Friedrich Merz und die CDU: Vorwärts in die Vergangenheit
Die CDU-Basis gibt Friedrich Merz ein eindeutiges Ja. Dass damit die Machtkämpfe in der Union enden, ist allerdings unwahrscheinlich.
D ie CDU-Basis bekommt nun, was sie vielleicht schon lange wollte: einen westdeutschen Mann, kantig und ziemlich retro. Das Votum ist kristallklar. Fast zwei Drittel für Merz, den Anti-Merkel-Mann, und nur 12 Prozent für Helge Braun, den treuen Merkel-Vasallen. Es ist eine Abrechnung. Friedrich Merz hat eineinhalb Jahrzehnte gewartet, um jenen Platz zu besetzen, der ihm, nur ihm zusteht: an der Spitze der CDU. Die Geschichte von Merz und der Union hat etwas von einem Drama. Oder ist es eine Komödie?
Die Union reibt sich seit drei Jahren in lodernden Machtkämpfen auf. Die CSU bekämpft die CDU, die Liberalen bekämpfen die Konservativen, Organisationspatrioten wie Schäuble, Populisten wie Söder. Dazu kommen persönliche Ränkespiele und Animositäten. Ist dieses eindeutige Ja zu Merz das Ende der Konkurrenzen? Die letzte Schlacht?
Eher nicht. Die CSU hält den 66-jährigen für einen Mann der Vergangenheit und bestenfalls des Übergangs. Da ist Stress vorprogrammiert. In der Fraktion kann bald die nächste Folge der Serie „Krieg in der Union“ starten. Merz wird die endlich eroberte Macht kaum kampflos mit Fraktionschef Ralph Brinkhaus teilen.
Merz hat ausdauernd und bis an die Grenze des Lächerlichen auf diesen Augenblick hingearbeitet. Jetzt soll er darauf verzichten, auf großer Bühne als Oppositionschef dem Kanzler Kontra zu geben? Merz hat sich zwar zuletzt bescheiden und als Liberaler inszeniert. Taktik? Altersweisheit? Man wird sehen.
Es ist unklar, für was die Union steht
Die Union kann 2022 drei Ministerpräsidenten verlieren, in NRW, im Saarland, in Schleswig-Holstein. Eigentlich müsste die Furcht, an den Rand gedrängt zu werden, eine disziplinierende, machtkampfdämpfende Wirkung haben – einfach, weil Organisationen überleben wollen. Eigentlich.
Die wirklichen Aufgaben liegen jenseits des anstrengenden Innenlebens der Union. Die Konservativen sind – was Überzeugungen angeht – zwar anspruchslos. In ihrem derzeitigen Zustand ist aber unklar, für was die Union steht.
Scholz hat die Wahl nicht nur gewonnen, weil Laschet ein paar miese Momente hatte, sondern, weil er vibrierenden Veränderungswillen und Kontinuitätsversprechen, soziale Sicherheit und radikalen Wandel verbunden hat.
Die Union ist da nicht sprechfähig. Das Soziale ignoriert sie mit wirtschaftsliberaler Arroganz. Die Krise der Volkspartei hielt sie lang für ein interessantes Phänomen, das man aus der Ferne betrachtete. Nötig ist eine Neubestimmung, wie es sie zuletzt in den 70er Jahren gab, und die 2021 auch die klügsten Köpfe in der Union nur vage umreißen können. Dass dieser Aufbruch nach vorne mit Merz, dem Retro-Mann mit dem gigantischen Ego, gelingt, wäre eine Überraschung.
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