Extreme Hitze in Indien und Pakistan: Gelebte Klimakrise
Südasien ächzt unter einer Hitzewelle. Laut Studie hat der Klimawandel das Extremwetter viel wahrscheinlicher gemacht.
Es ist ein außergewöhnliches Wetterereignis. Es ist viel zu früh im Jahr für solche Temperaturen in der Region und sie halten untypisch lange an. Was naheliegt, hat eine Studie der internationalen Forschungsinitiative World Weather Attribution jetzt nachgewiesen: Das ist die Klimakrise. Zwar spielen beim Wetter immer viele – auch natürliche – Faktoren zusammen, das ist auch bei dieser Hitzewelle nicht anders, aber der Klimawandel hat sie 30-mal wahrscheinlicher gemacht.
„Wir wissen, dass das häufiger wird, da die Temperaturen steigen, darauf müssen wir uxns besser vorbereiten“, sagt der Klimaforscher Krishna AchutaRao vom Indian Institute of Technology Delhi, der an der Studie mitgearbeitet hat.
Was sich heute in Indien und Pakistan abspielt, ist der Studie zufolge ein Jahrhundertereignis. Das heißt zwar, dass es auch bei den jetzigen 1,1 Grad Erderhitzung noch relativ selten ist – aber gegenüber früher ist es eine massive Zunahme. Vor der Industrialisierung wäre eine solche Hitzewelle der neuen Studie zufolge noch nicht einmal ein Jahrtausendereignis gewesen. Man hätte sie nur alle 3.300 Jahre erwartet.
Mit fortschreitendem Klimawandel wird es noch öfter
Zu solchen Ergebnissen gelangen Klimaforscher:innen, in dem sie das betreffende Wetterereignis ganz genau untersuchen und verschiedene Klimamodelle mit seinen Eigenschaften füttern. Dann wird ermittelt, wie wahrscheinlich es war, dass genau dieses Wetterereignis auftritt.
Dasselbe wird danach noch mal gemacht, diesmal wird aber in den Modellen an der Treibhausgas-Konzentration in der Atmosphäre gedreht. Die Forscher:innen berechnen also, wie wahrscheinlich das Wetter ohne die CO2-Emissionen der Menschheit seit der Industrialisierung gewesen wäre. Der Unterschied lässt sich dem Klimawandel zuordnen.
Immerhin ist die Hitzewelle trocken, auch weil es noch so früh im Jahr ist. Rückt der Monsun näher, wird es feuchter. Für die Landwirtschaft ist zwar auch die Trockenheit ein Problem, die Kombination aus Hitze und Luftfeuchtigkeit ist aber gesundheitlich besonders gefährlich. Auch so aber sind schon fast 100 Tote gemeldet worden, eine hohe Dunkelziffer ist wahrscheinlich.
„In Ländern, zu denen solche Daten vorliegen, sind Hitzewellen die tödlichsten Extremwetterereignisse“, sagt die Klimaforscherin Friederike Otto vom Londoner Imperial College, die World Weather Attribution mitgegründet hat. Gleichzeitig sei das die Art von Wetterextrem, die auf einer sich erhitzenden Erde zunehme. Sie warnt: „Solange der Ausstoß von Treibhausgasen weitergeht, werden solche Ereignisse ein zunehmend typisches Desaster.“
Die Wissenschaftler:innen haben auch eine Prognose gewagt: Erhitzt sich die Erde um 2 Grad gegenüber vorindustriellem Niveau, droht so ein Ereignis alle fünf Jahre aufzutreten. Die Folgen treffen zwar vor allem die lokale Bevölkerung, wirken sich aber auch global aus. Aktuell hat Indiens Regierung beispielsweise einen Exportstopp für Weizen verhängt, was das durch den Krieg in der Ukraine dürftige Angebot auf dem Weltmarkt weiter verringert und die Preise explodieren lässt.
Auch Landwirt Singh macht sich Sorgen um die Zukunft. Es bleibe deshalb nicht viel anderes übrig, als auf hitzeresistentere Getreidesorten zu wechseln und die Anbauzeiten anzupassen, sagt der Agrarfachmann Singh. Außerdem sei immer mehr Bewässerung nötig. Und zwischen Wetterdienst und Landwirt:innen braucht es in Zukunft eine sehr kurze Leitung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“