piwik no script img

Förderung sozialer WohnungsbauSozialwohnung deluxe

Der Senat will den Berechtigtenkreis für Sozialwohnungen auf höhere Einkommen ausdehnen: im Sinne der Investoren und zulasten der Armen.

Nicht jede Sozialwohnung hat so einen schönen Ausblick Foto: Imago/Zoonar.com/elxeneinze

Berlin taz | Der schwarz-rote Senat will die Förderung des sozialen Wohnungsbaus neu ausrichten. Mit dem Ziel, die Förderung für private Investoren attraktiver zu machen, sollen die Einstiegsmieten für Sozialwohnungen steigen – vor allem zu Lasten der untersten Einkommensschichten. Entsprechende Pläne stellte Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) am Montag im Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen vor. Schon in zwei Wochen soll die neue Richtlinie im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses behandelt werden und danach in Kraft treten.

Kernpunkt ist die Einführung eines neuen Fördersegments, das auf mittlere Einkommen zielt und die bisherigen zwei Arten von Sozialwohnungen ergänzt: jene, für Menschen mit einem Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein (WBS) 140, also einem maximalen Ein-Personen-Haushaltseinkommen von 1.400 Euro monatlich, sowie jene, für Mie­te­r:in­nen mit einem WBS 180 und einem Einkommen von höchstens 1.800 Euro. Zukünftig soll es zusätzlich die Förderung für Sozialwohnungen für WBS-220-Berechtigte geben, also die breite Mittelschicht der Stadtbevölkerung bis zu einem Einkommen von 2.200 Euro.

Waren bislang etwa 50 Prozent der Berliner Haushalte WBS-berechtigt, werden es zukünftig etwa 70 Prozent oder circa 1,3 Millionen Haushalte sein. Demgegenüber stehen deutlich unter 100.000 verbliebene Sozialwohnungen, von denen jedes Jahr weitere verloren gehen, weil sie aus der Sozialbindung fallen. Die Grünen-Mietenexpertin Katrin Schmidberger kritisiert: „Mehr WBS-Berechtigung schafft auch keine neue Wohnung.“

Unverändert hält der Senat am Ziel fest, dass jährlich 5.000 neue Sozialwohnungen gebaut werden sollen – zukünftig aber eben nicht mehr nur für die Ärmsten, sondern auch für ihre klassische Mittelstandklientel aus Angestellten oder Polizist:innen. Günstig wird das aber nicht: Die Einstiegsmieten für diese Sozialwohnungen sollen bei 11,50 Euro pro Quadratmeter liegen und dann jährlich um 30 Cent steigen. Teurer wird es auch in den tieferen Etagen: 7 Euro statt 6,60 im ersten Segment, 9,50 Euro statt 9 im zweiten.

Die Ärmsten verlieren

Der mietenpolitische Sprecher der Linken, Niklas Schenker, kritisiert die Pläne: „Die Erweiterung der Anspruchsberechtigten schafft eine massive Konkurrenzsituation. Arme Menschen werden gegen Besserverdienende ausgespielt.“ Auch Schmidberger befürchtet: „Das neue dritte Segment geht zu Lasten des untersten. Die soziale Ungleichheit in der Wohnungspolitik droht zuzunehmen.“ Womöglich können sich Bauherren, zumindest außerhalb von Projekten der kooperativen Baulandentwicklung, das größere Neubauvorhaben reguliert, zukünftig sogar aussuchen, welche Art von Sozialwohnungen sie bauen.

Bislang tragen private Bauunternehmen quasi nicht zum Bau neuer Sozialwohnungen bei – etwa 90 Prozent der im letzten Jahr fertiggestellten 1.700 Sozialwohnungen errichteten landeseigene Wohnungsbaugesellschaften. Dem will der Senat nun neben dem Anreiz, auch teure Sozialwohnungen zu bauen, mit viel Geld begegnen: 1,5 Milliarden Euro, doppelt so viel wie bisher, sollen jährlich an Fördergeldern zur Verfügung gestellt werden, eine einzelne Wohnung kann mit 300.000 Euro bezuschusst werden. Ein altes Problem aber bleibt: Nach 30 Jahren läuft die Förderung aus, dann drohen plötzliche hohe Mietsteigerungen. Dazu sind auch vorzeitige Ablösungen der Darlehen möglich.

Schenker sagt: „Mit allen Mitteln wird versucht, attraktive Bedingungen für Investoren zu schaffen.“ Sinnvoller sei es, mit dem Geld die landeseigenen Gesellschaften zu ertüchtigen, selbst mehr als 5.000 Sozialwohnungen zu bauen, die dann auch langfristig zur Verfügung stünden, so Schenker.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

23 Kommentare

 / 
  • Die Regierung im Land oder im Bund gibt unser Geld aus für Projekte, die teilweise abenteuerlich sind.



    Ich nenne das "Wundertüten-Demokratie" frei nach Forrest Gump.

    Was tut diese neue Berliner Regierung mit unserem Geld, um der Mehrheit ein besseres Leben zu verschaffen?



    Krankenhaus, Schulen, Ämter, WOHN UNGEN, Kriminalidtätsbekämpfung????.

    Wo sind die Erfolge? Ziel und Wirklichkeit - jedes Jahr sollte es eine Auflistung dazu geben.

  • Hört sich für mich nach einem Trick an!

    Leute, baut Platte. Das geht schnell und kostet nicht so viel.

  • Trotzdem Schwachsinn,



    denn gegen Wohnungsmangel hilft nur Wohnungen bauen und keine neuen Verteilungsschlüssel zu definieren.



    Also baut mal, ihr habt ja so viele neue Wohnungen versprochen und nichts gehalten.

  • Die Grünen-Mietenexpertin Katrin Schmidberger kritisiert: „Mehr WBS-Berechtigung schafft auch keine neue Wohnung.“

    Die Expertin ist doch in der Partei, die in den letzten beiden Regierungen saß. Ja, wo sind denn die neuen Wohnungen von den Grünen geschaffen worden, als deren Fördervorgaben umgesetzt waren?

    • @eicke81:

      Eine absolut berechtigte Frage!



      Frau Schmidberger, antworten Sie doch bitte!

  • Frei finanzierte Wohnungen sind so teuer, dass die Arbeiterklasse sie sich nicht leisten kann. Wenn aber wichtige Aufgaben besetzt werden sollen, müssen die Kandidaten Wohnungen in der Nähe ihrer Arbeit bekommen. Sonst gibt es eben keine Kindergärtnerin, Polizisten, Straßenbahnfahrer...



    Im Zeitalter des Fachkräftemangel lassen sich tüchtige Leute nicht mit 1,5h PKW-Pendelzeit pro Richtung in den Speckgürtel verbannen, sondern suchen sich anderswo Arbeit.



    Bislang war die untere Mittelschicht am meisten benachteiligt: gerade eben zu reich für Förderung und trotzdem zu arm für die hohen Kosten.

    • @Christoph Strebel:

      “ Sinnvoller sei es, mit dem Geld die landeseigenen Gesellschaften zu ertüchtigen, selbst mehr als 5.000 Sozialwohnungen zu bauen, die dann auch langfristig zur Verfügung stünden, so Schenker."

      Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften verfügen auch über Eigentumswohnungen.



      Der Alt-Bausenator Geisel wollte preiswerte Mietwohnungen als Eigentum verkaufen lassen, um Geld zu akquirieren.



      Im Gegenzug wurden die Mieter wegen Erhöhung der Betriebskosten angeschrieben; Geld für landeseigene



      Wohnungsbaugesellschaften.



      Berlin hat keinen Plan für neue Wohnungen und will den Investoren den Neubau anpreisen.

    • @Christoph Strebel:

      Wohnungen sind in Berlin nicht teurer als in anderen Metropolen. Wenn die Arbeitgeber Fachkräfte in Berlin haben wollen, müssen sie ihnen Gehälter zahlen, mit denen sie in Berlin leben können, genau wie das Arbeitgeber in München, London oder Paris auch müssen. Es ist nicht die Aufgabe des Steuerzahlers, den Arbeitgebern mit Subventionen zu ermöglichen, Fachkräfte nicht entsprechend der Kosten angemessen zu bezahlen. Subventionen auf die Miete sind nur bei Menschen ohne oder mit niedrigem Arbeitseinkommen zu rechtfertigen

      • @Ruediger:

        Stimmt im Prinzip.



        Der Haken aber ist, es gibt gar keine Wohnungen, in die ich wechseln könnte.



        Wer beispielsweise nach München zieht, um einen gutbezahlten Job anzunehmen, sollte immer die Rechnung aufmachen: Einkommen minus Miete ergibt...



        Das wird auch meist so getan. Die Tarife im öff. Dienst berücksichtigen das allerdings eher weniger.

      • @Ruediger:

        1. Erzählt das mal den Arbeitgebern im öffentlichen Dienst. So fürstliche Gehälter werden an ÖPNV- Fahrer, Kindergärtnerin und Polizisten nicht gezahlt.

        2. Natürlich könnten "Werkswohnungen" als völlig anderer Förderweg errichtet werden: der Arbeitgeber kann die Differenz zwischen frei finanzierter Miete und dem, was der Mitarbeiter tatsächlich bezahlt, mit 25% pauschal versteuern. Bündnisse von Arbeitgebern können ganze Häuserblöcke als Neubau subventionieren und damit Belegungsrechte für Mitarbeiter mit günstigen Mieten erlangen.

        3. Falls der Schwerpunkt staatlicher Förderung bei Sozialwohnungen für ganz Arme liegt und der Rest im Luxusegment gebaut wird, bleiben eben für Normalos aus dem unteren Mittelstand keine Wohnungen mehr übrig. Dem wird mit WBS 2xxx entgegen gesteuert.

        • @Christoph Strebel:

          In den 60er Jahren hat unsere Famile in einer Werkswohnung gewohnt. Das war völlig normal.



          Die Arbeitgeber haben sich da Stück für Stück rausgezogen. Profitmaximierung heißt das u.a.

  • In der Legislaturperiode des letzten Senats ist die Zahl der genehmigten Wohnungen gegen den Bundestrend zurückgegangen und nun sollen es nach Hr. Schenker die Berliner Wohnungsbaugesellschaften richten, die mit rd. 17 Mrd. € ein neues Hoch in der Verschuldung erreicht haben und sie ebenfalls von steigenden Zins- und Baukosten. Wie soll das auf Dauer denn gut gehen, vor allem da der Bestand ja auch energetisch ertüchtigt werden muss?

    • @unbedeutend:

      Ich vermute, dass Arbeitsbrigaden eingesetzt werden...

  • Berlin sollte mal lieber prüfen wer aktuell so alles in Wohnungen mit WBS wohnt. Ich kenne persönlich Kommilitonen mit 5stelligem Netto die immer noch in der Studentenbude wohnen die wir in den 90ern mit WBS in der Sophienstrasse geschossen hatten. Da gibt es eine Menge zu räumendes Potential.

    • @Šarru-kīnu:

      Ist die Bude in der Sophienstraße denn nicht längst aus der Förderung gefallen? Ansonsten: Fehlbelegungsabgabe in Höhe der Differenz zur ortsüblichen MIete.

      • @Django:

        dort, wo die Fehlbelegunsgabgaben abgeschafft wurden, sieht es potetiell schlechter auf dem Wohnungsmarkt aus. Keiner - schon gar nicht die SPD - traut sich, das heisse Eisen der Wiedereinführung der Fehlbelegungsabgaben anzufassen....

      • @Django:

        Die Förderung lief 20 Jahre und müsste damit jetzt abgelaufen sein. Nach Ablauf wird ja aber auch nicht gekündigt sondern die Miete kann dann vom Vermieter weiterhin nur schrittweise angehoben werden. Bei den lächerlichen Mieten die wir damals vertraglich abgeschlossen haben, rentiert sich das noch nach vielen Jahren, selbst wenn alle 3 Jahre die maximalen 20% aufgeschlagen werden.



        Berlin hat übrigens schon vor 20 Jahren komplett auf die Fehlbelegungsabgabe verzichtet. Zuviele aus der eigenen Kernklientel wären davon sonst betroffen, wage ich mal als Vermutung.

        • @Šarru-kīnu:

          Sie irren - in Berlin darf nur um 15% erhöht werden, so dass der grüne Berliner Miet-Adel weiterhin höhere Lohnerhöhungen genießt als Mieterhöhungen

  • Was sollte der Mieterverein dazu eigentlich auch sagen. Der Verein vertritt die Rechte aller Mieter; Auszug aus der Satzung: "... Zusammenschluss und das Engagement aller Mieter mit dem Ziel, ihre Interessen in der Wohnungs- und Mietenpolitik gemeinsam durchzusetzen..

    Hier geht es jedoch um widerstreitende Mieterinteressen und um eine Konkurrenzsituation innerhalb der Mitgliedschaften.

  • Manchmal kommt man aus dem Staunen nicht mehr raus!

    Der Satz:



    "Die Grünen-Mietenexpertin Katrin Schmidberger kritisiert: „Mehr WBS-Berechtigung schafft auch keine neue Wohnung.“

    Das sagt eine Grüne, was haben die den die ganze Zeit gemacht als Sie in Berlin an der Macht waren, also ich meine ausser Strassen sperren, wohl nichts im Sozialen Wohnungsbau! Ach ja stimmt ja , man hat mit den Linken zusammen auch noch die privaten Wohnungsbauer vergrätzt - ich sage nur "Enteignung" und jetzt stellt sich Frau Schmidberger hin und sagt das hilft auch nichts- also da frage ich mich wann es wieder Politiker gibt die Realitätsbezug haben...

    • @Thomas Zwarkat:

      Realitätsbezug würde ich mir von Ihrem Kommentar wünschen: Glauben sie ernsthaft, die renditeorientierten Wohnungsbauunternehmen würden ohne Steuergeschenke auch nur einen Euro in den sozialen Wohnungsbau stecken? Warum also ausgerechnet auf dieses bockige Pferdchen setzen? Notiz am Rande: Die Enteignung großer börsennotierter Wohnungsunternehmen zum Zwecke der Überführung in gemeinwirtschaftliche Strukturen ist ein Vorhaben für das 59,1% der Berliner*innen in einem demokratischen Verfahren gestimmt haben.

      • @Pflasterstrand:

        Fakt ist Enteignung bringt keine neuen Wohnungen! Sondern im Gegenteil kostet MillARDEN die besser einfach in den Neubau von Sozialwohnungen gesteckt werden sollten, als einen linken Gespinst nachzulaufen. Es müssen neue Wohnungen her,oder? Und ich habe ein Problem damit, wenn 51 % der Berliner dafür stimmen mit dem Geld der anderen Bundesländer Ihre Bestandmieten senken zu wollen! Dann lieber das Geld in den Geberländern eingesetzt um Sozialwohnungen zu bauen!

        • @Thomas Zwarkat:

          Natürlich bringt Enteignung keine neuen Wohnungen, aber es verhindert zumindest, dass noch mehr Menschen mit der monetären Keule wie im Feudalismus aus ihrer Heimat zwangsvertrieben werden...und sozialer Wohnungsbau, dass ich nicht lache, wo und wie soll das sein? Im nächsten Plattenbau-08/15-Einheitsghetto, womit dann für die nächsten 100 Jahre die Probleme gleich mitangelegt sind? Zu, was ist jetzt im Gespräch, 11,50 €/m2? Was im Vergleich zu den Bestandsmieten im Mietspiegel zum Teil beinahe doppelt so hoch ist? Was ist daran "sozial"? Nee, das eigentliche Problem ist die Fehlbelegung, DINK-Pärchen, die auf 250m2 wohnen, während sich Familien mit 4 Kindern in ner 3 Raum Wohnung auf 80m2 zusammenpferchen...wie wäre es mit einer Fahlbelegungsabgabe? Oder mit einer Zwangseinquartierung wie nach dem Krieg? Sie wohnen 2 zweit mit 6 Zimmern? Dann können sie ja noch 3 weitere Leute aufnehmen...