Forderung der NRW-SPD: Ultimatum für Martin Schulz
Vor dem Bonner Groko-Parteitag machen Spitzengenossen aus NRW Druck auf Martin Schulz. Sie fordern das Ende der sachgrundlosen Befristung von Jobs.
Führende Genossen in NRW mühen sich derzeit dieses Ziel zu erreichen, ohne den wankenden Parteichef Martin Schulz bloßzustellen. Wie die taz aus verschiedenen Quellen erfuhr, wollen GenossInnen aus NRW keinen eigenen Antrag stellen, sondern versuchen, Schulz davon zu überzeugen, das Ende der sachgrundlosen Befristung selbst in den Leitantrag für den Bundesparteitag einzufügen und damit zur Bedingung einer Großen Koalition zu machen. „NRW hat sich schon immer als Brückenbauer verstanden“, heißt es dazu aus der SPD-Zentrale in Düsseldorf.
Damit soll die massive Kritik der Basis an den Sondierungsergebnissen eingedämmt werden. „Wir fürchten, dass es die SPD bei einer Neuauflage der Groko in 20 Jahren nicht mehr gibt“, sagt der Landesvorsitzende der Jusos, Freddy Cordes. Nicht nur die Parteibasis und Jusos an Rhein und Ruhr fürchten, ihre Partei könne nur als bedeutungsloses Anhängsel der Merkel-CDU wahrgenommen werden.
Auch führende Sozialdemokraten wie der Vizeparteichef in NRW, Marc Herter, Exinnenminister Ralf Jäger oder Landtagsfraktionsvize Thomas Kutschaty sind skeptisch: „Es müsste schon etwas Sensationelles passieren, um mich von der Groko begeistern zu können“, meinte Kutschaty im Kölner Stadtanzeiger. „Ich persönlich finde das Sondierungsergebnis enttäuschend“, schreibt Jäger auf Facebook: „Das ist für die SPD eine schwierige Situation.“
Ohne NRW kein Ja
Als Erster hatte SPD-Vize Ralf Stegner gefordert, dass die SPD nur mit der Abschaffung der sachgrundlosen Befristung mit der Union eine Bündnis schließen solle.
Ohne Unterstützung aus NRW ist auf dem Bonner Parteitag kein Ja zur Groko in Sicht: Der mit 110.000 Mitgliedern stärkste Landesverband stellt 144 der 600 Delegierten. Widerstand angekündigt haben auch die GenossInnen aus Thüringen, Sachsen-Anhalt und Berlin.
Sachlich spricht viel für den NRW-Vorstoß. Rund 3 Millionen Menschen haben in Deutschland nur ein befristetes Arbeitsverhältnis. Die Zahl wächst. Denn rund 40 Prozent aller neuen Jobs sind mittlerweile befristet. Bei der Hälfte der Millionen Zeitverträge geben Firmen, Universität oder Stiftungen keinen sachlichen Grund an. Dabei haben Arbeitgeber laut Gesetz acht weit gefasste Möglichkeiten, Jobs zu befristen.
Besonders übel, so die Gewerkschafter, sind Ketten von Zeitverträgen – de facto ein Trick, um Arbeitnehmer, die eigentlich normale Arbeitsverträge bekommen müssten, schlechter zu bezahlen und leichter disziplinieren zu können. Deshalb wollen SPD, Grüne und Linkspartei die sachgrundlose Befristung abschaffen – doch die Union mauert.
SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles warnt indes davor „Illusionen“ zu nähren. „Wir haben während der Sondierung tagelang über die Bürgerversicherung oder die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverhältnissen verhandelt“, so Nahles in einem Interview. „Die Union will das unter keinen Umständen.“
Am Nachmittag tritt Martin Schulz nach Gesprächen mit Gewerkschaftsvertretern im Willy-Brandt-Haus vor die Presse: In Punkto sachgrundlose Befristung hält er den Ball flach. „Das hat eine Rolle gespielt in den Gesprächen mit der Gewerkschaftsspitze“, sagt er. Aber selbst Parteivize Ralf Stegner habe bei dem Thema ja keine rote Linien gezogen. „Wir werden mit der Union natürlich darüber reden – in Koalitionsverhandlungen“, sagt Schulz. Nach einer harten Bedingung klingt das beim SPD-Chef nicht.
Kanzlerin Merkel betonte, die Union habe bei den Sondierungen bereits „herbe Konzessionen“ gemacht. Die Union hat bereits der Wiederherstellung der Parität im Gesundheitssystem zugestimmt, die Arbeitgebern im Jahr rund 6 Milliarden kostet – die Arbeiternehmer sparen. Dass die Union nun ihre Haltung zur sachgrundlosen Befristung ändert, ist derzeit unwahrscheinlich.
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