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Generaldebatte im BundestagWeidels rassistischer Rundumschlag

Die AfD nutzt die Generaldebatte im Bundestag zum völkischen Vortrag. Der SPD-Generalsekretär reagiert mit der Forderung, die Partei zu verbieten.

Von der Mäßigung, die sich die AfD gerade erst auferlegt hatte, war bei Alice Weidels Rede schon nichts mehr zu hören Foto: Lisi Niesner/reuters

Berlin taz | Wenige Minuten nach Beginn der Bundestagssitzung droht Matthias Miersch der AfD-Chefin Alice Weidel mit Konsequenzen. „Ihre Rede war ein Beispiel dafür, dass Sie verfassungsfeindlich agieren, und deshalb muss es ein Verbotsverfahren geben“, rief der SPD-Generalsekretär in Richtung der extrem rechten Politikerin. Zuvor hatte Weidel ihre zehnminütige Ansprache am Rednerpult für einen rassistischen Rundumschlag genutzt. Dieser gipfelte in der völkischen Aussage, dass Einbürgerungen „das Staatsvolk“ in Deutschland transformieren und für „Religionskriege“ im Land sorgen würden.

Es ist traditionell das Recht der stärksten Oppositionsfraktion, die Generaldebatte in den Haushaltsberatungen des Bundestags zu eröffnen. Weidel wusste dieses Privileg am Mittwoch zu nutzen, indem sie nur am Rande auf die Etatverhandlungen zu sprechen kam. Stattdessen schwadronierte sie unter dem johlenden Applaus ihrer Fraktion über „inkompatible Kulturen“, eine vermeintliche Islamisierung Deutschlands, „die rasend und aggressiv“ voranschreite, sowie die „hohe Kriminalitätsbelastung bestimmter Bevölkerungsgruppen“. Von der Mäßigung in ihrem äußeren Auftreten, die sich die AfD neuerdings auferlegt hatte, war im Parlament am Mittwoch gar nichts zu hören.

Als Bundeskanzler Friedrich Merz nach ihr ans Rednerpult trat, warf er Weidel eine „rein nationalistische Rede“ vor. „Halbwahrheiten, üble Nachrede und persönliche Herabsetzungen muss auch in einer Demokratie niemand unwidersprochen einfach hinnehmen“, sagte der CDU-Chef.

Merz beschwört Stimmungsumschwung

Die neue Regierung aus Union und SPD ist seit 65 Tagen im Amt. Für Merz war es die erste Rede als Bundeskanzler in einer Haushaltsdebatte. Er begnügte sich in seiner Ansprache weitestgehend mit Selbstlob. In den vergangenen Wochen sei „ein Stimmungsumschwung“ gelungen, erklärte er.

Merz zeigte sich überzeugt, dass die Haushaltsplanung den Grundstein für erhebliche Investitionen lege. „Damit hat die Bundesregierung die Wende in der Wirtschaftspolitik eingeleitet“, sagte er. Der Kanzler rechtfertigte die noch mit den Mehrheiten des alten Bundestags beschlossenen zusätzlichen Schuldenaufnahmen. Nichts zu tun und keine Investitionen zu ermöglichen, sei keine bessere Alternative.

„Wir haben viel angepackt, wir haben einiges erreicht, aber es bleibt noch sehr viel zu tun“, sagte er. Schwarz-Rot wolle allen Menschen in Deutschland, „den Mut und die Zuversicht vermitteln“, dass es sich lohne, in diesem Land zu arbeiten und in Frieden und Freiheit zu leben. „Wir wollen, dass Deutschland ein offenes, ein liberales, ein freiheitliches Land bleibt, und wir wollen vor allem, dass Deutschland ein tolerantes Land bleibt.“

Sie investieren nicht, sie verzocken, sie nutzen jeden Trick, um das Geld nicht in die Investitionen zu schicken.

Katharina Dröge, Grüne

Katharina Dröge, Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen, kritisierte die Haushaltspläne der Regierung. Sie warf Merz vor, dass reiche Menschen weitaus mehr von den geplanten Steuersenkungen profitierten. Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) warf sie vor, eine Finanzpolitik wie Christian Lindner zu betreiben, und zweifelte die angekündigten Investitionen an: „Sie investieren nicht, sie verzocken, sie nutzen jeden Trick, um das Geld nicht in die Investitionen zu schicken.“ Dröge nannte auch den Klimaschutz in den neuen Haushaltsplänen eine „klimapolitische Bankrotterklärung“.

SPD-Generalsekretär Miersch ging auf diese Vorwürfe ein. „Auch von den Opposition erwarte ich Respekt für den Wert des Kompromisses.“ Hier klang eine leichte Kritik am Koalitionspartner durch, als sei mit der Union an mancher Stelle eben nicht mehr zu erreichen. „Was wir investieren, ist gelebter Klimaschutz“, sagte er aber auch.

Eines könne die neue Regierung schon genauso gut wie die vorherige, sagte die Linken-Co-Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek: „sich nämlich ordentlich auf die Schulter klopfen“. Dabei habe die schwarz-rote Regierung bislang nichts weiter geliefert als „Chaos und gebrochene Versprechen“. Deren Etatentwurf bezeichnete sie als einen „Haushalt der Hoffnungslosigkeit“. Gekürzt werde ausgerechnet bei den Vorhaben, die den Menschen wirklich helfen würden.

„Sie verteilen von unten nach oben, wir wollen von oben nach unten verteilen“, sagte Reichninnek. „Sie versuchen nicht mal die Schere zwischen Arm und Reich zu schließen, Sie reißen sie immer weiter auseinander.“ In Richtung von SPD-Fraktionschef Miersch sagte die Linke: „Ja, Matthias, Kompromisse sind wichtig, aber die SPD geht in dieser Koalition unter.“

Die viertägige Haushaltsdebatte begann am Dienstag mit der Vorstellung des Etatentwurfs 2025 durch Finanzminister Klingbeil. Geplant sind deutlich höhere Investitionen, die vor allem durch mehr Schulden finanziert werden sollen.

Die Bundesregierung plant für dieses Jahr Ausgaben von 503 Milliarden Euro – 6,1 Prozent mehr als im Vorjahr. 81,8 Milliarden Euro sollen im Kernhaushalt über Kredite gedeckt werden, mehr als doppelt so viel wie 2024. Hinzu kommen über 60 Milliarden Euro aus schuldenfinanzierten Sondertöpfen. Bis 2029 will die Regierung im Kernhaushalt und in Sondertöpfen zusammen fast 850 Milliarden Euro Schulden aufnehmen.

Die Beratungen über den Etat des Kanzleramts gelten traditionell als Höhepunkt der Haushaltsberatungen. Insgesamt sind vier Stunden für die Debatte vorgesehen. Nach der Generaldebatte stellte sich Merz erstmals in einer Regierungsbefragung den Fragen der Abgeordneten. Dafür waren 70 Minuten vorgesehen. Danach debattiert das Parlament über die Etats für das Auswärtige Amt, Verteidigung und Entwicklungshilfe.

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