Gaspreisdeckel der Ampel: Und es hat Wumms gemacht
Die staatliche Preisbremse kommt spät und ist teuer – sie ist aber bitter notwendig. Der gesellschaftliche Frieden steht auf dem Spiel.
T ausend Mal kritisiert, tausend Mal ist nichts passiert. Aber nun ist die Gasumlage für Verbraucher:innen tatsächlich Geschichte. Und mehr noch: Die Bundesregierung spannt einen 200 Milliarden Euro weiten Schutzschirm auf, der auch eine Preisbremse für Gas und weitere Hilfen für Unternehmen umfasst. Es hat tatsächlich Wumms gemacht oder, um es mit den Worten des Bundeskanzlers zu sagen: Doppelwumms.
Dieser Wumms – der erst mal rein psychologischer Natur ist, denn die Details der Preisbremse sind noch unklar – wird teuer, ist aber bitter nötig. Denn es geht nicht nur darum, die deutsche Wirtschaft vor dem Kollaps zu retten, sondern auch darum, den gesellschaftlichen Zusammenhalt, mithin die Demokratie zu stabilisieren.
Lange, fast zu lange hat die Regierung gezögert, bis sie sich durchrang und sich zu drastischen Maßnahmen entschloss. War es tatsächlich nötig, bis zwei Tage vor der schon in ein Gesetz gegossenen Einführung der Gasumlage zu warten, um sie dann doch zu kippen, um eine Preisbremse anzukündigen, die eine weitere Kreditaufnahme nach sich zieht? Andere Länder wie Frankreich hatten die Energiepreise schon gedeckelt, als sich die Ampelkoalition in Deutschland noch stritt und die FDP lieber mantrahaft von Haushaltsdisziplin sprach.
Die mutmaßlichen Sabotageakte an den Nord-Stream-Gaspipelines in der Ostsee, aber vor allem das ebenfalls am Donnerstag vorgestellte Herbstgutachten werden die Entscheidungsfindung vor allem in der FDP beschleunigt haben. Denn die wirtschaftlichen Aussichten sind düster. Deutschland droht ein wirtschaftlicher Abschwung, bei weiterhin steigender Inflation. Die möglichen Folgen: Betriebsschließungen, Arbeitslosigkeit, Verarmung.
Empfohlener externer Inhalt
Das würde einen toxischen Cocktail für die Demokratie bedeuten. Das Vertrauen in diese bröckelt, besonders im Osten, wie der Bericht des Ostbeauftragten gerade gezeigt hat. Um Vertrauen zurückzugewinnen, ist es essenziell, dass der Preisdeckel für Energie, der gerade verhandelt wird, die Menschen wirklich davor schützt, dass sie frieren oder sich verschulden müssen. Denn die Hälfte der Bevölkerung hat kaum Rücklagen und kann keine exorbitanten Nachzahlungen stemmen.
Es geht aber nicht nur um Zusammenhalt. Die Summen, die Deutschland jetzt aufbringt, sind nötig, um die Solidarität mit der Ukraine zu sichern und die Sanktionen gegen Russland aufrechtzuerhalten, trotz des von Putin angezettelten Energiekriegs. Der Kurs der Regierung bleibt richtig. Aber sie darf die Menschen mit den Folgen dieser Politik nicht alleinlassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?