FDP bei Landtagswahlen Bayern und Hessen: Wahlschlappen reloaded
Für die FDP sieht es in Bayern und Hessen mau aus. In Bayern fliegen die Liberalen aus dem Landtag, in Hessen bleibt es eine Zitterpartie.
Von einem „traurigen Abend für den Liberalismus“ sprach der bayrische FDP-Spitzenkandidat, Martin Hagen am Wahlabend in München. „Es ist uns in aufgeheizten und polarisierten Zeiten nicht gelungen, mit unserer Botschaft bei den Wählern durchzudringen“, sagte Hagen. Er übernehme als Spitzenkandidat „natürlich“ die Verantwortung für das Wahlergebnis, die Niederlage werde in den Parteigremien umfassend analysiert werden.
Doch völlig überraschend kommt die Wahlschlappe nicht. Auch bei der letzten Wahl 2018 schaffte die bayrische FDP den Einzug mit 5,1 Prozent nur denkbar knapp. In Bayern haben es die Liberalen durch die Konkurrenz im bürgerlichen Lager durch CSU und die Freien Wähler besonders schwer.
Reihe an Niederlagen hält an
Doch auch in Hessen, wo die FDP seit 1983 ununterbrochen im Landtag sitzt, bleibt es eine Zitterpartie: Nach den ersten Hochrechnungen der Forschungsgruppe Wahlen steht die Partei bei 5 Prozent. 2018 kam sie immerhin auf 7,5 Prozent. FDP-Spitzenkandidat Stefan Naas, der sich im Wahlkampf auch als „Anti-Al-Wazir“ profilierte, hatte sich im Vorfeld für eine Deutschlandkoalition mit CDU und SPD ausgesprochen. Doch selbst wenn die FDP noch den Einzug in den Landtag schafft, hat sie keine Machtoptionen.
Die Wirkung der beiden Wahlniederlagen geht aber weit über die jeweiligen landespolitischen Gegebenheiten hinaus. Seitdem die FDP in der Ampelregierung im Bund mitregiert, musste sie bei den Landtagswahlen eine Reihe von Niederlagen einstecken. Im Saarland, Niedersachsen und Berlin verpassten die Liberalen jeweils den Einzug in den Landtag. In Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen verloren sie ihre Regierungsbeteiligung. Und bei der letzten Landtagswahl in Bremen schafften sie den Einzug ins Landesparlament nur knapp.
Mehr Krawall in der Ampel?
Unklar ist, wie sich die Wahlergebnisse auf die Stimmung in der Ampelkoalition im Bund auswirken. Nach jeder verlorenen Landtagswahl stellt sich immer dieselbe Frage: Bedeutet das mehr Krawall in der Regierung? Die Antwort darauf ist nicht leicht. Zwar mehren sich nach jeder Niederlage Stimmen in der FDP, die mehr „FDP pur“ und mehr Profil fordern, aber das Dilemma der Liberalen bleibt bestehen. Sie müssen in einer Regierung mit SPD und Grünen ihr Profil wahren, andererseits dürfen sie nicht so destruktiv wirken als wären sie Teil der Opposition. Zu viel Streit in einer Regierung wird von Wähler*innen nicht belohnt – den Liberalen ist das durchaus präsent.
Es ist eine Lehre aus dem Jahr 2013, das für die FDP einen Tiefpunkt in der Parteiengeschichte markiert. Damals flog die Partei aus dem Bundestag, nachdem sie zuvor gemeinsam mit der Union regiert hatte. Doch auch damals hatte es viel Streit innerhalb der Koalition gegeben. Zur Erinnerung: CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt betitelte den liberalen Koalitionspartner als „Gurkentruppe“. Am Ende landete die FDP völlig zerstritten in der außerparlamentarischen Opposition.
Nur vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, warum all die Niederlagen bislang nicht dem Parteichef Christian Lindner angelastet werden. Er gilt vielen immer noch als Retter. Lindner führte die Partei 2017 erneut in den Bundestag – auch wenn er damals einem möglichen Jamaika-Bündnis eine Absage erteilte. 2021 schmiedete er dann erstmals eine Ampelkoalition auf Bundesebene – doch mit dem Bündnis mit SPD und Grünen tut sich die FDP-Wählerschaft schwer.
Dennoch genießt Christian Lindner in der Partei immer noch viel Rückendeckung, offene Kritik an ihm gibt es kaum. Nur Gerhart Baum, der von 1978 bis 1982 Bundesinnenminister in einer sozialliberalen Koalition war, meldet sich gelegentlich kritisch zu Wort. Aber das bleibt folgenlos. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai gab schon vorsorglich im Vorfeld der Landtagswahlen in Bayern und Hessen bekannt, dass es unabhängig vom Erfolg oder Misserfolg keine Personaldebatten auf Bundesebene geben werde.
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