Eingestellte US-Waffenlieferungen: Nicht nur die Ukraine droht zum Opfer zu werden
Europa zeigt sich gegenüber der unter immensem Druck stehenden Ukraine klar solidarisch. Das ist erfreulich. Und doch braucht es jetzt eine klare Strategie.

V ollkommen überraschend kommt der Schritt der US-Regierung zwar nicht mehr, die Militärhilfe an die Ukraine auszusetzen. In den drei Wochen seit Trumps erstem Telefongespräch mit Wladimir Putin und dem Affront seines Vizepräsidenten J. D. Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz hat die Trump-Regierung den Bruch mit der Ukraine und den europäischen Regierungen nahezu täglich deutlicher akzentuiert – bis hin zu dem denkwürdigen Spektakel im Weißen Haus am Freitag vergangener Woche. Dem rhetorischen Verrat an der angegriffenen Nation folgt nun mit der Einstellung der Waffenhilfe auch der materielle.
Glaubhaft ist, dass Trump ein Ende der Kampfhandlungen in der Ukraine erreichen will – allein schon, um irgendeinen Vorwand zur Aufhebung der Sanktionen gegen Russland zu haben und endlich mit dem von ihm hochgeschätzten Kremlführer Geschäfte machen zu können. Nur ist ihm die Ukraine dabei vollkommen egal, oder genauer: Sie ist ein Störenfried, wie er ihn auch in der eigenen Einflusszone nicht würde dulden wollen.
Wie den europäischen Unterstützerländern geht es auch ihm im Fall der Ukraine darum, einen Präzedenzfall zu vermeiden. Nur meint er das exakte Gegenteil: Wenn Europa davon spricht, die gewaltsame Verschiebung von Grenzen dürfe nicht geduldet werden, meint Trump wie Putin, mangelnder Respekt vor dem legitimen Hegemonialanspruch des Stärkeren sei das eigentliche Problem.
Mit Ausnahme der putinfreundlich regierten Länder Ungarn und Slowakei positioniert sich Europa inklusive Großbritannien erfreulich klar solidarisch. Aber die Staaten kommen aus dem Dilemma nicht heraus, die US-Militärhilfe kurzfristig nicht ersetzen zu können. Deshalb betteln sie dennoch dauernd Trump an, Washington möge doch an Bord bleiben, wenigstens noch ein bisschen. Auch das ist entwürdigend – wäre aber hinzunehmen, wenn es denn zum Erfolg führte. Doch für einen skrupellosen Zocker wie Trump ist das vermutlich zu durchsichtig.
Wichtig werden wohl in den nächsten Wochen vor allem drei Dinge: Europa muss die begonnenen Bemühungen um die eigene Verteidigungsfähigkeit mit Taten – und Geld – unterlegen. Die europäischen Regierungen müssen dabei innenpolitisch gegen die Antidemokraten im eigenen Land überzeugen; und – extrem wichtig, wenn sich die Ukraine nicht auch noch von Europa verraten fühlen soll – Europa muss sich nicht nur untereinander gut abstimmen, sondern wirklich jeden einzelnen Schritt mit Kyjiw absprechen. Klappt irgendetwas davon nicht, gerät nicht nur die Ukraine unter die Räder des imperialen Autoritarismus.
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