Enttäuschendes Klimakabinett: Die Streiks müssen weitergehen
Zu spät, zu niedrig, zu unklar. Die Beschlüsse des Klimakabinetts sind ein Anfang, aber bringen kaum Perspektive für die Zukunft.
V ergleicht man die aktuellen Beschlüsse des Klimakabinetts mit dem, was noch vor einem Jahr klimapolitisch für möglich gehalten wurde, ist durchaus ein Fortschritt zu sehen: Über einen Preis auf CO2 wollte die Union damals noch nicht mal reden, Milliarden-Investitionen in umweltfreundliche Infrastruktur galten als ausgeschlossen, und selbst für die von allen Seiten gewünschte Förderung für die Dämmung von Wohnhäusern fand sich keine Mehrheit.
Ein Jahr später hat sich die Debatte gedreht. Die Klimakrise ist das dominierende politische Thema. Getrieben von Schüler*innen, die seit knapp einem Jahr auf die Straße gehen, und von Umfragen, in denen eine breite Mehrheit für entschiedenen Klimaschutz plädiert, konnten Union und SPD das Thema nicht weiter ignorieren. Das zumindest ist ein Erfolg für die neue Klimabewegung, die mit dem weltweiten Streik am Freitag einen neuen Höhepunkt erlebte.
Doch damit enden die guten Nachrichten leider auch schon. Denn der Vergleichsmaßstab für die aktuellen Beschlüsse ist nicht, was vor einem Jahr denkbar schien. Sondern das, was zum Erreichen der Pariser Klimaziele notwendig wäre. Und da fällt das Urteil leider vernichtend aus.
Die Vorschläge, die die Groko in ihrer Nachtsitzung ausgearbeitet hat, reichen nicht mal ansatzweise aus, um Deutschland auf einen Kurs zu bringen, der mit dem 1,5-Grad-Ziel in Einklang steht.
Der Kompromiss macht sprachlos
Denn die Regierung hat zwar einige sinnvolle Einzelmaßnahmen wie billigere Bahntickets und höhere Zuschüsse für Elektroautos verabschiedet. Doch bei den großen Stellschrauben haben Union und SPD komplett versagt. Weil die Union das Wort „Steuer“ um jeden Preis verhindern wollte, kommt der Einstieg in die CO2-Bepreisung in Form des weitaus komplizierteren Emissionshandels.
Aber vor allem kommt der CO2-Preis so spät, so niedrig und mit einer so unklaren Zukunftsperspektive, dass die Wirksamkeit dieses eigentlich richtigen Instruments gegen null tendieren wird. Dass die SPD diese Katastrophe auch noch als gelungenen Kompromiss verkauft, macht nur noch sprachlos.
In diesen Tagen dreht sich alles ums Klima. Aus dem einsamen Protest von Greta Thunberg in Stockholm ist eine globale Bewegung geworden. Sie ruft zum weltweiten Streik auf. Am 20. September protestiert „Fridays For Future“ in 400 deutschen Städten, weltweit soll es 2.000 Aktionen in 120 Ländern geben. Gleichzeitig stellt die Bundesregierung die Weichen für eine strengere Klimapolitik.
Die taz ist Teil der Kampagne „Covering Climate Now“. Mehr als 200 Medien weltweit setzen bis zum UN-Klimagipfel vom 21. bis 23. September in New York gemeinsam genau ein Thema: Klima, Klima, Klima.
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Zudem fehlt ein klares Verfahren, wie die Einhaltung der Ziele überwacht und bei drohender Verfehlung nachgesteuert wird. Denn das ist das Kernproblem jeder Klimapolitik: große Ziele, kleine Umsetzung. Dass das Klimakabinett diese Aufgabe selbst übernehmen will, lässt Schlimmes ahnen. Denn schon bisher hat es sich gern mal der Realität verweigert, wie das aktuelle Klimakonzept beweist.
Mit diesem Paket bis 2030 die nötigen 300 Millionen Tonnen CO2 im Jahr zu sparen, ist praktisch ausgeschlossen. Und selbst wenn das durch ein Wunder doch gelingen sollte, wäre das Ziel noch lange nicht erreicht. Denn das deutsche Klimaziel ist längst überholt; um mit Paris im Einklang stehen, müsste etwa 1,5 mal so viel CO2 eingespart werden. Doch obwohl sich die Regierung in ihrem aktuellen Papier zum globalen 1,5-Grad-Ziel bekennt, weigert sie sich bisher, die deutschen Emissionsziele entsprechend anzupassen.
Für die Klimabewegung können die aktuellen Klima-Beschlüsse darum nur ein Ansporn sein, weiterzumachen. Die Themensetzung und die Rhetorik haben die Proteste immerhin schon verändert. Wenn der Druck von der Straße im nächsten Jahr so weitergeht, wird daraus ja vielleicht auch noch reale Klimapolitik. Das wäre auch dringend nötig.
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