Festnahme in Livestream: Polizeigewalt live bei TikTok

Nach Streit um wechselseitige Beleidigungen: In Braunschweig wurde ein Schwarzer Influencer von Po­li­zis­t:in­nen zu Boden gebracht.

Eine Polizistin und ein Polizist halten einen Mann am Boden fest, der auf dem Bauch liegt

Während einer seiner Tiktok-Tanzshows brachte die Polizei Faguimba Dabo zu Boden Foto: @dfaguimba/Tik Tok

BRAUNSCHWEIG taz | Tanzen, Pas­san­t:in­nen umarmen, lachen: Die 3,8 Millionen Follower des Influencers Faguimba Dabo bei TikTok kennen solche Bilder von ihm. Dazu laufen bekannte Songs. „Human is human“ steht unter vielen seiner Clips, die er auf der Kurzvideo-Plattform veröffentlicht. Am Freitag allerdings lief alles anders: Dabo tanzte während eines TikTok-Livestreams in der Braunschweiger Fußgängerzone, als er von der Polizei abgeführt wurde.

Laut der offiziellen Erklärung der Polizei Braunschweig soll Dabo eine Passantin beleidigt haben. Sie habe daraufhin die Polizei verständigt. Als Be­am­t:in­nen Dabo angesprochen hätten, „um ihn mit dem Sachverhalt zu konfrontieren und die Personalien festzustellen, kam es zu Widerstandshandlungen“. Anschließend seien seine Personalien in der Dienststelle festgestellt worden, dann habe er wieder gehen dürfen. Was bleibt: Strafanzeige wegen Beleidigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.

Der Videoausschnitt, der von dem Livestream derzeit kursiert, wirft die Frage auf, ob das Vorgehen der Polizei notwendig und verhältnismäßig war. Der Ausschnitt beginnt, als die Polizei bereits vor Ort ist. Zu sehen ist Dabo, der beide Arme hebt. Außerdem ein Polizist, der sagt: „Geh zurück“ und gegen seine Brust drückt. Dabo lässt sich aber nicht wegschieben. Er sagt einen Satz mit den Worten „Nicht anfassen“. Daraufhin kommt eine Polizistin hinzu, zu zweit zerren sie an Dabo herum. Sie ruft: „Was soll denn das?“, ihr Kollege: „Komm, geh runter.“

Dann verschwinden alle drei aus dem Stream. Dabo sagt immer und immer wieder: „Ich habe gar nichts gemacht.“ Einmal taumeln sie noch zurück in den Hochkant-Ausschnitt, die Po­li­zis­t:in­nen fassen Dabo dabei an, der immer noch die Hände erhoben hat, sich aber offensichtlich nicht festhalten lassen möchte.

Neben den Zu­schaue­r:in­nen sind auch zwei Kollegen von Dabo Zeugen: Einer ist Bovann. Über eine Art geteilten Bildschirm haben die beiden den Livestream zusammen gemacht. Für Zuschauende sind also zwei Videos parallel zu sehen – und Bovann sieht über sein Handy die Szene in Braunschweig. Dort hat Dabo einen weiteren Kollegen dabei, der ihn anscheinend beim Dreh unterstützt hat.

Plötzlich auf dem Boden

Als Dabo und die Po­li­zis­t:in­nen aus dem Bild verschwunden sind, sagt er: „Warte, der hat ein bisschen Probleme, Bovann.“ Bovann fordert ihn auf, das Handy so zu drehen, dass die Aktion weiter im Stream zu sehen ist. Der Mann zögert sichtlich, lässt sich aber doch überreden. Kurz ist daher zu sehen, dass Dabo inzwischen auf dem Bauch liegt, die Po­li­zis­t:in­nen halten ihn dort fest. „Das Handy jetzt weg“, schreit die Polizistin. Dann kommen weitere Be­am­t:in­nen dazu und beenden den Stream.

In einem Statement von Bovann, einen Tag nach dem Vorfall, ist noch ein weiterer kurzer Ausschnitt zu sehen. Er spielt anscheinend kurz vorher und zeigt Dabo, der mit der Polizistin spricht: Er will nicht sein Handy ausmachen und von der Kamera weggehen; sie will nicht ins Sichtfeld der Kamera kommen. Das Schubsen des Beamten könnte also zu dem Zweck erfolgt sein, Dabo erst einmal von der Kamera wegzukriegen.

„Das Ding ist nicht mal, dass er festgenommen wurde, sondern wie“, sagt Bovann in dem Video, „mit viel Gewalt.“ Und Widerstand? Könne er nicht erkennen, sagt Bovann, und verweist auf Dabos erhobenen Hände. „Ist das normal?“

Anfang der Woche meldet sich auch Dabo per Video und erklärt den Vorfall aus seiner Perspektive. Die Passantin sei zu ihm gekommen, während er getanzt habe. „Hier ist nicht Afrika, hier ist Deutschland, wir gehen arbeiten, zurück in dein Land“, soll sie gesagt haben. Er selbst habe geantwortet: „Ich arbeite auch. Wenn Sie schlechte Laune haben, hier ist meine Nummer. Ich komme heute Abend vorbei und gebe ein bisschen gute Laune.“ Sie sei erst gegangen, dann aber wiedergekommen, um ihn wiederum zu beleidigen. „Das Wort kann ich leider nicht sagen“, so Dabo. Dann sei sie zur Polizei gegangen.

In den sozialen Medien rumort es

Diese habe ihn dann zuerst aufgefordert, das Handy auszumachen. Das habe er aber nicht gewollt. Dafür habe er seine Hände erhoben. Zu der Festnahme selbst sagt er nichts – doch jetzt habe die Polizei sein Handy. Trotzdem stellt er noch fest: „Es gibt viele gute Polizisten“, schickt ein breites Lachen und „positive Energie“ ins Netz.

In den sozialen Medien rumort es nach dem Vorfall. Wohl deswegen meldet sich die Polizei Braunschweig drei Tage später bei Facebook zu Wort. Polizeivizepräsident Roger Fladung habe Verständnis für die Aufregung, heißt es in dem Post, jedoch nicht für „beleidigende Äußerungen und Verunglimpfungen, die teilweise dazu im Netz verbreitet werden“. Er wolle darauf hinweisen, dass die nun verbreitete Sequenz des Livestreams nur „einen Bruchteil des Einsatzes“ darstelle. Ermittelt werde nun „außerhalb der Polizeiinspektion Braunschweig“.

Aber was ist denn genau vor und nach diesem „Bruchteil“ aus Sicht der Polizei passiert? Was genau meint diese mit „Widerstandshandlungen“? Und wie begründet sie das Vorgehen der Beamt:innen? Bis Redaktionsschluss gab es auf diese Fragen auch einen Tag nach der Anfrage keine Antworten. Man sei dabei, diese mit der Staatsanwaltschaft Braunschweig abzusprechen, bei der der Fall nun liegt, teilte ein Sprecher der taz telefonisch mit.

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