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Trucker James Cody bei einer Pause auf einer Raststätte Foto: Daniel Zylbersztajn-Lewandowski

Fehlende LKW-Fahrer in GroßbritannienBrexit Blues

Fern­fahrer fehlen, Lieferketten reißen und Kosten steigen: Unterwegs mit klagenden Truckern und Mittel­ständlern in Großbritannien, die um ihre Zukunft bangen.

O rdentlich aneinandergereiht stehen die Lastwagen aus ganz Großbritannien und halb Europa auf der Raststätte South Mimms Truckstop nördlich von London. James Cody, 47, und Nicura George Danies, 40, machen hier eine ihrer vorgeschriebenen Pausen. Seit etwa einem Monat gehören Menschen wie sie zu den meistgesuchten Arbeitskräften im Lan­d: Im Vereinigten Königreich fehlen Fernfahrer.

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Vom offenen Fenster seines Lasters aus erzählt Cody von Anwerbeprämien und erhöhten Gehältern. Und auch, warum so viele Fernfahrer aus dem Beruf aussteigen: harte und lange Arbeitszeiten und der viele Stress, das Bewusstsein, dass kein einziger Fehler erlaubt ist. „Der Lebensstil sagt nur manchen zu. Oft bin ich tagelang unterwegs“, erzählt der Vater zweier Kinder. Die Bezahlung habe sich in den letzten Jahren verschlechtert, die Kontrollen seien dafür schärfer geworden.

Cody arbeitet jetzt für eine Agentur, erzählt er, das Gehalt sei höher als anderswo, aber: „Es gibt keine Arbeitsgarantien mehr. Da werden Aufträge in letzter Minute storniert, dann bist du aufgestanden und zur Arbeit fertig angetreten und bleibst mit deinem Laster leer und ohne Bezahlung stehen.“

Der Zustand von Rastplätzen, Toiletten und Duschen im Vereinigten Königreich sei nicht immer zumutbar, fügt Cody hinzu – ganz anders als in Frankreich. Dann noch die Brexit-Kontrollen bei der Einreise in die EU und die Pandemie. Für Großbritannien hat das alles zusammen einen überproportional hohen Abgang von Lkw-Fahrer*innen aus EU-Ländern zur Folge, insbesondere von denen aus Osteuropa.

Uns war klar, was passiert, wenn der Brexit kommt, egal ob wir dafür oder dagegen gestimmt haben. Die Vereinigung der Logistikunternehmen warnt seit Jahren und wurde ignoriert!

James Cody, Lkw-Fahrer

„Wissen Sie,“ sagt Cody und blickt ernst drein, während er an einem seiner Geräte im Cockpit dreht, „unter uns Truckern war allen klar, was passiert, wenn der Brexit kommt, ganz egal ob wir dafür oder dagegen gestimmt haben. Die Vereinigung der Logistikunternehmen warnt auch schon seit Jahren und wurde ignoriert!“ Dann schimpft er ausgiebig über den „Clown“ Boris Johnson, der das alles zu verantworten habe.

Der britische Spediteursverband RHA (Road Haulage Association) präzisiert: Großbritannien zählt rund 600.000 zugelassene Lastwagenfahrer. Von denen sind aber die Hälfte im Ruhestand oder haben den Job an den Nagel gehängt. Rund 20.000 ausländische Fahrer hätten seit dem Brexit Großbritannien verlassen. Es wird geschätzt, dass das Land kurzfristig 100.000 Fernfahrer mehr benötigt, als es derzeit hat.

„Kein Sprit“: geschlossene Tankstelle Anfang Oktober Foto: Daniel Zylbersztajn-Lewandowski

Zu wenige Fernfahrer: Das bedeutet Verzögerungen in der Lieferung in allen Bereichen. Schon seit Monaten stößt man in London und anderswo immer wieder auf leere Regale in den Supermärkten. Im Zentrum Londons fehlt es beispielsweise gerade besonders an Nudelprodukten. Während ein Supermarkt auf Schildern behauptet, die gähnende Leere an der Frischfleisch-, Wurst- und Käsetheke liege an einer defekten Kühlung, verrät die Verkäuferin in einem anderen großen Supermarkt, dass die Theke für per Hand zugeschnittene Fleischwaren schon lange geschlossen sei. Auch der Einzelhandel lahmt wegen der ins Stocken geratenen Lieferungen.

Spritkrise mit Spuren

Vor einem Monat dann tauchte ein neues Phänomen auf: lange Schlangen an den Tankstellen, wo vor drei Wochen der Sprit an den meisten sogar vollkommen ausging. Gerüchte über Lieferprobleme lösten eine dem pandemischen Toilettenpapierwahn zu Beginn der Coronakrise ähnliche Panik aus. Auch Menschen, die gar keinen Treibstoff benötigten, tankten vorsorglich auf, manche füllten darüber hinaus zusätzliche Benzinkanister. Die Benzin- und Dieselvorräte an den Tankstellen gingen daraufhin noch schneller zur Neige, Lie­fer­wa­gen­fah­re­r*in­nen und Hand­wer­ke­r*in­nen saßen plötzlich fest, selbst Rettungswagen und mobiles Pflegepersonal konnte teilweise keinen Sprit mehr bekommen.

Inzwischen sieht die Lage nach einigen Unterstützungsmaßnahmen der britischen Regierung wieder besser aus. Aber die Spritkrise hat Spuren hinterlassen. An einem Londoner Taxistand erzählen Paul, Mark und Steven, alle über 60, dass sie über ihre Netzwerke immer Diesel gefunden haben, aber manchmal sei das mit stundenlangem Schlangestehen verbunden gewesen. Es habe viel Aggressivität gegeben. „Das mit dem Treibstoff ist die Schuld der Politik und der sensationsgeilen Medien“, sind sich die drei Taxifahrer sicher – und auch: Früher war alles besser. „Gute Politik endete mit Harold Wilson, Denis Healey und Margaret Thatcher in den 1970er und 1980er Jahren.“

Leeres Nudel­regal in London: Die Lieferprobleme reichen bis in die Super­märkte Foto: Daniel Zylbersztajn-Lewandowski

Der Plan der Regierung ist es nun, so schnell wie möglich neue Fern­fah­re­r*in­nen auszubilden. Aber so etwas dauert. Richard Allan, 38, von der Lkw-Fahrschule HGV Training Network berichtet der taz am Telefon im breiten Londoner Cockney-Akzent, dass die Anfragen nach einer Ausbildung gestiegen seien. Aber bis der Bedarf auf diese Weise gedeckt sei, selbst mit ausgedehnten staatlichen Ausbildungsprogrammen und erhöhten Kapazitäten für Führerscheinprüfungen, werde es noch Jahre dauern.

Ein Faktor beim aktuellen Fahrermangel ist auch, dass während der Coronapandemie weniger Führerscheinprüfungen erfolgten und die zuständige Behörde einen Rückstau vor sich herschiebt – rund 4.000 fertig ausgebildete Fahrer warten aktuell auf ihre Zulassung.

Lkw-Fahren: ein Job ohne Glamour

Allan weiß: Die Gehälter für Lkw-Fahrer steigen derzeit kräftig. Mancher Lohn habe sich kurzfristig verdoppelt. Bis zu 50.000 Pfund (knapp 60.000 Euro) brutto im Jahr seien jetzt drin. Der Fahrlehrer sieht im mangelnden Ansehen des Fernfahrerberufs beim potentiellen Nachwuchs das Hauptproblem. „Ich kann mich noch an meine Schule erinnern, wo an bestimmten Tagen Besucher aller möglichen Berufssparten kamen und uns Kindern ihre Berufe vorstellten. Da gab es Ärzte oder Feuerwehrleute – aber Lkw-Fahrer so wie mein eigener Vater waren nicht darunter. Es wurde einfach nicht als gute Karriere angesehen.“

Er selber findet nicht nur, dass Lastwagenfahrer ein guter Beruf ist, sondern auch, dass die Ausbildung viel günstiger und schneller als ein mehrjähriges Studium ist, an dessen Ende man möglicherweise ohne Job dasitzt, aber mit zurückzuzahlenden Schulden von bis zu 63.000 Euro für die Studiengebühren. „Da sind doch die umgerechnet 3.000 bis 5.000 Euro für den Lkw-Führerschein wenig und sie führen zur sofortigen Anstellung“, meint Allan. Erst jetzt kämen endlich jüngere Menschen zu ihm, weil sie in den Medien über den Fahrermangel gehört hätten. Vielleicht ein gutes Zeichen.

Lkw-Fahrer Cody auf der Raststätte glaubt, dass das tief verwurzelte sexistische, homophobe und rassistische, von Weißen dominierte Arbeitsklima in der Branche viele Neue abschrecken wird. „Ich habe einen schwarzen Freund, der seit einiger Zeit damit versucht, fertig zu werden“, sagt er. Auch an Fahrerinnen mangele es. „Die Regierung behauptet, es sei Aufgabe der Unternehmen, all das zu verbessern. Das ist Blödsinn. Die schlechten Straßen und Raststätten, die Arbeitsbedingungen – da muss vom Staat was kommen“, findet Cody, bevor er bedauert, wieder losfahren zu müssen. „Schauen Sie sich die Toiletten an, dann wissen Sie, wovon ich rede“, empfiehlt er noch.

Der Reporter findet in den Waschräumen schmutzige ungeputzte Waschbecken und Toiletten, an denen Kot klebt. Dabei kostet ein Stopp an diesem Lkw-Parkplatz 36 Euro pro Tag, nur die ersten zwei Stunden sind gratis.

Langfristig setzt die konservative Regierung von Boris Johnson darauf, dass die höheren Gehälter einheimische Arbeitskräfte anziehen werden. Kurzfristig hat sie Sondererlaubnisse für 5.000 zusätzliche Lkw-Fahrer aus dem Ausland gebilligt. Eigentlich sollten diese Visa nur bis Weihnachten gültig sein, nach Protesten aus der Wirtschaft verlängerte die Regierung die Gültigkeit bis zum März.

Aber kommt überhaupt jemand? Bis Mitte vergangener Woche wurden nur rund 300 Anträge eingereicht, ganze 20 Visa wurden ausgestellt – die Bearbeitung dauert.

Der Rumäne George-Danies, der gerade mit einer Fracht aus Belgien unterwegs ist, weiß davon nichts. „Kurze Visa sind für mich uninteressant“, sagt er. „Sollte Großbritannien einjährige Arbeitsvisa anbieten, würde ich es mir eher überlegen.“ Auch er bestätigt die miserablen Zustände an einigen britischen Lkw-Raststätten, hinzu kämen die unzureichenden Sicherheitsmaßnahmen. „Einem Kollegen von mir wurden neulich hier in England auf einem Parkplatz 24 Paletten gestohlen“, berichtet er und macht dazu eine Klau-Bewegung mit seiner Hand.

Ist für osteuropäische Menschen Brexit-Großbritannien ein weniger freundliches Pflaster als andere Länder? George-Danies muss kurz überlegen, als wäge er einzelne Vorkommnisse gegeneinander ab. „Vorurteile haben alle Länder gleichermaßen, egal ob Frankreich, Deutschland oder Großbritannien“, antwortet er schließlich.

Wurstherstellerin trauert Rumänen nach

Für die 57-Jährige Tracy Mackness, die Wurst und Fleisch vom Schwein aus eigener Zucht auf einem großen Gut am Londoner Stadtrand in Romford verarbeitet und verkauft, sind die Arbeitskräfte aus Rumänien nicht zu ersetzen. „Ich hatte bis vor zwei Jahren fünf Angestellte aus Rumänien. Mit Brexit und der Pandemie sind sie alle weg – bis auf einen. Und ihn versuchen inzwischen andere von mir wegzulocken, weil er einen Lkw-Führerschein hat“, erzählt sie. Mackness blickt über die vielen Stallungen, während im Hintergrund eine ganze Gruppe Dackel bellt – Hundezucht ist eines ihrer Hobbys. „Wollen Sie einen?“, fragt sie.

Mackness kommt aus dieser Gegend, der Grafschaft Essex am Ostrand Londons. „Ich bin als gebürtige Engländerin eigentlich die Ausnahme hier, weil ich die Tierzucht und Fleischverarbeitung in den letzten Jahren meiner zehnjährigen Haftstrafe gelernt habe. Wissen Sie, ich hatte mein Leben auf den falschen Fuß begonnen, und die Tierzucht und Metzgerei sagte mir zu.“ Mit 30 Schweinen und harter Arbeit baute Mackness ein inzwischen preisgekröntes Unternehmen auf: Giggly Pig – das kichernde Schwein. Über ihre wundersame Wandlung von der Gefängnisinsassin zur erfolgreichen Geschäftsfrau schrieb sie ein Buch.

„Hier in Essex wählte die Mehrheit für Brexit, weil sie glaubten, dass eingewanderte Menschen Sozialwohnungen schneller erhielten als Menschen von hier. Ich war schon damals dagegen, weil ich wusste, wie hart meine Leute arbeiten“, erklärt Mackness. Seit die Ar­bei­te­r*in­nen aus Osteuropa gegangen und nicht mehr zurückgekommen sind, habe sie die gleichen Probleme wie die Lastwagenfahrer*innen: Ausländische Hilfskräfte in der Tierpflege und Zucht sowie Metz­ge­r*in­nen erfüllen die Kriterien für britische Arbeitsvisa nicht, sie gelten als zu gering qualifiziert. „Ich muss jetzt vieles selber machen, ja ganze Innereien selber ausnehmen und mich dann auch noch um den Verkauf kümmern.“ Obendrauf mangele es an Tierärzten und Schlachtpersonal, denn auch die seien vom Festland gekommen, nicht nur aus Osteuropa, sondern auch aus Ländern wie Spanien und Italien.

Meine Versuche, englische Angestellte ins Geschäft zu bringen, sind gescheitert

Tracy Mackness, Schweinezüchterin

„Meine Versuche, englische Angestellte oder Nachwuchs ins Geschäft zu bringen, sind gescheitert“, erzählt sie. „Ich habe überall Anzeigen aufgesetzt. Weder ich noch eine Freundin von mir, die eine Gastwirtschaft führt, kann geeignetes Personal finden.“ All das kam zusätzlich zur Pandemie, mit geschlossenen Märkten und stornierten Veranstaltungen.

Als dann auch noch das Benzin an den Tankstellen ausging und schlechtes Wetter die Markttage versaute, konnte Tracy Mackness ihr Unternehmen kaum noch halten. Auch heute stehen mehrere ihrer Kleinlaster unbenutzt auf dem Gelände. Wenigstens ist am Abend ein Event geplant, zu dem sie frische Würstchen servieren soll. Mit derzeit nur halb so vielen Angestellten wie noch vor wenigen Jahren gibt sich Mackness noch Zeit bis April nächsten Jahres. Sollte das Geschäft dann weiterhin stocken, wird sie wohl aufgeben. Die Zeichen stehen schlecht: Einige Supermärkte importierten neuerdings Billigfleisch aus Deutschland, hat sie erfahren.

Auf dem Sonntagsmarkt im gentrifizierten Londoner Innenstadtviertel Islington gesteht Richard Nickless, der 56-jährige Geschäftsführer des Geflügelunternehmens Castlemead aus dem westenglischen Somerset, 2016 für den Brexit gestimmt zu haben. „Ich wollte mehr Eigenverantwortung der britischen Regierung, damit Westminster Investitionen und Standards selbst bestimmen kann.“ Keineswegs habe er aber an eine Schließung der Grenzen für Arbeitskräfte aus der Europäischen Union gedacht. Premier Boris Johnson habe seine Politik an der falschen Annahme ausgerichtet, dass alle Brex­it­wäh­le­r*in­nen die Einwanderung stoppen wollten. Aber das stimme nicht. „Ich habe mich noch nie über die Arbeitskräfte aus Osteuropa beklagt – im Gegenteil, ihr Einsatz ist bewundernswert!“, versichert Nickless beim Abbau seines Marktstandes. 70 bis 80 Prozent seiner Belegschaft kam bis vor Kurzem aus Polen. Über eine Kontaktperson konnte er sogar innerhalb einer Woche bei Bedarf weiteres Personal anheuern. All das ist jetzt vorbei.

Auch Nickless versucht die fehlenden ausländischen Arbeitskräfte durch solche aus Großbritannien zu ersetzen, so wie es sich die britische Regierung vorgestellt hat. Doch die Realität sei, sagt er, dass man nun an britische Ar­bei­te­r*in­nen höhere Löhne bei stark gesunkener Produktivität zahlen müsse. Für ihn als Arbeitgeber bedeutet das: weniger Einnahmen, höhere Kosten. In den nächsten Monaten werden steigende Preise für Gas und Strom dazukommen, fürchtet er.

Nickless’ Erfahrungen mit englischen Nachwuchskräften sind durchweg negativ, sagt er. „Trotz finanzieller Anreize wollen sie nicht zupacken, wenn es darauf ankommt. Sie nehmen oft die Arbeit nicht ernst genug und arbeiten von vornherein weniger hart.“ Er erinnert sich an einen Mann, dem er nach dem Vorstellungsgespräch die Tür zeigte, als dieser laut nachdachte, ob die Arbeit ihm wohl mehr bringe als das Arbeitslosengeld. „Die Sozialleistungen in Großbritannien sind für die, die es wirklich brauchen, viel zu gering – aber zu großzügig für Leute, die eigentlich arbeiten können“, glaubt Nickless. „Die größten Ausbeuter der Sozialhilfe sind Briten, nicht Ausländer“, ist er überzeugt. Nickless’ hartes Urteil: „Du stehst auf, beginnst wieder von vorne und gibst dein Bestes, so lernte ich das von meinem Vater, und auch meine Tochter ist so, aber viele andere in diesem Land scheinen zu glauben, sie können sich einfach hinsetzen und Arbeitslosengeld einstecken.“

So wie für Last­wa­gen­fah­re­r*in­nen gibt es inzwischen auch Sonderarbeitsvisa für den Geflügelsektor sowie für Schlachtereien und Metzger. Weil das christliche Weihnachtsfest als das Maß aller Dinge gilt, das unbedingt ungestört vonstatten gehen muss, soll auf diese Weise dafür gesorgt werden, dass es im Dezember nicht an Gänsebraten und Truthähnen mangelt.

Auch bei Obst und Gemüse gibt es Lieferprobleme Foto: Daniel Zylbersztajn-Lewandowski

Doch kommt das nicht alles viel zu spät? Nickless findet, das sei keine Hilfe. „Die Bearbeitung der Anträge durch die Behörden dauert bis zu acht Wochen. Erst im November kann ich ein Schnellverfahren mit zusätzlichen Kosten beantragen“, schildert der Geschäftsführer.

Nickless fragt sich, ob er wirklich rechtzeitig zu Weihnachten extra Arbeitskräfte haben wird. „Größere Firmen mussten bereits Tiere keulen und verbrennen, weil sie nicht genug Veterinäre zur Verfügung hatten“, erwähnt er mit Sorge und skizziert die Verluste der eigenen Firma.

Regierung Johnson bleibt hart

Trotz immer lauter werdenden Rufen und Warnungen der Industrieverbände will sich die britische Regierung bisher dem Verlangen nach einer allgemeinen Lockerung der Regeln für Arbeitsvisa nicht beugen. Es gibt lediglich Ankündigungen für einzelne Branchen. Selbst als Chefs von großen Firmen wie der Bekleidungskette Next, die Tiefkühl-Supermarktkette Iceland und die Pub-Kette Wetherspoon, allesamt prominente Unterstützer des Brexit, die Haltung der Regierung öffentlich kritisierten, änderte das nichts.

Für Subventionen fehlt es nach der Pandemie an Geld. Im April nächsten Jahres steigen die Sozialabgaben, im Folgejahr die Unternehmenssteuern, dazu kommen höhere Kosten für Energie, der Mangel an Gas und bald steigende Gemeindesteuern, dazu neue Formalitäten an den Grenzen, Lieferprobleme und Kostenerhöhungen im internationalen Schiffsgüterverkehr.

Vieles davon trifft viele Länder auf der Welt – in Großbritannien kommt es alles auf einmal, durch die eigene Politik verschärft: so sieht es aus Sicht der Wirtschaft aus. Kein Wunder, dass Boris Johnsons heiterer Auftritt auf dem jüngsten Jahresparteitag der regierenden Konservativen Menschen wie Richard Nickless, Tracy Mackness oder James Cody wie eine Erscheinung aus einer anderen Welt vorkommt.

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32 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Brexit hin oder her, es zeigt sich nun, das viele Arbeitsbereiche nicht nur in GB von Wanderarbeitern abhängig sind. Das Bojo ein narzistischer Soziopath ist, hat er abermals auf dem letztem Parteitag gezeigt und dafür wird er gefeiert, aber das ist ja auch nichts Neues, werden doch narzistische und soziopathische Grundzüge/Verhaltensweisen als Grundvoraussetzung für das oberer Managment seit jeher gehandelt und gewünscht. Das erschreckenste ist jedoch meiner Meinung nach, das die westliche Welt, wenn nicht sogar die ganze Welt wieder auf römische Verhältnisse AD Christus zusteuert. Großkonzerne bestimmen die Grenzen des Einflusses und versklaven ganze Länder, Politiker-Senatoren, Steuerzahler-freie Bürger, Illegale-Sklaven und die immer größer werdende Anzahl der Armen, wenn bei uns auch nicht vordergründig, sodoch in den versklavten Ländern gut sichtbar, machen sie sich doch auf den Weg zu uns. Fehlt nur noch der Cäsar und Feldmarshall. Alles nur eine Frage der Zeit.

  • Mehr Lohn, bessere Arbeitszeiten und schon gibt es mehr Fahrer. Deswegen haben wir in Europa uns Fahrer aus Weissrussland, Ukraine und Co besorgt. Die machen es billig und billiger. Früher machten es die Polen, aber die haben mittlerweile was besseres gefunden.

  • Gut, die Löhne und Gehälter der Lkw-Fahrer steigen jetzt, es stellt sich nur die Frage, wie nachhaltig das ist oder ob die Einkommen dieser Berufsgruppe wieder gen Süden abschmieren, wenn das Schlimmste erstmal überstanden ist und das Fahrerreservoir wieder größer ist...

  • Gesprächspartner:



    "Doch die Realität sei, sagt er, dass man nun an britische Ar­bei­te­r*in­nen höhere Löhne ... zahlen müsse."



    Was meint die taz dazu?

    • @meerwind7:

      Ui wie böse: Angemessene Löhne zahlen und eigene Leute einstellen statt billige Kräfte aus Osteuropa: Geht gar nicht!



      (Sarkasmus!)

  • Die Konservativen hat England mit ihrem populistischen Hang zum Rassismus in den Sand gesetzt. Werden die hetzenden Eliten den Karren aus dem Dreck ziehen oder muss es wieder die Steuerzahler.innen tun?

    • @Nilsson Samuelsson:

      "Werden die hetzenden Eliten den Karren aus dem Dreck ziehen oder muss es wieder die Steuerzahler.innen tun?"



      Das ist eine rhetorische Frage, oder?

  • An die Übertragung der englischen auf deutsche Verhältnisse glaube ich nur dann, wenn der FDP zu viele Zugeständnisse bei den Ampel-Verhandlungen gemacht werden. Das Gefasel vom Linksruck der Union unter Merkel hat sich trotz SPD-Beteiligung als komplett irreal erwiesen, sonst hätte man z.B. nicht mit einem Stundenlohn von 12 Euro geworben, weil es Merkel sei Dank, viel zu viele prekäre Arbeitsverhältnisse gibt.

  • Kurzfristiges Chaos, langfristig profitieren die einheimischen Trucker. Siehe Gehaltsentwicklung. Das zeigt, wie sich die EU-Freizügigkeit teilweise negativ auf die Löhne ausgewirkt hatte. Bei uns wird es eine ähnliche Entwicklung in vielen handwerklichen Berufen geben. Irgendwas mit Heizung klingt nicht so sexy wie irgendwas studieren, dafür werden Handwerker künftig Stundensätze erheben, von denen das Akademikerprekariat nur träumen wird.

  • Schlecht bezahlte Jobs müssen also zwangsläufig besser bezahlt werden und ein potentieller Arbeitnehmer rechnet dem Chef selbstbewusst vor, das sein Lohn in der Geflügelschlachterei kaum die Sozialhilfe übersteigt.

    Der Brexit ist eine Schande und der damit einhergehe Rassismus sowieso. Die Argumentation gegen den Brexit klingt in meinen Ohren aber immer mehr wie eine neoliberale Propaganda. Die britische Arbeiterklasse hat für den Brexit gestimmt, damit das Lohndumping aufhört. Scheint zumindest kurzfristig funktioniert zu haben

    • @Alfonso Albertus:

      Woher nehmen Sie das, dass der Brexit etwas mit Rassismus zu tun haben soll?

    • @Alfonso Albertus:

      Die Situation zuvor, in der man offene Arbeitsmärkte abfeierte und die Kritik der Arbeiter daran verteufelte, war das keine neoliberale Propaganda?

      Wenn man „die Ausländer“ fast ausschließlich als Fahrer, Paketboten, Bauarbeiter, Metzger, etc… braucht, ist das dann nicht rassistisch nur weil „EU“ draufsteht?

      Das Problem ist, wie sich jetzt zeigt hatten jene die zuvor als „Rechte“ gefremdelt wurden dahingehend Recht, dass die Arbeitsmigration sehrwohl zulasten der Arbeiterschaft geht. Und jetzt erklären Sie den Arbeitern mal, dass die Rechten nicht auch sonst Recht haben…

  • Merry Christmas!

  • Das wird hier auch so kommen, denn die Logik der Ausbeutung, gerne ohne langfristiges Konzept, ist die gleiche. Viele wichtige Bereiche hier funktionieren nur noch deshalb, weil sie von unterbezahlten Kräften aus Osteuropa abgedeckt werden, Pflege, Ernte, Transport, Lebensmittel usw.

    Wie dünn da das Eis ist, konnte seit Corona besichtigt werden, als Erntehelfer aus Osteuropa eine Sondergenehmigung für Einreise und Aufenthalt bekamen. Für die beschissenen Bedingungen und Hungerlöhne würde bzw *kann* keiner im Inland mehr arbeiten. Komischerweise hat die Landwirtschaft vor 50 Jahren auch ohne dieses Schneeballsystem funktioniert. Na klar, denn da passte zb die Bezahlung zu den Lebenshaltungskosten. Die - zb hohe Miete - nicht einfach so vom Himmel fallen. Und wo bleiben die Margen, wenn nicht bei den ausgebeuteten Arbeitern und den Landwirten? Beim Discounter.

  • > (Bildunterschrift) "Leeres Nudel­regal in London: Die Lieferprobleme reichen bis in die Super­märkte "

    Das liegt vielleicht /auch/ am Klimawandel, den daraus folgenden schlechten Ernten, hohen Preisen für Hartweizen und Gemüse, und den im Verhältnis zu stark steigenden Mieten / Hauspreisen und Lebenshaltungskosten seit 2008 stark gesunkenen Reallöhnen vieler Menschen in Großbritannien.

    Der Personalmangel betrifft allerdings auch viele Glieder der Lebensmittelversorgung: Landwirtschaft und Erntearbeit, LKW-Fahrer, Veterinäre, Arbeiter:innen in Fabriken für verarbeitete Lebensmittel wie Pizza, Gastronomie- und Verkaufspersonal. Und dazu noch teure Energie und zunehmend fehlende Rohstoffe, z.B. fehlt es an Chemikalien zur Abwasseraufbereitung - die Suppe läuft jetzt zum Teil ungeklärt in die Flüsse. Guten Appetit!

    • @jox:

      Äh, diese Auswirkung des Klimawandels, bzw. der gestiegenen Hartweizen- und Gemüsepreise konnte ich allerdings in hiesigen Läden/Supermärkten noch nicht ausmachen.

  • You asked for it. Schadenfreude über den Personalmangel ist in Deutschland dennoch nicht so ganz angebracht:

    Abgesehen von der Landwirtschaft und Schlachtereien arbeiten bei uns extrem viele Immigranten im Gesundheitswesen, und der Grund für deren hohen Anteil sind vor allem die miserablen Löhne und Arbeitsbedingungen. Dass man wichtige Arbeitskräfte anderer, etwas ärmerer Länder abwirbt und damit an Bezahlung und Ausbildungskosten spart, wird auch hier nicht ewig gehen.

    Und selbst in der Wissenschaft und eigentlich gut angesehenen technischen Berufen gibt es ähnliche Tendenzen.

    • @jox:

      Ja die Wirtschaft hierzulande weis schon warum die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU der geilste Scheiß seit dem afrikanischen Sklaven ist

  • Wen das alles überrascht, muss sehr blauäugig gewesen sein, als er/sie sich im Referendum für den Brexit entschied. Es wird Jahre dauern, bis sich die Lage in GB normalisiert - sofern nicht neue Pandemien oder sonstwelche Anomalie auftreten. Johnson und die anderen Brexiteers wird das alles nicht jucken. Die kriegen den französischen Weichkäse, der in den Supermarktregalen fehlt, per Privatjet eingeflogen, und tanken lassen sie von ihren Angestellten.

    • @Elena Levi:

      Sie haben es nicht verstanden. Wenn LKW-Fahrer plötzlich 60.000 verdienen, dann hatten die Brexiteers dahingehend Recht, dass die Arbeitsmigration die Löhne drückt.

  • Es tut mir echt leid für die ganzen Betroffenen persönlich.



    Ich bin gern in Großbritannien gewesen und hatte manchen guten Kollegen drüben.

    Aber es kann wirklich niemand sagen, dass man es nicht gewusst hat. Wenn ein ganzes Land einer schamlosen Boulevard(lügen)presse und einer selbstverliebten Polit-Kaste un ddem Clown zum Opfer fällt - und sich noch nicht mal um einfachste Fakten kümmert... - das macht mir Angst

    • @Tz-B:

      Was sind denn die Fakten? Da müssten wir auch mal über das Framing in deutschen Medien bezüglich des Brexit sprechen.

      Fakt ist doch auch, das schlechtbezahlte Jobs mit gleichzeitig hohen körperlichen Anforderungen anscheinend keiner machen will. Vielleicht mal die Arbeitsbedingungen ändern?



      Worüber beschwert sich dieser Geflügelfabrikant eigentlich? Das Briten nicht dazu bereit sind, für miesen Lohn eine Drecksarbeit zu machen? Das ist sein Argument für Zuwanderung?



      Nun müssen außerdem die Fernfahrer besser bezahlt werden, damit den Job noch jemand macht.

      Vor zwei Jahren wurden die sinkenden Immobilienpreise in London als Argument für den Niedergang Großbritanniens herangezogen. In einer der teuersten Städte der Welt sinken die Immobilienpreise und in Teilen der deutschen Presse wird das als Brexit-Fiasko gefeiert, während selbst die Mittelschicht kaum noch bezahlbaren Wohnraum in London findet.

      • @Alfonso Albertus:

        Löhne sind doch auch ein Spiegel von Angebot und Nachfrage. Wenn ich gut ausgebildet im Fachkräftemangel unterwegs bin, dann steigt halt der Lohn oder die Bedingungen oder beides.



        Genau das kann man bei (guten) LKW-Fahrern in Deutschland ja auch schon lange sehen. Wer seine Leute gut behandelt und fair bezahlt und vielleicht dann die beschissenen Touren liegen lässt, der hat mehr davon.

      • @Alfonso Albertus:

        Volle Zustimmung. Man ist hier krampfhaft damit beschäftigt zu mahnen, zu warnen, es gleich gewusst zu haben, etc…

        Dass sich gerade einige Versprechen der Brexiteers erfüllen will man nicht sehen. Höhere Löhne, sinkende Immobilienpreise, etc… was man hierzulande gerne hätte wird dort als Problem dargestellt an dem die Briten selbst Schuld seien.

        Jetzt muss man nur noch aufpassen, dass sich bei uns nicht genügend Leute finden die auch gerne schuld an solchen Großkatastrophen wie zB. steigenden Löhnen wären…

    • @Tz-B:

      > Aber es kann wirklich niemand sagen, dass man es nicht gewusst hat.

      Propaganda. Viele Leute in Deutschland lassen sich von den Impfgegnern und Rechten mit genauso übler Propaganda verarschen, die zum Teil wohl auch ähnliche Ziele hat.

  • GB war vorher am europäischen System angeschlossen. Mit allen Nach- und Vorteilen. Der Brexit wirkt für die Nachteile wie ein Katalysator. Die Probleme GBs sind die Probleme der EU. Wir werden in 5 - 10 Jahren auch einen Fahrermangel erleben. Der Frachtverkehr auf der Straße wird sich bis 2030 verzehnfachen. Schon heute sind es viel zu wenige Fahrer.

    • @Karlchen:

      Wenn es schon heute zu wenige Fahrer sind, dann wird sich der Frachtverkehr eben nicht verzehnfachen. Es sei denn man erlaubt den Einsatz dieser grässlichen Autopiloten, dann ist aber der Fahrermangel behoben. Also entweder oder, beides geht halt nicht.

  • Bei allem Verständnis für die Trucker -



    wie war das noch mit der Schadenfreude für einen selbst eingebrockten Schlamassel?

  • Bevor die nächsten Verschwörungsgerüchte aufkommen:



    wie kommt es zu Lieferschwierigkeiten und Warenengpässen auf dem Kontinent?



    Die IHK meinte heute, man müsse sich auf höhere Preise einstellen?



    Für welche Sachen? Warum?



    Gibt es einen Zusammenhang mit der Lage in Britain?

    • @nzuli sana:

      „ Für welche Sachen? Warum?“

      Die Antwort ist zweimal: Man weiß es nicht so genau.

      Es gibt Sachen wie Erdgas, da ist es schon nicht ganz so einfach, aber am Ende treiben da gerade die Panikkäufe in China die Preise.

      Und dann gibt es die hundertausend Dinge die wir uns im Laden kaufen können. In jedem dieser Dinge stecken viele Vorprodukte, dann sind wir schon bei Millionen Dingen. In diesen Dingen stecken wieder Vorprodukte, usw…

      Beim derzeitigen Stand der Globalisierung melden zB. Baumärkte einen Mangel an Gartenzwergen weil ein Schiff im Suezkanal steckt. Dieses eher heitere und einfache Beispiel zeigt aber, es hängt mittlerweile sehr an den Liefer- und Logistikketten und die sind weltweit durcheinander. Man weiß nicht was als Nächstes fehlt, man ist sich aber sicher, dass das Chaos nicht folgenlos bleiben kann.

      Ein anderes Beispiel. Wegen der hohen Gaspreise haben Ammoniakproduzenten die Produktion stark gedrosselt. Das Zeug braucht man für Dünger und als Grundstoff für manche chemischen Prozesse.

      Wir müssen also nächstes Jahr mit einer etwas geringeren Ernte rechnen und irgendwas mit Chemie wird bald Mangelware. Weil die Chinesen gerade weltweit panisch alles Gas aufkaufen.

      Das Gas brauchen die weil sie nen Handelskrieg mit Australien begonnen haben und jetzt kaum noch Kohle von denen bekommen.

      In GB wird das nochmal verschärft weil dort die ausländischen Lohnsklaven ausgehen die den Laden am Laufen halten. Was ich ja aus mehrerlei Gründen gut finde.

    • @nzuli sana:

      Die Logistik und Lieferketten weltweit ist einerseits von Corona-Schutzmaßnahmen betroffen, und davon dass Leute aus schlecht bezahlten, aber z.T. essentiellen Berufen raus gehen. Bei uns ist das z.B. sichtbar in der Gastronomie und im Hotelgewerbe, in den USA an Schiffen die nicht zeitig entladen werden können.

      Aber nirgends sind die Probleme so akut und umfassend wie in Großbritannien.