Enttäuschendes Ende der COP27: Mit Vollgas Richtung Klimahölle
Der größte Erfolg von Scharm al-Scheich war, dass es keine Rückschritte gab. Das illustriert, wie jämmerlich die Klimapolitik auf globaler Ebene ist.
D ie COP27, die nun quälend spät zu Ende gegangen ist, war in vielen Belangen historisch: Zum ersten Mal wurde ein Fonds für die Hilfe bei Klimaschäden beschlossen. Zum ersten Mal hat eine Präsidentschaft, die ägyptische, alle Ausgewogenheit einer UN-Konferenz missachtet, die Sicherheitsregeln gebrochen, die Menschenrechte geknebelt und die Konferenz an den Rand des Abbruchs getrieben. Und zum ersten Mal hat die EU versucht, beim Klima als ernst zu nehmender Player zu agieren – und ist damit nur halb erfolgreich gewesen.
Nicht zum ersten Mal jedoch hat die Konferenz leider mal wieder eine ganze Reihe von Chancen verpasst, die Klimakrise wirklich anzugehen: einen entscheidenden Ausstieg aus allen fossilen Energien zu beschließen, die Subventionen zu kürzen, die Erneuerbaren massiv auszubauen, die Wälder wirklich zu schützen – nicht nur Ankündigungen, sondern ernsthafte Ziele und Kooperationen. All das hat es viel zu wenig gegeben und der Weg in die Heißzeit ist weiter vorgezeichnet.
Der größte Erfolg von Scharm al-Scheich war – neben dem Fonds für Klimaschäden, der eine wirkliche Errungenschaft ist, die kaum jemand erwartet hatte – die Tatsache, dass es keine Rückschritte gegenüber den Beschlüssen von Glasgow 2021 gab. Das illustriert, wie jämmerlich unzureichend die Klimapolitik auf globaler Ebene ist. Bei allen Fortschritten bei den Erneuerbaren und bei regionalen Erfolgen sind wir weiter auf einem „Highway in die Klimahölle“, wie UN-Generalsekretär António Guterres zu Beginn der COP warnte. Und wir freuen uns darüber, dass es nicht noch schlimmer wird – anstatt endlich irgendwann damit anzufangen, tatsächlich die Emissionen radikal zu senken, wie es die Wissenschaft fordert.
Denn auch das galt als Erfolg von Scharm al-Scheich: Die 1,5-Grad-Grenze wurde verteidigt. Das heißt, sie wurde nicht verteidigt. Was für erfolgreich gehalten wurde, war der Beschluss, die 1,5 Grad bis 2100 nicht zu überschreiten. Ob das naturwissenschaftlich noch machbar ist oder nicht, ist fast nachrangig. Es ging um den politischen Beschluss. Es verschleiert aber, dass die wirkliche Gefahr für die 1,5-Grenze nicht so sehr von denen ausgeht, die die Beschlüsse zurückdrehen wollen. Sondern von denen, die weder die Beschlüsse fassen noch die Politik machen, damit die Emissionen so radikal sinken können, wie es nötig ist.
Die sitzen nicht nur in China oder Saudi-Arabien, sondern überall da, wo gegen radikale und schnelle Klimapolitik Front gemacht wird. Denn nur so lässt sich beim Abbiegen vom Highway Richtung Klimahölle noch die Kurve kriegen. Die Ausfahrt Scharm al-Scheich haben wir verpasst. Mit Vollgas.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen