Feministische Außenpolitik: Baerbock versteht man nicht
Die meisten Leute in Deutschland wissen nicht, was feministische Außenpolitik bedeutet. Die Außenministerin sollte den Begriff erklären können.
![Außenministerin Annalena Baerbock sitzt in der Türkei an einem Tisch mit geflüchteten Frauen Außenministerin Annalena Baerbock sitzt in der Türkei an einem Tisch mit geflüchteten Frauen](https://taz.de/picture/5848836/14/30728631-1.jpg)
Wissen Sie, was feministische Außenpolitik ist? Seit Annalena Baerbock (Grüne) als Außenministerin durch die Welt reist, führt sie diesen Begriff im Munde. Es ist schon länger ein Anspruch der Grünen, nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die Außenpolitik geschlechtergerechter, feministischer zu gestalten. Doch was heißt das eigentlich?
Die einen definieren feministische Außenpolitik als „Überzeugung, dass Geschlechtergerechtigkeit und gleichberechtigte Teilhabe Voraussetzung für nachhaltigen Frieden und Sicherheit in der Welt sind“, so wie das Auswärtige Amt es tut. Andere verstehen es „holistisch“, wie die Politikwissenschaftlerin Kristina Lunz in der taz mal formulierte: „Für uns geht es um ein Infragestellen der grundlegenden Paradigmen von Außen- und Sicherheitspolitik. Das sogenannte realistische Paradigma muss analysiert und hinterfragt werden: Können Staaten wirklich nur durch militärische Stärke, Dominanz und Unterdrückung anderer überleben?“ Wiederum andere sagen, das sei alles viel zu unkonkret und helfe daher kaum weiter.
Dennoch sprechen linke und grüne Kreise gern und oft von einer feministischen Außenpolitik, die angesichts der aktuellen Ereignisse im Iran und in Afghanistan dringend nötig sei. Aber wissen auch die Menschen jenseits politischer Kreise, was sich hinter dem Begriff verbirgt?
Dieser Frage sind die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und die Körberstiftung nachgegangen – und sind zum kaum überraschenden Ergebnis gekommen, dass hierzulande niemand so recht weiß, was das eigentlich ist. Laut der Umfrage, die der taz exklusiv vorliegt, haben über 60 Prozent der Befragten den Begriff „feministische Außenpolitik“ noch nie gehört. Oder sie wissen nicht, was er bedeutet. Das Unwissen steigt, je älter die Menschen werden und weniger gebildet sie sind.
Triggerwort Feminismus
Auch zwischen Ost- und Westdeutschen klafft eine Lücke: Es sind öfter Ostdeutsche, die mit dem Begriff nichts anfangen können. Hinzukommt, dass allein das Attribut feministisch als eine Art negatives Triggerwort wirkt: Feminismus als Störfaktor im Patriarchat. Hier steht die Terminologie der Realität im Wege, lässt sich die Bilanz der DGAP und Körberstiftung zusammenfassen.
Nun ist feministische Außenpolitik ein recht junger Politikanspruch. Schweden hat als erstes Land der Welt 2014 eine feministische Außenpolitik eingeführt. Kernpunkte dieses Ansatz sind drei R: Rechte, Ressourcen, Repräsentation – von Frauen und Mädchen in allen gesellschaftlichen Bereichen. Jüngst kam ein viertes R dazu: Realitätscheck. Die feministische Außenpolitik soll regelmäßig evaluiert und Fort- und Rückschritte dokumentiert werden.
Angesichts Baerbocks lascher Haltung zu den anhaltenden Proteste im Iran sind mittlerweile selbst Feminist:innen skeptisch, welche Wirkung eine feministische Außenpolitik grundsätzlich entfalten kann. „Wenn die Frauenrechtsproteste im Iran kein Fall für eine feministische Außenpolitik sind – dann gibt es keine feministische Außenpolitik“, schrieb die Autorin und Ärztin Gilda Sahebi vor kurzem in der taz.
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