? Es ist auch völlige Leugnung der Tatsachen zu behaupten, niemand in den westlichen Medien berichte über diese Proteste. Das Thema ist auf großen deutschen Nachrichtenseiten dauerpräsent, nicht nur hier auf taz.de, sondern überall.

    Was ich den Menschen im Iran wünsche, ist, dass sie sich aus eigener Kraft vom dortigen Regime befreien können, nicht durch eine instrumentalisierte Farbenrevolution mit Schützenhilfe aus Langley, VA. Dass die Bevölkerung nicht durch jahrelange, hunderttausende Todesopfer fordernde Sanktionen ausgehungert wird wie nebenan im Irak. Dass die Revolution nicht im Chaos endet wie in Syrien oder in Libyen, die bis heute unter den Folgen des "Arabischen Frühlings" leiden. Dass am Ende nicht die Re-Kolonisierung des Iran durch den Westens steht, sondern auch ein befreiter Iran ein starker, unabhängiger Akteur im Mittleren Osten bleibt, der zu einem Anker der Stabilität für die von neokolonialer Gewalt gebeutelte und verheerte Region wird.

    Zum Abnehmen der kolonialen Brille gehört es auch, dass wir uns eingestehen, wodurch die reaktionären Kräfte in dieser Weltregion so stark geworden sind: Dadurch, dass westliche Mächte wie die USA und Großbritannien jahrzehntelang linken Widerstand torpediert und rechte Hardliner finanziert haben. Persien war auf dem Weg in die Freiheit, bis Mossadeq von der CIA weggeputscht wurde. Ohne die Tyrannei des Shah wären die Mullahs nie so groß geworden. Und jetzt soll es die "koloniale Brille" sein, wenn man den westlichen Dauer-Interventionismus satt hat?

    • @TheVriskaSerket:

      》Und jetzt soll es die "koloniale Brille" sein, wenn man den westlichen Dauer-Interventionismus satt hat?《

      Es geht wohl eher um diese Diskussion hier, z.B. die Kritik der Politologin Elham Manea 2018 hier is.gd/Yqtgw2 an Judith Butler:

      》Others consider the whole debate on the veil (headscarf) to be a constructed discourse used as a pretext to impose a hegemonic secular or imperial Western agenda. In her article “Sexual politics, torture, and secular time,” Judith Butler argues:

      The debate on whether girls should be prohibited from wearing the veil in public schools seemed to bring this paradox into relief. The ideas of the secular were invoked to consolidate ignorant and hateful views of Islamic religious practice (i.e., the veil is nothing other than the communication of the idea that women are inferior to men, or the veil communicates an alliance with “fundamentalism”), at which pointlaïcitébecomes a way not of negotiating or permitting cultural difference, but a way of consolidating a set of cultural presumptions that effect the exclusion and abjection of cultural difference.

      This type of intellectual discourse on the veil of the Muslim woman, in my opinion, is symptomatic of a paradigm of thinking that has dominated postcolonial, postmodern discourse for far too long. [...] This racist way of seeing a person [die Reduktion auf "Muslima"] is very similar to the racist attitude of their far-right counterparts, albeit stemming from a different motivation. What motivates them is not hate or the desire to harm; it is the urge to protect《

      Ähnlich, etwa zeitgleich, die Emma is.gd/yaT0HK

      Auf qantara.de dann hingegen wieder 2019 is.gd/g14Nbi :》Das Stereotyp von der "unterdrückten arabischen Frau" verfestigt sich weiter in den öffentlichen Debatten hierzulande [...] Die medialeDauerdebatte über das Kopftuchverstärkt die Vorurteile noch《

    • 0G
      06438 (Profil gelöscht)
      @TheVriskaSerket:

      Verstehe ich sie richtig, das sie glauben, das der Westen Schuld ist, das Demonstranten auf den Straßen iranischer Städte derzeit totgeprügelt und erschossen werden?

      1979 hat die damals populäre linke Bewegung des Iran eine Koalition mit den iranischen Islamisten gebildet um den Schah zu stürzen. Zum Dank wurden die Linken 1987 und 1988 gefangen genommen und in den Gefängnissen vom Regime ermordet.

      Im Zentrum der politischen Auseinandersetzung der damaligen Zeit stand die "weiße Revolution" welche von den Islamisten - und von den Linken abgelehnt wurde.

      de.wikipedia.org/w...%C3%9Fe_Revolution

      Erklären sie bitte auf wie sie darauf kommen die Politik des Schahs als Tyrannei zu beschreiben. Ansonsten war die Savak ein Witz verglichen mit der Brutalität des iranischen islamistischen Regimes heute.

      Trotz aufmerksamen Lesens habe ich in Ihrem Kommentar keine Kritik am brutalen Umgang des iranischen Regimes mit den Frauen auf der Straße gefunden.

      Bedeutet das, das Sie damit Ihr Einverständnis zur viehischen Brutalutät des Regimes mit den Demonstranten ausdrücken?

    • @TheVriskaSerket:

      "Was ich den Menschen im Iran wünsche, ist, dass sie sich aus eigener Kraft vom dortigen Regime befreien können, nicht durch eine instrumentalisierte Farbenrevolution mit Schützenhilfe aus Langley, VA" klingt für mich aber auch eher nach dem Propagandadiskurs aus Moskau o. Teheran. Wenn das Volk aufsteht kann es immer nur vom Westen u finsteren Kapitalinteressen aufgezogen sein. Das werden sie behaupten bis zuletzt.

  • Kolonialistische Brille? Die gab es im Fall des Iran (=Persien) nie. Dort herrschte nie eine westliche Kolonialmacht. Die Probleme des Iran waren und sind hausgemacht. Dass die "Unruhen" in den westlichen Medien nicht vorkommen, ist auch nicht wahr. Alle großen Zeitungen berichten darüber und die Solidarität mit den Unterdrückten ist groß. Dass das islamistische Regime einen Schurkenstaat führt, ist nun wirklich kein Geheimnis. Seit Jahrzehnten terrorisieren sie im Namen ihrer Religion die eigene Bevölkerung und bedrohen ihre Nachbarstaaten und Israel.

    Eine direkte Einmischung des Westens wäre kolonialistisch. Eine gute Idee wäre das nicht. Das Beispiel beim Nachbarn Irak mit dem von den USA militärisch erzwungenen Regime-Change ist abschreckend genug, denke ich.

    • @Winnetaz:

      Nur ein Beispiel dafür, dass das nicht stimmt: Aus Wikipedia: "Mossadegh wurde am 19. August 1953 durch völkerrechtswidriges Betreiben der Nachrichtendienste der USA und Großbritanniens gestürzt (Operation Ajax)..." . USA und GB haben eine demokratisch gewählte Regierung gestürzt und den Shah eingesetzt. Ich würde davon ausgehen, dass der Anteil des "Westens" an den Problemen des Iran erheblich ist.



      Übrigens fehlt in der Karte zum Beitrag noch Shiraz. Auch dort laufen Protesteste und gewaltätige Reaktionen des Machtapparats und wird auch auf Privathäuser geschossen.

    • @Winnetaz:

      Sie sollten sich vielleicht mit der Geschichte Persiens/des Iran beschäftigen.



      Da wäre die Hungersnot 1917-1919, verursacht durch die Besetzung durch Britisch und Russische Truppen (2-6 mio. Tote), dann der Anglo-Pesische Coup 1921, die Hungersnot 1942 durch Besetzung durch Britische Truppen (3-4 mio. Tote), dann 1953 US/UK Coup gegen Mossadegh und dann der Irak-Iran Krieg finanziert durch die Golfstaaten, gewollt von den US.



      www.youtube.com/watch?v=RX3V9wgOTOA



      www.youtube.com/watch?v=6ui1fAEV-Yc



      www.youtube.com/wa...obYhEEQgFx&index=4

    • @Winnetaz:

      Das stimmt so nicht; der Iran war zwar nie formal eine Kolonie, ist aber im 20. Jahrhundert in ein quasi-koloniales Abhängigkeitsverhältnis geraten (das vielleicht noch nachteilhafter wahr), in dem westliche Staaten massiv in die Geschicke des Landes eingegriffen haben (ich rate dazu, ein wenig vorrevolutionäre Literatur zu lesen, in der das ganz deutlich wird).



      Auf Vokabeln wie "Schurkenstaat" sollte man verzichten, denn aus iranischer Sicht mag sich hier die Bewertung umdrehen: schließlich würde die islamische Republik kurz nach ihrer Gründung vom Irak überfallen (im Iran hat man nicht vergessen, wer Saddams Giftsgasfabriken gebaut hat...), wird seitdem mit Regime-Change- und Angriffsdrohungen überzogen und ist Sanktionen und Terroranschlägen ausgesetzt. Die Selbstgerechten im Westen mögen das nicht wahrnehmen, aber aus Sicht vieler, vieler Mensschen auf dieser Welt (die nicht nur aus den USA und der EU besteht), sind wir die Schurken.

      • @O.F.:

        Sie schreiben "aus iranischer Sicht", wenn sie "aus Sicht des iranischen Regimes" meinen - die unter Lebensgefahr gegen dieses Regime Demonstrierenden sind fuer Sie offensichtlich keine Iraner:innen - fuer viele iranische Oppositionelle sind "die Selbstgerechten im Westen" schlicht die bessere Option. Sie können sich ja gern weiter als "Schurken" betrachten ...

      • @O.F.:

        Man muss das sicher differenziert sehen. Aber ich denke, die Iraner wissen aus eigener Anschauung sehr gut zu unterscheiden, weshalb es auch nicht wenige zu uns "Schurken" ins Exil zieht. So weit ich weiß, geht es ihnen hier ganz gut. Anschläge des Westens bzw Israels im Iran richten sich heute auch nicht gegen Zivilisten sondern gegen militärische Ziele. Das Atomprogramm. Und inwiefern rechtfertigen es die Untaten des Westens wie die Giftgasfabriken o die Dominierung des Irans durch den Westen u die Sowjetunion –damals – die gewaltsame Niederschlagung der Proteste der Iraner durch das Mullahregime heute? Inwiefern hat der Westen überhaupt etwas mit der den Protesten und der Reaktion d iran. Regierung auf sie zu tun? Würde sagen: wenig bis gar nichts. Das Regime hat nur Angst v der eigenen Bevölkerung u dem Machtverlust.

  • Solidarität ist gut, nur wie? Aufmerksamkeit kann allenfalls ein Anfang sein. Aber was soll schon wieder dieser Unfug mit der kolonialen Brille? Stellt irgendwer in Abrede, dass dieser Aufstand ein genuin iranischer ist (mit Ausnahme des Regimes natürlich, das fremde Mächte am Werk sieht)? Oder ist koloniales Denken hier, dass man die patriarchiale und klerikale Diktatur für ein zwangsläufiges Ergebnis des Islam hält, dass man also mit dem Argument weggeschaut wird, dass wer glaubt, eben selber schuld sei? Für allgemeine Besserwisserei, billige Anfeuerung oder blankes Desinteresse braucht man aber weder eine kolonial geprägte Sichtweise, noch deren Überwindung. Und natürlich kann ein westlich bestimmtes und selbst ein herablassendes Denken trotzdem auch hilfreiche Folgen haben. Auf die Gesinnung kommt es weniger an, als auf die Wirkung.

  • Danke für diesen aufrüttelnden Kommentar.

    Ich hoffe, dass er Wirkung zeitigt.