Geplatzte Auflösung des Landtags: Thüringer Politdrama ohne Ende
Die Neuwahl in Thüringen ist gescheitert, das Vertrauen in die Politik erschüttert. Nun will die AfD ein Misstrauensvotum. Wie geht es weiter?

Die aus ihrer Sicht drohende Gefahr: Weil nicht klar ist, ob die CDU wie vereinbart die nötigen Stimmen liefert, um die Auflösung zu beschließen, hätte schlimmstenfalls die AfD mit für die Auflösung und damit die Neuwahl stimmen können. Das wollte insbesondere die Linke vermeiden.
Denn 2019 waren es eben die Stimmen der AfD gewesen, die Thomas Kemmerich (FDP) kurzzeitig ins Amt hoben und damit die Regierungskrise erst auslösten, die Thüringen seitdem nie ganz losgelassen hat. Auf das Kemmerich-Debakel, das mit dessen Sturz endete, folgte die CDU-gestützte rot-rot-grüne Minderheitsregierung. Bedingung für diesen Stabilitätspakt war die Einigung, dass der Landtag 2021 aufgelöst und neu gewählt werden soll. Am Freitag platzte dieser Plan.
„Die Enttäuschung sitzt tief“, sagte SPD-Parteichef und Innenminister Georg Maier nun gegenüber der taz. Der Schaden sei groß, insbesondere für das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung. Linken-Fraktionschef Steffen Dittes wies diese Kritik jedoch zurück. Er sieht die CDU in der Verantwortung. Der Rückzug des Antrages sei nicht etwa eine Entscheidung gegen Neuwahlen, „sondern gegen die Gefahr einer Abstimmung mit der AfD“, so Dittes, weil die CDU nicht die nötigen Stimmen gebracht hätte. Die beteuert allerdings, dass die nötigen Mehrheiten vorhanden wären und warf wiederum den Linken politisches Kalkül vor.
Wie geht es weiter?
Die Entwicklung zeigt, wie zerstritten das Parlament ist. Seit Dezember ist der mit der CDU vereinbarte Stabilitätspakt ausgelaufen. Konkret bedeutet das, das es keine Mehrheiten mehr gibt. Die Kräfteverhältnisse könnten sich nun verschieben. Für die Minderheitsregierung wird es schwierig, sich ohne Zustimmung der CDU durchzusetzen.
Dennoch sagt Dittes: „Es gibt keine Regierungskrise.“ Die Koalition habe vollständige Handlungsfähigkeit. Immerhin sei schon seit der Wahl klar, dass rot-rot-grün eine Minderheitsregierung ist. „Die CDU muss sich nun entscheiden, ob sie künftig die AfD für Mehrheiten nutzen will“, so Dittes.
Die Sorge ist, dass die Nicht-Auflösung des Landtages nun vor allem die AfD stärken könnte – wenn sich die CDU nun weiter an sie annähern sollte. Der linke Ministerpräsident ist der CDU-Fraktion schon lange ein Dorn im Auge und die Südthüringer CDU war es schließlich auch, die den umstrittenen Hans-Georg Maaßen als ihren Direktkandidaten für die Bundestagswahl aufstellte. Und im Juni waren sich CDU und AfD bereits bei der Entscheidung einig, eine Petition zur Schließung der Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete im thüringischen Suhl einzureichen.
Die Frage um das „Wie weiter“ bleibt bei den Fraktionen umstritten. SPD-Chef Maier sagte, es müsse nun erneut Gespräche zwischen rot-rot-grün und der CDU geben und bezeichnete die SPD als Scharnier zwischen den Lagern. Eine solche Abmachung schloss CDU-Chef Mario Voigt jedoch aus. „Eine weitere Übergangsvereinbarung wird es nicht geben“, sagt er zur taz. „Es ist an Rot-Rot-Grün, sich Mehrheiten für Vorhaben und Gesetze zu suchen.“ Die CDU-Fraktion sei nicht dafür da, die Politik einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung abzusichern. Er sehe die CDU in der Rolle der Opposition, die die Landesregierung kontrolliere.
Diskussion zu einer möglichen Vertrauensfrage von Ramelow sieht Linken-Fraktionschef Dittes als nicht zielführend. „Die Vertrauensfrage würde nicht zu Neuwahlen des Parlaments führen“, so der Fraktionschef. „Daher ist das momentan auch keine Option. Sofern es jedoch kein neues Abkommen zwischen rot-rot-grün und der CDU geben sollte, heißt das: Mehrheiten suchen – und zwar jedes Mal aufs Neue in zäher Aushandlung.
Am Montagnachmittag verkündete die AfD, dass sie einen Antrag auf ein konstruktives Misstrauensvotum gegen Bodo Ramelow gestellt hat. Als Herausforderer will der AfD-Vorsitzende Björn Höcke antreten, der für seine rechtsextreme Politik bekannt ist. Für solch ein Votum bräuchte die AfD jedoch ebenfalls eine Mehrheit. Es ist unwahrscheinlich, dass die demokratischen Parteien für Höcke tatsächlich den Weg als Ministerpräsidenten freimachen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator