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Geflohene gewinnen vor GerichtGericht stoppt „Bild“-Pranger

Nach einem Urteil des Landgerichts Frankfurt darf „Bild“ drei So­ma­lie­r:in­nen nicht mehr erkennbar zeigen – wegen unzulässiger Stigmatisierung.

An der Grenze von Bild stigmatisiert werden ist nun hochamtlich unzulässig Foto: Patrick Pleul/dpa

Berlin taz | Die Bild-Zeitung darf nun offiziell nicht mehr „identifizierend“ über drei junge So­ma­lie­r:in­nen berichten, die Anfang Mai dieses Jahres erfolgreich gegen ihre Zurückweisung nach Polen geklagt hatten Mithilfe des Pro-Asyl-Rechtshilfefonds erreichten sie in einem Eilverfahren gegen die Zeitung eine Unterlassungsverfügung des Landgerichts Frankfurt am Main.

Die Vorgeschichte: Gleich nach Antritt der neuen schwarz-roten Bundesregierung ordnete Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) an, dass die Bundespolizei alle Asylsuchenden an den deutschen Grenzen zurückzuweisen soll. Nur vulnerable Asylsuchende, etwa Minderjährige, sollten noch einreisen können. Die meisten Flüchtlinge kommen nun einfach über die grüne Grenze nach Deutschland.

Doch die drei So­ma­lie­r:in­nen – zwei junge Männer, eine junge Frau – konnten diesen Weg nicht gehen, weil die junge Frau eine Fußverletzung hatte. Die drei So­ma­lie­r:in­nen klagten deshalb mithilfe von Pro Asyl aus Polen beim Verwaltungsgericht (VG) Berlin gegen die Zurückweisung und erhielten Recht. In einem ausführlichen und grundsätzlich begründeten Beschluss erklärte das VG Berlin die Zurückweisung für rechtswidrig.

Dobrindt stand nun unter starkem politischem Druck, denn er war vorab monatelang gewarnt worden, dass die Zurückweisung von Asylsuchenden rechtswidrig sei. Dobrindt erklärte die Berliner Beschlüsse jedoch zur „Einzelfallentscheidung“ und hält an den Zurückweisungen fest.

Die Bild-Zeitung kritisierte nun aber nicht Dobrindt, sondern begann die drei So­ma­lie­r:in­nen ins Zwielicht zu ziehen, mit dem Titel: „So tricksten drei Somalier den Asyl-Hammer herbei.“

Immer wieder zitierte Bild dabei aus internen Vermerken der Bundespolizei, sodass der Eindruck entstand, dass es hier eine enge Zusammenarbeit zumindest mit einzelnen Be­am­t:in­nen geben könnte. Dabei wurde zum Beispiel thematisiert, dass die Geburtsurkunde der jungen Frau, nach der sie 16 Jahre alt ist, gefälscht sein könnte. Auf ihr Alter kam es rechtlich freilich gar nicht an, da die Zurückweisungen generell als rechtswidrig eingestuft wurden.

Im Mittelpunkt des Frankfurter Gerichtsverfahrens stand nun ein Bericht der Bild von Ende Juni, der online unter der Überschrift veröffentlicht wurde: „Nimmt Litauen die drei Somalier zurück?“

Dort teilte der Bild-Chefreporter Nikolaus Harbusch mit, dass inzwischen das Dublin-Verfahren begonnen hat, mit dem der für das Asylverfahren zuständige EU-Staat festgestellt werden soll. In der Berliner Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) habe inzwischen die Anhörung der drei So­ma­lie­r:in­nen stattgefunden. Möglicherweise komme es schon bald zur Überstellung der drei nach Litauen oder Polen. Bisher ist das noch nicht erfolgt.

In dem Bild-Artikel wurden die drei Flüchtlinge mit passbildartigen Fotos abgebildet, unverpixelt und ohne schützenden Balken vor den Augen. Möglicherweise stammen die Fotos von deutschen Behörden.

Persönlichkeitsrecht der Flüchtlinge überwiegt

Die Flüchtlinge haben Bild jedenfalls keine Fotos überlassen und auch keine Erlaubnis zur Nutzung solcher Fotos gegeben. Unter den Fotos standen die jeweiligen Namen, wobei jeweils nur der Vorname ausgeschrieben war und die Nachnamen auf den ersten Buchstaben verkürzt waren.

In schmal begründeten Beschlüssen erließ das Frankfurter Gericht Unterlassungsverfügungen gegen Axel Springer Deutschland. Bild darf nicht mehr mit Fotos und teil-ausgeschriebenen Namen über die drei So­ma­lie­r:in­nen berichten. Dabei betonte das Gericht, dass es sich nicht gegen die kritische Berichterstattung an sich wende, diese sei sogar „von hohem öffentlichen Interesse“.

Unzulässig sei nur die identifizierende Berichterstattung, insbesondere wenn sie die Einzelschicksale „in stigmatisierender Weise“ nutze, in dem sie die drei Flüchtlinge „an einen Online-Pranger stellt“. Die in einer Reihe stehenden Fotos wirkten „vergleichbar einem Steckbrief“, auch weil in dem Bericht davon die Rede sei, dass sich die Flüchtlinge angeblich „illegal in Deutschland“ aufhalten. Bereits der ausgeschriebene, „in Deutschland nicht weit verbreitete Vornamen“ könne auch zur Identifizierung führen.

In der Abwägung mit dem Berichterstattungsinteresse der Bild-Zeitung kommt das Landgericht zu dem Schluss, dass das Persönlichkeitsrecht der Flüchtlinge überwiege. Deren hohe Schutzwürdigkeit ergebe sich zum einen aus ihrem jungen Alter. Außerdem mache eine identifizierende Berichterstattung eine „jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossene“ Integration in Deutschland unmöglich.

Jedenfalls „vorerst“ habe die Entscheidung des VG Berlin den drei So­ma­lie­r:in­nen eine „Bleibeperspektive“ in Deutschland eröffnet. Gegen die Verfügung kann der Springer Verlag noch Rechtsmittel einlegen.

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14 Kommentare

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  • Interessant wäre es herauszufinden, wer die Fotos und sonstigen Informationen durchgestochen hat. Eine Disziplinarstrafe sollte das Mindeste sein, falls es eine Gegenleistung von Springer gegeben hat, ein entsprechendes Strafverfahren.

  • Gut so.

  • Die Zeitung mit den vier großen Buchstaben (deren Name mensch nicht nennt) gehört eigentlich abgeschafft, weil sie eine tägliche Beleidigung eines jeglichen Intellekts (großem wie kleinem) darstellt, aber u.a. von der CDSU (die immer gerne nach Verboten rufen, es aber gerne anderen zuschreiben/projizieren) kommen sie niemals darauf, weil diese immer und immer wieder von der Hetze profitieren.

  • Was ist aus den drei Somaliern geworden. Es ging ja um die Feststellung des für die Stellung des Asylantrags zuständigen Landes. Wer ist dafür zuständig und wie lange dauert so ein Verfahren?

    Oder hat die zuständige Behörde angesichts der Prominenz des Vorgangs ihre Tätigkeit eingestellt?

  • Das würde höchstens was bringen, wenn die die ganze Titelseite für Widerruf und Entschuldigung hergeben müssten und der auch eine Woche als Startseite der Website erscheinen würde.

  • Bild ist seit jeher Hetzpresse, die gegen "unten", gegen angeblich "Andere" tritt, um die wahren Verhältnisse zu verschleiern.



    Niemand sollte die bedienen, auch Dobrindt nicht.

    Die Union sollte rasch von ihrem Wahlkampfquark lassen, sich entschuldigen und ansonsten ihrer Arbeit nachkommen.

  • Ob wir wohl den Tag noch erleben, an dem die BILD-Zeitung in derselben Weise über alte, weiße deutsche Steuerhinterzieher berichtet?

    • @Aurego:

      Über den Fall Uli Hi. wurde auch in der Bild ausladend berichtet.

    • @Aurego:

      Über Hoeneß hat die Bild damals recht schadenfroh berichtet

      • @JSch:

        Das war sie ihrem notorischen Informanten Lothar Matthäus noch schuldig.

        Es ist durch der tägliche Raubzug einiger weniger, der durch Springer-Kampagnen gegen einige viele verrauscht werden soll

    • @Aurego:

      Die sitzen in dubio dort in den Gremien.



      Wie viele Milliarden trickste die Springer erst neulich mit dem Döpfner zusammen am Fiskus vorbei, mit einer offensichtlich für Typen wie sie geschaffenen Steuerausnahme?

  • Bild hält sich mal wieder nicht jornalistische Standards, verletzt Persönlichkeitsrechte und hetzt unverholen gegen Asylanten*innen, welche in diesen Fall vor Gericht rechtbekommen haben.



    Es ist und bleibte eine hetzerische Tapezierunterlage und hilft der AFD schön dabei, die Hetze etc weiterzuschüren.

    Pispers hatte schon recht als der meinte, "dass man toten Fisch beleidigen würde, wenn man ihn darin einwickelt".

    • @Rabenbote:

      Als Tapezierunterlage würde ich die Bild nicht nehmen, da könnte es passieren, dass es blau-braun durchschimmert.

    • @Rabenbote:

      kann ich gut mitgehen, aber das Niveau, welches sie kritisieren, reproduzieren sie doch wiederum durch die Verwendung von "Asylanten*innen", gendersternchen hin oder her,

      abwertungsfrei liest sich Asylbewerber*innen besser.

      glugscheißermodus aus