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Femizide als StraftatNeue italienische Härte

Italien will Femizide mit einem neuen Gesetz zum eigenen Straftatbestand machen. Ist das Symbolpolitik oder Zeichen des kulturellen Wandels im Land?

Rote Schuhe zum Gedenken an Femizide in Amalfi, Italien Foto: Francesco Pecoraro/getty images

Rom taz | Lebenslänglich: Dies soll in Zukunft in Italien das Standardstrafmaß für Femizide werden – für Femizide, die als eigener Straftatbestand Eingang ins Gesetzbuch finden. Dies jedenfalls sieht der pünktlich zum Frauentag am 8. März von der Regierung unter Giorgia Meloni vorgelegte Gesetzentwurf vor.

„Wer den Tod einer Frau verursacht, wenn die Tat als Akt der Diskriminierung oder des Hasses gegen die geschädigte Person als Frau oder um ihr die Ausübung ihrer Rechte oder ihrer Freiheit zu verwehren, verübt, wird mit lebenslanger Haft bestraft“, heißt es in dem Entwurf.

Die Verabschiedung im Parlament gilt als sicher, denn nicht nur die Regierungs-, sondern auch die Oppositionsparteien unterstützen das Vorhaben. Aber ändert die neue Norm überhaupt etwas außer der Tatsache, dass in Zukunft die Verurteilung wegen „Femizid“, nicht wegen „Mord“ erfolgt? Spektakuläre Fälle der jüngeren Vergangenheit scheinen für das Gegenteil zu sprechen.

Im November 2023 erschütterte der Fall der Studentin Giulia Cecchettin Italien. Die 22-Jährige wurde von ihrem Ex-Freund und Kommilitonen Filippo Turetta ermordet, weil sie ihn verlassen hatte. Turetta hatte das Delikt akribisch geplant – ganz so wie sechs Monate zuvor Alessandro Impagnatiello. Der 31-jährige Barkeeper hatte seine schwangere Freundin mit zahlreichen Messerstichen getötet, sich aber schon in den Monaten zuvor im Internat ausführlich über Giftmorde informiert. Beide Täter erhielten auf der Grundlage der schon geltenden Normen lebenslänglich.

„Kollektive Bewusstwerdung“

Dennoch begrüßten die beiden Väter der ermordeten Frauen jetzt das neue Gesetz; Gino Cecchettin erklärte, der neue Tatbestand Femizid sei ein Akt „kollektiver Bewusstwerdung, eine Differenzierung, die nötig war“. Nötig zumindest in den Fällen, in denen Gerichte mildernde Umstände für den Frauenmörder fanden. So verurteilte im Jahr 2022 ein Gericht in Palermo einen Unternehmer zu 19 Jahren Haft, der seine schwangere Geliebte erstochen hatte.

Das Gericht machte sich die Einlassungen des Angeklagten zu eigen, er habe im „Raptus“ gehandelt, als Impulstäter. Allerdings hob das Kassationsgericht das Urteil als zu milde auf, und in der Neuverhandlung gab es doch lebenslang. Solche Neuverhandlungen würden mit dem neuen Gesetz eher unwahrscheinlich, da lebenslänglich zur Norm wird. Und auch wenn einige Op­po­si­ti­ons­po­li­ti­ke­r:in­nen beklagten, das neue Gesetz sei bloß ein „Werbespot“ für die Regierung, steht es doch für den radikalen kulturellen Wandel, den Italien in den letzten 40 Jahren erlebt hat.

Erst im Jahr 1981 wurden die Bestimmungen zum „Ehrendelikt“ aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Sie sahen vor, dass Ehemänner, Väter, Brüder mit Haft von bloß drei bis sieben Jahren bestraft wurden, wenn sie eine Frau aus ihrer Familie wegen „illegitimer fleischlicher Beziehungen“ umbrachten. Und meist gab es in den Urteilen eher drei als sieben Jahre. Früher höchst mild bestrafte „Ehrendelikte“, in Zukunft äußerst hart sanktionierte „Femizide“: Der Wind hat sich gedreht.

Keine Prävention

Doch die Regierung Meloni muss sich aus den Reihen der Opposition vorwerfen lassen, sie tue nicht genug, sie setze bloß auf Repression, nicht auf Prävention. Bis heute ist in Italiens Schulen die Sexual- und „Beziehungserziehung“, wie es im Land heißt, kein bindender Bestandteil der Lehrpläne, und wenn es nach der regierenden Rechten geht, soll das auch so bleiben. So erklärte ein Lega-Abgeordneter, über „heikle Themen“ solle gefälligst zu Hause, nicht in der Schule, geredet werden. Sonst, so fürchtet er, könnten „politisierte Lehrer“ ja dabei auch die „Gender-Ideologie“ in den Unterricht tragen.

Ganz anders sieht das Franco, der Vater der im Jahr 2023 ermordeten Giulia Tramontano. „Vorbeugen, nicht bloß verurteilen“ sei der Weg. Vorbeugen, auch in der Erziehung in den Schulen, vorbeugen, aber auch mit ökonomischer Hilfe für bedrohte Frauen. So sieht das auch der Gewerkschaftsbund CGIL: „Die Frauen wollen Rechte als lebende Personen“.

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10 Kommentare

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  • „Wer den Tod einer Frau verursacht, wenn die Tat als Akt der Diskriminierung oder des Hasses gegen die geschädigte Person als Frau oder um ihr die Ausübung ihrer Rechte oder ihrer Freiheit zu verwehren, verübt, wird mit lebenslanger Haft bestraft“, heißt es in dem Entwurf.

    Und wer eine Frau aus anderen Gründen tötet wird nicht mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft oder was genau soll das bedeuten? Und was ist mit Männern, die aus eben jenen Gründen getötet werden?

    • @PartyChampignons:

      JEDE vorsätzliche Tötung eines Menschen mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bedrohen, ist in Europa unüblich und auch in Deutschland nicht Gesetz. Wir unterscheiden zwischen Totschlag (§ 212 StGB, nicht unter fünf Jahren, lebenslang nur in besonders schweren Fällen, aber es gibt auch minder schwere, § 213 StGB) und Mord (§ 211 StGB), der nur in bestimmten, als besonders verwerflich erachteten Fallkonstellationen vorliegt. Die Italiener kennen eine ähnliche Differenzierung: Tötung ("homicido") und Tötung in besonders schwerem Fall, wobei ich sagen würde, dass bei uns die Merkmale für den Mord weiter gefasst sind - auch und gerade bei den "niederen Beweggründen". Und ja, einen Mann zu töten, weil er ein Mann ist, würde nach dieser geplanten italienischen Regelung nicht härter bestraft.

  • "wenn die Tat als Akt der Diskriminierung oder des Hasses gegen die geschädigte Person als Frau oder um ihr die Ausübung ihrer Rechte oder ihrer Freiheit zu verwehren, verübt wird"

    Das klingt für mich wie ein ausformulierter Spezialfall von "niederen Beweggründen". Die gelten bislang im italienischen Recht wohl nur als Mordmerkmal (bzw. erschwerender Umstand, der zu lebenslanger Haft führt), wenn sich die Tat gegen Verwandte in gerader Linie richtet.

    Also nein, das ist wohl keine bloße Symbolpolitik, sondern eine echte Änderung der Rechtslage. Es ist dann natürlich eine sehr spezielle Ausweitung der besonderen Strafbarkeit niederer Beweggründe - rechtsstaatlich nicht ganz unproblematisch. So sind z. B. "Androzide" sicher viel, viel seltener, aber WENN sie vorkommen, sollten sie eigentlich nicht milder bestraft werden. Ein nach gesellschaftspolitischer Agenda diskrimienierendes Strafrecht ist letztlich politisches Strafrecht, und das sollte vermieden werden.

  • "„Wer den Tod einer Frau verursacht, wenn die Tat als Akt der Diskriminierung oder des Hasses gegen die geschädigte Person als Frau oder um ihr die Ausübung ihrer Rechte oder ihrer Freiheit zu verwehren, verübt, wird mit lebenslanger Haft bestraft“, heißt es in dem Entwurf."



    Männer und Frauen sind eben nicht gleich. Ist das mit europäischem Recht oder den allgemeinen Menschenrechten vereinbar?

  • Gut so! Schlimm, dass das frühere Regierungen nicht hinbekommen und es jetzt ausgerechnet von Meloni kommt.

  • Lebenslängliche können in Italien, bei guter Führung, nach 8 - 10 Jahren, ausserhalb des Gefängnisses arbeiten und können 45 Tage im Jahr ausserhalb des Gefängnisse leben.

    Und in Deutschland wäre es schon nach dem Grundgesetz gar nicht möglich bei Mord zwischen Mann und Frau als Opfer zu entscheiden. Und das ist aucht gut so.

  • Hätte ich, ehrlich gesagt, von dieser Regierung nicht erwartet. Ein wichtiger Schritt!



    Und noch der Hinweis, dass es an deutschen Schulen, anders als beispielsweise in Großbritannien, auch keine "Beziehungserziehung" gibt, in der sich SchülerInnen außer über Sexualität vielleicht auch etwas mehr mit zwischenmenschlichen Beziehungen auseinandersetzen könnten.

    • @cazzimma:

      "Hätte ich, ehrlich gesagt, von dieser Regierung nicht erwartet."

      Verstehen Sie es als eine "lex Ehrenmord", und die Stoßrichtung wird schon ambivalenter...

      Davon abgesehen ist ideologische Stringenz kein Merkmal, das ich dem Populismus zuschreiben würde, und Meloni ist zuerst Populistin. Worin Populisten gewöhnlich groß sind, ist hingegen "Zweck heiligt Mittel"-Mentalität, wofür so ein Spezialtatbestand rechtsstaatlich betrachtet ein klassisches Beispiel ist.

    • @cazzimma:

      "Ein wichtiger Schritt!"



      Zweifellos.



      Nur, wohin?

  • Hoffentlich führen wir in Deutschland keine ähnliche Diskussion. Schon das Innere Mordmerkmal „niedrige Beweggründe“ ist schon ein strafrechtliches Elend. Bitte bei äußeren Mordmerkmale bleiben. Körperliche oder technische Überlegenheit als zusätzliches Mordmerkmal würde reichen…