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Erneuerbare EnergienSolaranlagen rauben sich gegenseitig die Erlöse

Solarstromanlagen machen sich gegenseitig die Erträge kaputt. Marktanalysten gehen davon aus, dass auch Speicher das Problem kurzfristig nicht lösen können.

Eine Photovoltaikanlage, an einem sonnigen Frühlingstag in Heilbronn, Deutschland, 2025 Foto: Daniela Simona Temneanu/imago

Berlin taz | Die Marktwerte für Strom aus fluktuierenden erneuerbaren Energien werden bis 2028 um mehr als ein Viertel sinken. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse der energiewirtschaftlichen Beratungsagentur Enervis im Auftrag des Softwareanbieters Node Energy.

Konkret soll der Marktwert einer Kilowattstunde Windstrom aus Anlagen an Land in den nächsten drei Jahren auf rund 5,6 Cent sinken. Für Photovoltaikanlagen erwarten die Analysten einen noch größeren Rückgang auf nur noch rund 3,7 Cent. Je nach Wetterjahr könnten die Werte sogar noch drastischer sinken – und je nach Anlagenzubau ohnehin.

Die Marktwerte sind jene Preise, die ein Anlagenbetreiber erzielt, wenn er den anfallenden Strom ungefördert und ohne Zwischenspeicherung am Spotmarkt verkauft. Am Spotmarkt ergibt sich für jede Viertelstunde ein neuer Preis, schlicht mathematisch generiert aus Angebot und Nachfrage. Somit hängt bei schwankenden Erzeugern, wie Wind und Solar, der mittlere Marktwert des Stroms davon ab, in welchen Stunden der Strom anfällt.

Das führt dazu, dass sich vor allem die Solarstromanlagen, die typischerweise weitgehend zeitgleich ihren Strom erzeugen, die Erträge gegenseitig kaputt machen. Denn immer, wenn viel Solarstrom anfällt, ist dieser angesichts des hohen Angebots kaum noch etwas wert. Von Kannibalisierung spricht die Branche.

Solarstrom ist in der Erzeugung billig

Entsprechend niedrig ist im Sommer inzwischen der betreffende Marktwert. Im Mai fiel er nach Berechnungen der Übertragungsnetzbetreiber für die Photovoltaik auf knapp unter zwei Cent je Kilowattstunde. Damit erreichte der PV-Wert nur noch knapp 30 Prozent jenes Wertes, den ein Grundlastkraftwerk im gleichen Zeitraum erzielte (6,7 Cent pro Kilowattstunde).

Diese 30 Prozent sind der niedrigste Monatswert in der Geschichte der Photovoltaik. Zwar ist die Erzeugung von Solarstrom sehr billig, doch das bringt wenig, wenn der Strom vor allem dann verfügbar ist, wenn er keine nennenswerten Erlöse mehr generiert.

Die aktuelle Analyse von Enervis macht wenig Hoffnung, dass sich die Marktwerte durch den Aufbau von Speicherkapazitäten schnell stabilisieren werden. „Mit einer kurzfristigen Trendumkehr bei der Kannibalisierung ist vorerst nicht zu rechnen“, sagt Christian Schock, Analyst bei Enervis. Zwar boome derzeit „das Thema Speicher“, gleichwohl könne der Ausbau „mit dem geförderten Zuwachs der Erneuerbaren noch nicht Schritt halten“.

Ausweg im langfristigen Ausbau von Co-Location-Speichern

Viele Betreiber ignorierten diese Entwicklungen noch, heißt es bei Node Energy. „In der Praxis sehen wir, dass die Hälfte der Betreiber in Deutschland noch nicht die Dramatik ihrer künftigen Erlösentwicklung realisiert hat“, sagt Firmengründer Matthias Karger. Viele Betreiber hätten sich angesichts bislang sicherer Zahlungen auf Basis des Erneuerbare-Energien-Gesetzes kaum mit echten Marktwerten beschäftigt. „Das verhindert einen realistischen Blick auf die Zukunft“, sagt Karger.

Auswege sieht Node Energy langfristig im Ausbau von Co-Location-Speichern. Das sind solche, die sich noch vor dem Einspeisepunkt der Erzeugungsanlagen befinden und es damit ermöglichen, dass die Einspeisung ins öffentliche Netz um einige Stunden verschoben wird. Damit könnten „Kannibalisierungseffekte besser ausgeglichen werden“.

Eine andere Variante seien sogenannte PPAs (Power Purchase Agreements), betont Node Energy. Damit sind zumeist mehrjährige Stromlieferverträge zwischen Stromproduzenten und Stromabnehmern gemeint. Da der Auftraggeber der aktuellen Marktanalyse solche Verträge anbietet, liegt dieser Tipp freilich nahe.

Das grundsätzliche Problem der Kannibalisierung lösen PPAs unterdessen nicht – sie können allenfalls jenen Marktakteuren günstigere Konditionen sichern, die die Entwicklungen früher erkennen als andere.

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6 Kommentare

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  • Auch wenn der Speicherausbau verschlafen wurde..und nun nicht ausreichend schnell den "Kannibalisierungseffekten" entgegen wirken kann: Speicher sind (mittel bis langfristig) die Lösung.







    Dabei braucht es zwei Typen von Speichern:

    1) Feststoffbatterien wie z.B. Natrium-Ionen Speicher, die kurzfristige Überschüsse auffangen. Gut für den Eigenheimbesitzer oder Firmen, die sich die Preisdifferenzen teuer bezahlen lassen.. Solche Anlagen sind gut geeignet um im Tage bis maximal Wochenrhytmus überschüssigen Strom nutzbar zu machen.



    2) Für längerfristige Phasen wie etwa winterlicher Dunkelflauten braucht es entsprechend ausgelegte Speicher. Wobei neben Pumpspeicher- und ähnlicher Technologien vor allem sog. Redox-Flow Batterien in Frage kommen. Denn diese Speichern Strom in Elektrolyten - also in Flüssigkeiten, die sich in unbegrenzter Menge in großen Tanks vorhalten lassen.







    Nur mit beiden Technologien zusammen kann die Energiewende wirklich gelingen. Wobei für die Langfriststrategie vor allem der Staat gefragt ist.

    Zum Abschluss noch eine Zahl: wir geben pro Jahr etwa 84 Mrd € für Öl- und Gasimporte aus. Wenn wir irgendwann autark sind, fallen diese Kosten dann weg..

  • Ich muss zugeben ich verstehe jetzt nur bedingt das Problem hier. Das wirtschaftliche Argument der Erneuerbaren war doch immer wie günstig das alles wäre. Weil ja volkswirtschaftliche Argumente wie Kosten der Verschmutzung der fossilen Alternativen meist nicht zählen bei den meisten Menschen. Scheint für viele zu abstrakt zu sein... Also das es sehr günstig ist war also allen klar und war auch das Verkaufsargument. Verstehe jetzt nicht wo das Problem liegt. Wurde auch im Artikel nicht wirklich erklärt...

  • Die Marktwerte für Strom aus fluktuierenden erneuerbaren Energien werden bis 2028 um mehr als ein Viertel sinken.



    ----



    Ist mMn. ein Problem von Großprojekten. Gerade Solar-Strom "schreit" nach dezentraler Vernetzung.



    In der "letzten Masche" und eine Ebene darüber mit Rückspeisemöglichkeit macht "hat Photovoltaik mehr Sinn"!



    Auch "Kleinspeicher am Entstehungsort im Haushalt" scheinen da sinnvoller!



    Das spart "Durchleitungskosten" & entspricht mehr den Verbrauchsgewohnheiten in den Haushalten!



    Btw. Doch so lange unsere Politiker "in Großprojekten" aks "Kraftwerken "denken", es nicht zur dezentralen Erzeugung kommt, wird sich da wohl nicht viel ändern!



    Btw. Das o.a. gilt mMn. auch für Windkraft. Als Gemeinde, Dorfprojekt zur Versorgung dezentral, regional, ... rechnen die sich auch besser, & es gibt auch weniger Widerspruch.



    Ps. Energiewende mit "Denken" im Stil von Großversorgen widerspricht sich. Doch DAS mach mal unseren "Industrie fixierten Volksvertretern" klar! Frei nach dem Spruch:



    "Allmende? Daran können die "Freunde" ja nichts mehr verdienen!" :-(

  • Echt jetzt, mehr PV und mehr Windkraft bringt nichts, wenn die Anlagen bereits jetzt mehr produzieren, als sofort abgenommen wird?



    Wenn wir das nur früher gewusst hätten. Dann hätten wir doch mehr Speicher gebaut. Warum hat uns das keiner gesagt?

    Naja, die Industrie wartet einfach so lange, bis die Politik auch hier mit Geld winkt.

    Warum schafft es Deutschland immer wieder gute Ideen maximal schlecht umzusetzen?

    • @Herr Lich:

      Ein nicht ganz geringes Problem ist, dass es wohl auch absehbar keine großen, saisonalen Speicher geben wird.



      Diejenigen, die jetzt hektisch und mit hohen Kosten gebaut werden, deren Kapazitäten halten lediglich Minuten bis Stunden, im Ausnahmefall auch mal einen Tag.

  • Der Wahnsinn dabei ist, dass auch neue Flächenanlagen genau Richtung Süden ausgerichtet sind, meist mit ca. 30 % Neigung.



    Dadurch gibt es einen riesigen Peak um die Mittagszeit, morgens und abends dafür sehr wenig.



    Ließe sich ändern durch Ost- und / oder Westausrichtung der Anlagen, kommt hoffentlich mit marktgerechter Bezahlung...