piwik no script img

Frieden, Grauen, Würste, SicherheitDas Maul nicht voll bekommen

Die Woche mit dem Bürgergeld in neuem alten Gewand, EU-Spionagegelüsten, Trump als Friedensstifter, die „Vurst“ als Sprachsymbol und sicherem chatten.

Wie würden Sie ihre Veggie-Wurst in Zukunft nennen? Foto: Joko/imago

t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Die Ungewissheit.

taz: Und was wird besser in dieser?

Küppersbusch: Hoffentlich die richtige Gewissheit.

taz: Hätten Sie Trump eher den Friedens-, den Literatur- oder den Dealernobelpreis gegeben?

Küppersbusch: Der Krieg Netanjahus in Gaza wäre ohne US-Rüstungsgüter und politische Rückendeckung nicht möglich gewesen. Im Iran bombte Trump mit, bei anderen Aggressionen Israels spielte die US-Luftraumüberwachung eine zentrale Rolle. Kurz: Wenn ein Preis hilft, dass Krieger mit dem Krieg aufhören, sei’s drum.

taz: Waffenstillstand in Nahost. Hat die Hamas jetzt fertig?

Küppersbusch: „Denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied derer, die mich hassen.“ 5. Buch Mose Vers 5.9. Das deckt sich mit Erkenntnissen der Hirnforschung, wonach Traumata bis in die vierte nachfolgende Generation wirken, auch wenn die Nachfahren die Grauen des Kriegs selbst nicht erlebt haben. Ich aber sage Euch: Ja, weg mit Hamas, mit all dem Terror gegen Israel; doch was auf dem Weg dahin angerichtet wurde, ist so nicht zu heilen.

taz: Bürgergeld heißt jetzt Grundsicherung. Ändert sich sonst noch was?

Küppersbusch: Sozialhilfe, Arbeitslosengeld II, Hartz IV, Bürgergeld, nun Grundsicherung: Vielleicht können wir das einfach auch künftig wieder „Wurst“ nennen. Der Verlauf illustriert nichts von der Not in einer reichen Gesellschaft und viel davon, wie Arme gesehen werden sollen. Weniger als 1 % der Berechtigten waren 2023 „Totalverweigerer“, doch sie interessieren deutlich mehr als die weniger als 1 % Superreiche, bei denen es leider nichts zu holen gibt. Ausgerechnet eine schwarz-rote Koalition lässt die Chance sausen, „oben und unten“ etwas zu holen – das ist ein Bankrott der politischen Geste.

taz: Wie nennen Sie Ihre Veggie-Wurst ab jetzt?

Küppersbusch: Ist doch einfach: „Vurst“. Kann man aussprechen, wie man will, und dann ist Ruhe im Regal. Die Konservativen argumentierten gegen „irreführende Bezeichnungen“ und wollten die „Arbeit der Landwirte anerkannt“ sehen. Also genau die rechten Sprachbewahrer, die irreführende Bezeichnungen bei Menschen dufte finden, geschlechtliche Vielfalt nicht benennen wollen und den ganzen Tag auf Gendersprache einhassen. Eine gute Nachricht: Gerechte Sprache – bei Vurst geht’s. Tiefere Wahrheit wird sein, dass dem Volk das Maul nicht zu stopfen ist, nicht mal mit Egal-was-drinne-ist. Viele werden Vegankram weiter „Wurst“ nennen und viele werden nicht gendern, egal wie ihnen die Chromosomen gewachsen sind. Eine schöne Mahnung an alle, die im Übereifer übergriffig werden: Ich mag keine Zunge. Außer meiner eigenen.

taz: Am 14. Oktober stimmt die EU darüber ab, ob die Chatkontrolle kommt. Wie werden Sie in Zukunft sicher kommunizieren?

Küppersbusch: Hab ich das je? Der neue Vorschlag fordert, dass alle Messenger-Dienste Hintertüren einbauen, durch die sie auf staatlichen Befehl in der Kommunikation ihrer User spionieren können. Also Bilder, Videos und Links vor der Verschlüsselung abgreifen können. Dieser unfromme Wunsch unterstellt, dass sie das nicht längst tun oder doch technisch können. „Signal“ will eher die EU verlassen als mitmachen, andere schweigen auffallend. Wie bei so ziemlich jedem Eingriff in Datenschutzrechte wird mit dem Kampf gegen Kinderporno argumentiert; und wie jedes Mal wird einem schwindelig bei der Ahnung, was autoritäre Regimes damit noch alles anstellen können. Ich hasse diese Choreo, dass man eigentlich für sexualisierte Gewalt gegen Kinder ist, wenn man für freie Kommunikation eintritt. Das schreib ich aber überall.

taz: Fast je­de*r Zehnte schaut auf Social Media gerne Beiträge mit Reinigungstipps. Was und wie würden Sie gerne mal für TikTok putzen?

Küppersbusch: Viele Leute mampfen auch Pizza aus der Pappe, während sie TV-Sterneköchen beim Premiumschmoren zugucken. Es ist schlicht befriedigend zu sehen, wie die virale „Toilettenbombe“ und der irre Lifehack gegen Pfannenkruste Magie erzeugen. Ich hab mal für einen Teaser bei Youtube mein Fahrrad geputzt und bin von wissenden Usern völlig zu Recht niedergepostet worden – Schaum an der Kette, zu harter Wasserstrahl. Putze seitdem nur noch privat.

taz: Und was macht der RWE?

Küppersbusch: Nach einer Pyro-Show, die man vermutlich vom Weltraum aus sehen konnte, schlug Viertligist RW Oberhausen Drittligist RW Essen im Niederrhein-Pokal. Die Clubs sind Abt. „Zwillinge, bei Geburt getrennt“ und entsprechend verfeindet. Reicht wieder für ein Jahr doof finden. Fragen: tazzwei

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Friedrich Küppersbusch
Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".
Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • "Die Konservativen argumentierten gegen „irreführende Bezeichnungen“ und wollten die „Arbeit der Landwirte anerkannt“ sehen."

    Das sind doch wieder die typischen Ablenkungsmanöver für die einfältigen und Bild Leser in unserem Land.



    Wir haben keinerlei andere überaus wichtigere Probleme in unserem Land wie das Rentensystem, das Gesundheitssystem, die Bildung, die Steuerhinterziehung, die Infrastruktur, die Bahn, die Kitas, momentan die Schwäche unserer Wirtschaft, die Vermögensverteilung, die Liste kann man ewig noch so weiter fortsetzen!

  • Bayerns Ober " Vursti " sollte sich mal lieber an unser Grundgesetz halten, anstatt sich von der Angst treiben zulassen, nicht genug Vurst auf sein Tellerchen zu bekommen...



    search.app//Lrsna

    • @Alex_der_Wunderer:

      Ich hoffe nur das beim Bayerischen Ober "Vursti", das die Natur bei ihm sehr zeitnah das tut was es tut bei übermäßigem Fleischkonsum.

  • Ich schlage vor, die Tradition von "Sozialhilfe, Arbeitslosengeld II, Hartz IV, Bürgergeld, nun Grundsicherung" mit einer weiteren und dann dauerhaften Umbenennung in "IrmGard", Irgendwas mit Geld (das ard am Ende dient der vereinfachten Aussprache im Sinne von Vereinfachte Ausgangsschrift), abzuschließen.

  • Küppersbusch: *Sozialhilfe, Arbeitslosengeld II, Hartz IV, Bürgergeld, nun Grundsicherung: Vielleicht können wir das einfach auch künftig wieder „Wurst“ nennen.*

    Das wunderte mich auch, dass der Black-Rocker seine reichen Freunde 'wieder mal ungeschoren' lässt und sich lieber auf die Armen konzentriert, aber in Bayern macht der "Bratwurstkönig" ja auch immer 'Wurstpolitik' für die Reichen.

    Und gegen die AfD kann der Black-Rocker ja leider auch immer noch nichts machen. Genauso wenig, wie gegen den Unions-"Masken-Mann", der schon wieder 'obenauf' ist und "voll maskiert" sich wohl gerade neue Schlechtigkeiten ausdenkt.

    Aber wenigstens haut der Black-Rocker jetzt ordentlich auf die ganz Armen ein - und darüber freut sich das 'kleine Bürgerlein' ganz besonders, denn da darf er/sie auch wieder kräftig mit 'nach unten treten'.

  • Soso, die Hirnforschung will also mal wieder was gezeigt haben, diesmal bis ins vierte Glied vererbte Krebserkrankungen bei süßen Glupschaugenrobbenbabies. Ach was, es waren Traumata. Leutchens, wer sowas glaubt, hat noch nie was von der Replikationskrise gehört, Lesetipp: Voodoo correlations neuroscience googlen (den hübschen Titel mussten sie in was Wokeres ändern). Aber klar doch, in 20 Jahren ham wa den Alzheimer besiegt usw

  • Mensch Küppi, Bürgergeld, Kriege & Rentenkasse - alles Hüte von yesterday - als nächstes gibt die Springerpresse den Politikern den bezahlen Urlaub der Arbeitnehmer, als Thema vor. Arbeit soll sich doch wieder lohnen. Wir freuen uns schon auf gelunge, unterhaltsame Talkshows in den öffentlichen rechtlichen Sendern...

  • Das gibt noch Fotos mit SÖDERVURST,



    Ansonsten Herrgottsbscheißerle (by hurt, thank You Starkruser)

  • Liebe Ministerin Bärbel Bas (SPD),

    im Frühjahr des Jahres trauten Sie sich was:



    „Alle sollen in die Rentenkasse einzahlen, Politiker und Beamte auch“. Sie gingen den Privilegierten an den Kragen.



    Für einige Wochen waren sie die Heldin der Sozialdemokratie.



    Im Herbst der Reformen kuschen sie vor den Privilegierten.



    Sie treten nach unten, nach Bürgergeldempfängern.

  • "Nach einer Pyro-Show, die man vermutlich vom Weltraum aus sehen konnte, schlug Viertligist RW Oberhausen Drittligist RW Essen im Niederrhein-Pokal. Die Clubs sind Abt. „Zwillinge, bei Geburt getrennt“ und entsprechend verfeindet."



    Ich erinnere mich an Äußerungen "von ganz früher", dass man !immer einen Regenschirm dabei haben sollte. Ist heute allerdings out.



    ksta.de:



    "Das Niederrheinderby zwischen RWO und RWE verlief weitgehend friedlich. Die Polizei verhinderte durch starke Präsenz größere Auseinandersetzungen.



    Das Niederrheinderby zwischen dem SC Rot-Weiß Oberhausen und Rot-Weiß Essen ist am Samstag (11.10.) aus polizeilicher Sicht weitestgehend friedlich verlaufen. Vor rund 10.000 Zuschauerinnen und Zuschauern konnte sich Rot-Weiß Oberhausen mit einem 3:2-Sieg den Einzug in das Achtelfinale sichern. Ein umfangreiches Sicherheitskonzept und eine starke Polizeipräsenz sorgten dafür, dass es nur zu vereinzelten Zwischenfällen kam."



    Das war nicht nur teuer f. RWE, denn schmerzhafte Einnahmeverluste stehen zu Buche, es gab sicherlich auch wieder "ordentlich" Überstunden bei Beamt:innen.



    Gehört z. Derby dazu.



    Hist. 50 Jahre Fußball-BL: Vier Jahre davon zwischen 1969 und 1973 mit RWO