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Frieden in der UkraineEuropa ist falsch aufgestellt

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

Die europäischen Regierungschefs sind sich in der Frage nach gemeinsamen Friedenstruppen uneinig. Ihre Planlosigkeit schadet besonders der Ukraine.

Macron und Starmer beim demonstrativen Handshake vor dem Élysée-Palast Foto: Aurelien Morissard/ap

E in historisches Treffen sollte es werden. Nach dem transatlantischen Waterloo bei der Münchner Sicherheitskonferenz wollte Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron die Europäer für die nächste Schlacht rüsten – den Kampf um einen gerechten Frieden in der Ukraine. Mit europäischen Friedenstruppen, so seine Hoffnung, werde die EU doch noch einen Platz am Verhandlungstisch erobern. Diese Hoffnung wurde enttäuscht.

Zwar hat sich der britische Premier Keir Starmer an Macrons Seite geschlagen: Er erklärte sich bereit, „bei Bedarf“ britische Truppen zu stellen, um eine Waffenruhe in der Ukraine abzusichern. Doch Deutschland und Polen sagten Nein. Die Debatte sei verfrüht, erklärte Kanzler Olaf Scholz. Erst einmal müsse Frieden herrschen, danach könne man weiter sehen. Die Europäer sind uneins, Macron hat sie sogar gespalten. Denn die meisten EU-Länder waren nicht einmal zum Krisengipfel im Élysée-Palast geladen worden.

Mit seiner Hauruck-Methode, bei der auch der polnische EU-Vorsitz übergangen wurde, hat Macron mehr Schaden angerichtet als Sinn gestiftet. Denn Scholz hat recht: Welchen Sinn soll es haben, den zweiten Schritt vor dem ersten zu gehen? Und was bringen Friedenstruppen, an denen die USA nicht beteiligt sind? Sollen die Europäer am Ende den Kopf hinhalten, während sich die Amerikaner davonschleichen? Sollen sie die Zeche für einen Diktatfrieden zahlen, den US-Präsident Donald Trump im Alleingang mit Kremlchef Wladimir Putin ausgehandelt hat?

Das kann es wohl nicht sein. Macron hat seine Truppen falsch aufgestellt. Aber auch Scholz hat sich vergaloppiert. Der scheidende Kanzler hat nämlich gar keinen Plan. Genau wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat er sich bis zuletzt blind auf Ex-Präsident Joe Biden verlassen und gehofft, man könne Putin mit Waffengewalt an den Verhandlungstisch zwingen. „Verhandlungen nur aus einer Position der Stärke“, hieß das Credo – es ist gescheitert.

Die Europäer haben zu lange gezögert

Nun muss eine geschwächte Ukraine versuchen, das Beste aus der verfahrenen Lage zu machen. Die Europäer werden ihr dabei kaum helfen können – sie haben sich ins Abseits manövriert. Drei Jahre lang haben sie sich geweigert, selbst einen diplomatischen Vorstoß zu machen und eigene Friedenspläne zu schmieden. Die Initiative könne nur von Kyjiw ausgehen, hieß es in Brüssel.

Jetzt geht sie von Washington aus – von einem US-Präsidenten, der der EU alles andere als wohlgesonnen ist. Allerdings hat Trump, so weit sich erkennen lässt, auch keinen Plan. Die Europäer könnten daher durchaus noch einmal zum Zuge kommen. Hoffentlich sind sie dann besser aufgestellt – und setzen nicht nur auf Waffen, Truppen und Aufrüstung.

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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16 Kommentare

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  • Scholz liegt falsch, denn wenn es irgendwann wirklich mal dazu kommen sollte, dass europäische Truppen gebraucht würden, um den Frieden zu sichern, dann müssten bereits jetzt die Vorbereitungen dafür getroffen werden.

    In der jetzigen Situation wird es aber nicht dazu kommen, denn Russland ist militärisch immer noch auf der Siegerstraße, auch wenn das russische Militär einen horrenden Blutzoll für die wenigen Quadratkilometer zahlt, die es pro Monat erobert. Da es aber für Russland militärisch immer noch vorangeht, ist Moskau überhaupt nicht in der Situation, um europäische Truppen auf dem von ihm anvisierten Beuteland akzeptieren zu müssen. Erst wenn Russland auf dem Schlachtfeld nichts mehr gewinnen kann, sind die Voraussetzungen gegeben, um einen akzeptablen Frieden für die Ukraine herzustellen.

  • Was mich an all dem Ärger ist die Planlosigkeit und mangelnde Voraussicht der europäischen Politiker. Man hätte sich bereits vor Monaten auf den Ernstfall einstellen könnenen und Strategien entwickeln sollen. Trump hat immer wieder gesagt, das es mit ihm kein Geld für die Ukraine gibt. Spätestens bei seinem Wahlsieg hätte man sich also einen Kopf machen können. Aber davon abgesehen ist doch lange klar, dass die Ukraine allein wenn es um Soldaten und deren Nachschub aus dem eigenen Land geht, schon auf dem Zahnfleisch gelaufen ist. Keiner war bereit eigene Truppen zu schicken, das hätte sich wohl auch in Zukunft nicht geändert. Ob Waffen allein einen Sieg gebracht hätten, ist fraglich. Also von welcher Position der Stärke wollte man denn verhandeln? Je länger der Krieg dauerte, desto schwächer wurde doch die Position der Ukraine.



    Das zeigt eben auch wie gefährlich es ist wenn man sich von einem Staat abhängig macht. Man vergisst eben auch immer das diese Weltpolizei von amerikanischen Steuerzahlern finanziert wird, das da viele keine Lust mehr drauf haben kann ich auch verstehen v.a. wenn man sich den Zustand der USA anschaut- nicht das Trump daran was ändert wird!

  • Soso, "Allerdings hat Trump, so weit sich erkennen lässt, auch keinen Plan. "



    Natürlich hat Trump einen Plan, die europäischen Politiker (und Journalisten) können allerdings nicht über ihren Tellerrand hinausschauen und sehen daher "the big picture" nicht. Wer ist der größte Gegner der USA? Natürlich China. Durch den UA-Krieg und die westlichen Sanktionen hat der Westen Russland an die Seite Chinas gedrückt und dadurch Chinas Macht noch gestärkt. Trumps primäres Ziel muss es daher sein, diese Achse Moskau-Peking zu brechen. Die Ukraine ist hier schlicht nur noch Verhandlungsmasse, die Europäer sind mit ihrer Kurzsichtigkeit auf die hinteren Ränge verbannt. es wird so kommen wie es kommen muss: die russischen Gebietsanforderungen und andere Bedingungen (kein NATO- oder EU Beitritt usw) werden erfüllt, es gibt eine Restukraine, und Europa darf die Kosten dafür bezahlen. Dafür nähern sich Russland und die USA wieder an, und die USA haben China geschwächt. Tut mir leid, aber wenn man nicht weiter blicken kann als auf Selenski´s nächste Einladung nach Kiew dann passiert sowas halt.

  • Das ist ein katastrophal schlechter Tag für den Frieden in Europa. Und der Anfang vom Ende des Linksliberalismus. Nur hat das wohl noch nicht jeder gemerkt.

    • @Per Nachname:

      Was verstehen Sie unter Linksliberalismus und woran erkenne ich seinen augenblicklichen Zustand?

  • Scholz: ""Die Debatte sei verfrüht""



    ==



    Außenminister Russlands Lawrov und der Vizeaußenminister Gruschko haben erklärt:



    1.....""Eine Rolle der EU bei Verhandlungen über eine Vereinbarung zur Ukraine ist ausgeschlossen.""

    2.....Einsatz einer Friedenstruppe aus Europa in der Ukraine lehnte Gruschko ebenfalls ab. Es sei ein eskalatorischer Schritt, unabhängig davon, in welcher Form ein Einsatz ablaufen würde.

    3,,.Gruschko erklärt darüber hinaus: "" Wenn die EU zum Frieden in der Ukraine beitragen wolle, müsse sie aufhören, Waffen zu liefern.""

    Da die Welt auf dem Kopf steht bestimmt der Vergewaltiger die Regeln der Verhandlungen.

    Putins Motiv: Im 1. Schritt 20 % des Staatsgebietes der Ukraine abzutrennen als auch den Zugang zum Asowschen Meer & gleichzeitig die Ukraine wehrlos zu machen indem Putin verhindert das die EU Waffen an die Ukraine liefert.

    Ist damit endlich die Frage geklärt ob es Scholz hätte gelingen können Verhandlungen mit Putin durchzusetzen?

    Scholz, von der Leyen und die EU kümmern sich seit Wochen um die Finanzierung der Aufrüstung Europas inklusive der Ausweitung der Produktionskapazitäten.

    So planlos scheinen mir diese Aktivitäten nicht zu sein.

  • Was jetzt kommt, weiß vermutlich keiner so recht, also keiner hat einen Plan, den er von A bis Z durchziehen könnte.



    "Hoffentlich sind sie (die Europäer) dann besser aufgestellt – und setzen nicht nur auf Waffen, Truppen und Aufrüstung." Worauf denn dann setzen? Wenn ich mich zu diplomatischen Verhandlungen mit jemandem an einen Tisch setze, dann muss ich etwas anzubieten haben. Nennt man "Stärke". Also etwas, was dem anderen eine Reaktion oder Bewegung abverlangt.



    Anders ausgedrückt: "Si vis pacem para bellum."



    Die EU gleicht indes derzeit einem Hühnerhof, kurz nachdem der Fuchs vorbeigeschaut hat.

  • "Europa ist falsch aufgestellt"



    Das ist leider wahr, und das nicht nur Verteidigungstechnisch, sondern auch bei Sozialem, Migration, Wirtschaft,...



    Die Performance von Brüssel mag hoch sein, doch ist es auch ein Meisterwerk der Bürokratie und unnötiger Komplexität.

  • Das eigentliche Problem der Europäer ist doch eher, dass niemand für eine starke Staatsgemeinschaft, sondern alle nur für einen kleinen Teil einer außenpolitisch und militärisch eher losen Staatengemeinschaft sprechen können. Selbst für den sehr unwahrscheinlichen Fall, dass man alle führenden Köpfe auf eine Linie bringen könnte, gäbe es keine Möglichkeit die Beschlüsse gegen einzelstaatliche Parlamente einheitlich durchzuführen. Diese Probleme hat kein amerikanischer Präsident und diese Schwäche nutzen autokratische Herrscher mit diktatorischen Möglichkeiten. Wenn Europa die russischen, amerikanischen und ggf. chinesischen Begehrlichkeiten wirklich effektiv stoppen will, muss es seine außenpolitische Kleinstaaterei endlich überwinden.

  • "Drei Jahre lang haben sie sich geweigert, selbst einen diplomatischen Vorstoß zu machen und eigene Friedenspläne zu schmieden."



    Immer wieder derselbe substanzlose Mythos von den verpassten Verhandlungsmöglichkeiten. Die Europäer sind und waren grundsätzlich nicht bereit, die Souveränität der Ukraine zur Disposition zu stellen (wie weit Trump hier gehen würde, wird sich erst noch zeigen). Ebenso wenig, sich in eine Art Kiew III hineinlullen zu lassen, das möglicherweise nur dazu dient, Russland eine militärische Atempause zu verschaffen, um danach einfach weiterzumachen. Schließlich begibt man sich mit der Akzeptanz russischer Eroberungen und Forderungen auf eine ganz schiefe Bahn, weil dies letzlich auch auf die Akzeptanz eklatanter Völkerrechtsbrüche und gewaltsamer territorialer Verschiebungen hinausliefe. An all diesen gerade für die Sicherheit in Europa essentiellen Maßgaben hat sich nichts geändert.



    Für Trump ist das aber irrelevant. Und Putin gibt sich derzeit so zahm, nicht nur, weil in seiner Weltsicht ohnehin nur die USA der einzig adäquate Verhandlungspartner sind, sondern weil er hofft, mit Hilfe von Trump seine eigentlichen Ziele doch noch umsetzen zu können.

    • @Schalamow:

      Sorry, Minsk III muss es natürlich heißen.

  • Ob Trump eine Strategie hat oder nicht, er "agiert und versucht Entscheidungen herbeizuführen".



    Klar ist: Er möchte die seltenen Erden im Wert von 500 Mrd. abbauen und der Agressor hat auch daran Interesse? Sind ja schließlich geschätzte 6,5 Mrd. Wert. Die Gebiete sind zufällig im Osten der Ukraine ...



    Wer könnte diese Gebiete besser bewachen als die USA? Oder geteilt: eine Seite USA, die andere Seite Russland?

    Wer jetzt erzählt, man müsste etwas an den Tisch mitbringen, irrt ggf.?



    Selensky hat Trump gegen Unterstützung seltene Erden angeboten. Kann man verstehen. Aber das galt zukünftiger Unterstützung und nicht der Bezahlung der Vergangenheit? Also Vorsicht mit Angeboten!

    Ob Europa schlecht aufgestellt ist, weil ein Verbündeter auf einen Schlag alle bisherigen Vereinbarungen aufkündigt? Man kann jeden schlecht dastehen lassen, wenn man nicht informiert, ingnoriert und verhandelt. Man muss auch Staatoberhäuptern zugestehen, das sie sich mal kurz schütteln, ob dieser offensichtlich unerwarteten Situation.



    Danach geht man an die Arbeit und schaut, was man gemeinsam stemmen kann, ohne Angebote!!



    Medien sollten sich etwas zurückhalten. Europa braucht jeden positiven Spirit!

  • Insbesondere der Schlußsatz "und setzen nicht nur auf Waffen, Truppen und Aufrüstung." geht völlig an der Realität vorbei. Warum ist Europa jetzt im Abseits und kann nur zuschauen, wie die historische Entwicklung über unsere Köpfe hinweg geht? Hätten wir mehr "Waffen, Truppen und Aufrüstung", dann wären wir und die Ukraine nicht abhängig von den USA, und wenn Trump die Hilfe für die Ukraine stoppt, könnten wir einfach einspringen, und die ausbleibenden amerikanischen Waffenlieferungen durch erhöhte eigene Lieferungen kompensieren, und dadurch die Ukraine in eine Situation bringen, wo sie aus einer Position der Stärke und nicht der Schwäche in die Verhandlungen gehen kann. Weil dem aber nicht so ist, deswegen ist Europa macht- und einflußlos. Verschlimmert wird das durch das Verhalten von Scholz. Macron hat mit seiner Initiative absolut Recht: Würde Europa jetzt, solange die Dinge noch im Fluß sind, initiativ werden, und ein Konzept für Friedenstruppen zur Absicherung eines Waffenstillstands vorlegen, dann hätten wir wenigstens wieder einen Fuß in der Tür. Jetzt ist der Zeitpunkt, um über Friedenstruppen zu reden. Auch wenn es Scholz nicht ins Wahlkampfkonzept paßt.

  • Zunächst wäre es erst einmal hilfreich EU intern Gespräche zu führen, ohne gleich konkrete Beschlüsse fassen zu wollen und zu müssen.



    Welchen Sinn hat diese Art von Diplomatie, wenn Macron über die Medien seine Pläne streut und Polen und D dann über die Medien ablehnen. Diese Art vom "Nur Maximallösungen sind akzeptabel", verhindert doch eine europäische Position.



    Erst einmal sammeln und dann Pläne machen.



    DIe EU ist eh auße vor, wird aber die Konsequenzen tragen müssen, egal was nun in der Ukraine geschieht. Allein dafür lohnt es sich abzustimmen und strategisch aufzustellen.



    Wenn man niichts in der Hand hat, sind Maximallösungen sowieso nur Symbolik. Es braucht aber konkrete Strategien, der kleinen Schritte, um nicht irgendwann vor einer Mauer zu stehen.

    • @nutzer:

      Eine Video Konferenz zumindest mit allen EU-Mitgliedstaaten hätte zumindest den Anschein von ein wenig Kompetenz vorgeben können.



      Aber so ? Nur enttäuschend für alle Menschen - die sich als Europäer fühlen....

      • @Alex_der_Wunderer:

        Wenn eine "Video-Konfernez ... mit allen EU-Mitgliedstaaten" und der dann versammelten Kompetenz auch in gleichem Maße Effektivität bedeuten würde, könnte ich zustimmen. Die Wahrheit ist aber, dass selbst wesentlich harmlosere Vorhaben, bei denen nicht über die Existenzberechtigung eines Kontinents verhandelt wird, Jahr um Jahr vernutzen und am Ende immer noch nicht ganz sicher ist, ob wirklich alle mitmachen möchten und der Reigen von neuem beginnt.