Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.
Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?
Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.
Danke für diesen Artikel. Mal sehn, ob die nächste Regierung den Niedriglohnbereich im Blick hat - oder nur genüsslich den Briten zuschaut.
Die Idee einiger Tories war 'eine Art Singapur des Westens', eine komplett deregulierte Steueroase, zu machen. Das hat nichts - aber garnichts - mit der tatsächlichen EU-Skepsis vieler Briten und den öffentlich propagierten Zielen des Brexit, 'die Kontrolle über das eigene Land zurückzugewinnen', nur wenig zu tun.
Die Milchmädchenrechnung:
Nach Aussagen des britischen Brexitministeriums ( DExEU bureau of National statistics) liegt der Einbruch des britischen BIPS beim Verlassen des single markets bei
- 5% . Das bedeutet:
- 99 billionen Pfund jährlich weniger
des britischen Inlandsproduktes
und 1,75 Millionen Jobs weniger.
Wenn nun 100.000 LKW - Fahrer fehlen, was nur die Spitze des Eisberges ist wenn man die gesamten Konsequenzen betrachtet, hat das nichts mit dem Lohnniveau zu tun -
sondern mit fehlenden Transport - Verträgen mit anderen Staaten und chaotischer Zollabwicklung an den britischen Grenzen.
Wenn ein britischer LKW Fahrer tagelang an der Grenze wegen unklaren Zollformalitäten herum steht - verdient er auch nichts - genauso wenig wie ei EU trucker.
Ein Trucker in DE verdient zwischen E 2500,- und E 5.500- Euro - je nach Qulifikation & ob er im Nah - und Fernverkehr beschäftigt ist. Das verdient ein britischer Trucker auch heute in der Krise nicht.
Die Brexit campaign wollte die Selbstbestimmung und ich, eher linkslastig, kann dazu nur ermunternd zurufen;
'Der Markt wird es richten.'
Die Gier nach Geld hat auch in UK zu üblen Geschäftsmodellen geführt die auf Leib und Leben der Beschäftigten wenig Rücksicht nehmen.
Bei uns gibt es dies, und das kann ich aus eigener Erfahrung sagen, auch. Zeitarbeit und Stockholmsyndrom hat dem Markt bei diesen Auswüchsen geholfen.
Auf die unsichtbare Hand hoffend verbleibe ich mit freundlichem Gruß,
Henry
PS: Das Buch 'Wohlstand für Alle' bleibt hoffentlich das einzige Schwarz-Grüne Projekt auf Bundesebene.
Auf den Punkt gebracht!
Herzlichen Dank an den Autor für das knappe und klare Resümee am Ende des Artikels.
Die Reaktion des Marktes sehen wir doch jetzt schon, es werden derzeit Rekordpreise für LKW Fahrer in England gezahlt, das ist dort jetzt ein sehr lukrativer Beruf.
Das wiederum dürfte dazu führen, daß er deutlich attraktiver für bisherige Nicht-LKW Fahrer wird und sich Leute überlegen eine entsprechende Ausbildung zu machen.
Es gibt also keinen Grund hier politisch einzugreifen. Die Krise wurde ja auch durch einen politischen Eingriff ausgelöst, besser also die Politik hält sich insgesamt heraus.
Zum 75. Jahrestag der DDR-Gründung tritt der einstige SED-Chef Egon Krenz in Berlin auf. Für Russland findet er lobende Worte, für die Ampel nicht.
Lkw-Krise in Großbritannien: Auslaufmodell Billigarbeit
Nicht nur Großbritannien, sondern ganz Europa hat ein Problem mit schlecht bezahlten Knochenjobs. Was es jetzt braucht: ein neues Wirtschaftsmodell.
Folge schlecht bezahlter Jobs: Lange Schlangen vor einer Tankstelle in London Foto: Martyn Wheatley/imago
Für die einen ist es eine Brexitkrise, die sich Großbritannien durch seinen Austritt aus der EU selbst eingebrockt habe. Für die anderen ist es eine Folge der Coronakrise, die die britische Regierung wie so vieles verspätet angehe. Auf jeden Fall werfen Hamsterkäufe an britischen Tankstellen und leere Regale in Supermärkten kein gutes Licht auf das Krisenmanagement von Premierminister Boris Johnson. Befristete Arbeitsvisa für 5.000 ausländische Lkw-Fahrer und 5.500 Arbeiter in der Geflügelindustrie sind da höchstens Notlösungen.
Das Problem liegt viel tiefer. Mehr als jedes andere Land in Europa verließ sich Großbritannien für seine ökonomische Transformation auf Osteuropa. Als die alten Industrien abstarben, konnten britische Unternehmen eine ganze Arbeitergeneration in Sozialhilfe und Rente abschieben und Millionen junge Billigkräfte aus dem Osten ins Land holen, um die neuen Dienstleistungsjobs zu übernehmen. Die Abgehängten rächten sich per Brexit-Volksabstimmung. In der Coronapandemie fielen dann viele dieser Arbeitsplätze weg, viele europäische Arbeitsmigranten gingen. Nun brummt die Wirtschaft wieder, und in Großbritannien gibt es fast zwei Millionen offene Stellen.
Bei den Lkw-Fahrern ist der Brexit nur ein kleiner Teil des Problems: 15.000 Lkw-Fahrer aus dem Ausland haben Großbritannien verlassen, aber 100.000 fehlen. Auch in Deutschland gehen doppelt so viele Lkw-Fahrer jedes Jahr in Rente wie neue dazukommen. Ganz Europa verlässt sich auf unsichtbare Billigarbeiter, die alles am Laufen halten. Doch das ist ein Auslaufmodell. Immer weniger Menschen sind zu schlecht bezahlter Knochenarbeit bereit, während zugleich der Bedarf steigt. Europas Bevölkerung schrumpft, und die Arbeitsmobilität nimmt zugleich ab.
Nicht nur Großbritannien, sondern Europa braucht ein neues Wirtschaftsmodell. Die Langzeitvision einer neuen, ökologischen Transformation löst die aktuellen Probleme nicht. Und auf die hat nicht nur Johnson keine Antwort.
Fehler auf taz.de entdeckt?
Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!
Inhaltliches Feedback?
Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.
Schwerpunkt Brexit
Kommentar von
Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
Themen