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Entlastung bei der StromsteuerViel Geschrei um marginale Entlastungen

Bernward Janzing
Kommentar von Bernward Janzing

Populisten in der Politik und Lobbyisten in der Wirtschaft haben das Thema hochgejazzt. Dabei hilft eine geringere Stromsteuer den Verbrauchern kaum.

Viel Wind um die Stromsteuer: Den Verbrauchern würde die Abschaffung wenig helfen, die Einsparung ist zu gering Foto: Gerhard Leber/imago

A llzu drastische Formulierungen von Lobbyisten sind oft entlarvend. So auch bei der Stromsteuer. Wenn – wie geschehen – ein Stromversorger die Entscheidung des Koalitionsausschusses, die Stromsteuer nicht zu senken, als „Schlag ins Gesicht für alle Stromkunden“ bezeichnet, dann hat die Debatte längst jedes sachliche Niveau verlassen. Worüber reden wir? Über nicht einmal 0,6 Prozent der Steuereinnahmen in Deutschland – damit ist die Stromsteuer vor allem ein Symbol. Für die wirtschaftliche Situation von Privathaushalten ist sie kaum relevant, schließlich geht es gerade mal um zwei Cent pro Kilowattstunde.

Ein Haushalt, der einigermaßen sparsam mit Strom umgeht, bezahlt also maximal fünf Euro im Monat an Stromsteuer, was ein marginaler Posten im Vergleich zu anderen Abgaben ist. Bizarr, dass die Debatte trotzdem so aufgeheizt ist. Oder wäre es vorstellbar, dass die ganze Nation leidenschaftlich über eine Neuerung bei der Einkommensteuer diskutiert, die lediglich einen einstelligen Eurobetrag pro Monat umfasst? Wohl kaum.

Unterschiedliche Akteure haben die Stromsteuer hochgejazzt. Zum einen kommen sie aus der Politik. Da jeder Bürger Stromkunde ist, kann auf Wählerstimmen hoffen, wer niedrigere Strompreise propagiert. Da zugleich erschreckend viele Stromkunden nicht einmal wissen, wie viele Kilowattstunden sie im Jahr verbrauchen, lässt sich leicht der Eindruck erwecken, es ginge um eine echte Entlastung – und die politischen Verfechter können sich als Wohltäter brüsten. Purer Populismus eben.

Ein stromsparender Haushalt zahlt maximal fünf Euro im Monat Stromsteuer

Hinzu kommen als Treiber der Debatte die Lobbyinteressen der Wirtschaft. Vorne mit dabei sind die Stromversorger, die gerne noch mehr ihrer Energie absetzen würden – was ihnen naturgemäß leichter fällt, wenn der Strom billiger wird. Auch wenn nicht alle Unternehmen sofort die ultimative rhetorische Keule aus ihrem PR-Arsenal hervorkramen, also den zitierten „Schlag ins Gesicht“, liest man doch auch andernorts in der Strombranche von „herber Enttäuschung“ darüber, dass die Bundesregierung sich nicht auf eine geringere Steuer einigen konnte.

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Neben den Stromversorgern klinken sich natürlich auch jene Branchen in die Debatte ein, deren Geschäftsmodell am Strompreis hängt. Die Wärmepumpenbranche zum Beispiel. Von jeher trommelt sie für billigen Strom, was man ihr nicht verdenken kann. Was aber eben auch nichts anderes als Lobbyinteresse ist. Sie will halt ihre Geräte verkaufen.

Somit hat die Debatte über eine mögliche Senkung der Stromsteuer eine erschreckende Schlichtheit erreicht. Sie wird nur noch singulär geführt, also allein im Sinne von „Stromsteuer ja oder nein?“. Doch die reale Welt ist komplexer. Erinnern wir uns: Die Stromsteuer wurde 1999 eingeführt, um mit dem Geld die Rentenversicherungsbeiträge zu stabilisieren, um also den Faktor Arbeit zu entlasten. Der Ansatz war damals richtig – und das ist er noch heute. Leider geht dieser Aspekt im aktuellen Stromsteuer-Geschrei unter.

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Bernward Janzing
Fachjournalist mit Schwerpunkt Energie und Umwelt seit 30 Jahren. Naturwissenschaftler - daher ein Freund sachlicher Analysen.
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