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EU zu Russlands Ukraine-VorstoßVon Putin kalt erwischt

Die Hoffnung Deutschlands und Frankreichs, weiter im Normandieformat verhandeln zu können, ist dahin. Jetzt muss sich die EU neu einigen.

Kündigt Sanktionen gegen die direkt Beteiligten an: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Foto: ap

Brüssel taz | Die EU ist von Wladimir Putins Entscheidungen kalt erwischt worden. Deutschland und Frankreich hatten noch am Montag gehofft, dass die Gespräche mit Russland und der Ukraine über das Minsker Abkommen im sogenannten Normandie-Format weiter geführt werden könnten. Nun ist das Minsker Abkommen passé, Berlin und Paris sind brüskiert.

Die EU-Kommission setzte auf harte Wirtschaftssanktionen, die Putin abschrecken sollten. Doch die Abschreckung hat nicht gewirkt. Es ist nicht einmal mehr klar, ob die Sanktionen im angekündigten Umfang kommen werden. Die Entscheidung soll bei einem Krisentreffen der Ständigen Vertreter (EU-Botschafter) am Dienstagmorgen fallen.

„Die Union wird Sanktionen gegen diejenigen verhängen, die an dieser rechtswidrigen Handlung beteiligt sind“, hieß es am Montagabend in einer Stellungnahme von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Wenn es dabei bleibt, wäre vor allem das Umfeld von Putin betroffen. Auch Putin selbst könnte abgestraft werden.

Die ursprüngliche Sanktionsdrohung ging aber viel weiter. Sie reichte von der Stilllegung der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 über die Abschneidung Russlands von den Finanzmärkten bis hin zu Exportverboten, insbesondere für Hightech. Es ist ein Plan für den Wirtschaftskrieg – doch davor schreckt die EU offenbar noch zurück.

Man rechne zunächst mit abgestuften Sanktionen, heißt es in Brüssel. Diese könnten sehr schnell verhängt werden. Für den großen Sanktionshammer müsste dagegen wohl noch ein Sondergipfel einberufen werden. Für Strafmaßnahmen ist Einstimmigkeit nötig. Gegen Wirtschaftssanktionen hatten Italien und Österreich bis zuletzt Vorbehalte.

Ratspräsident Charles Michel versicherte dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski die „volle Solidarität“ der EU. „Die EU steht fest an Ihrer Seite und unterstützt uneingeschränkt die territoriale Integrität der Ukraine“, schrieb Michel bei Twitter. Russlands Vorstoß sei ein Angriff auf internationales Recht und die auf Regeln basierende internationale Ordnung.

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6 Kommentare

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  • Sanktionen wird es vor allem solche geben, die der Wirtschaft der EU-Mitgliedsstaaten nicht weh tun. Vermögen irgendwelcher Bonzen einzufrieren, wird Putin wahnsinnig hart treffen. Die haben schließlich ihr Vermögen ausschließlich auf Konten, die die EU sperren kann. Wegen der hohen Znsen, die es hier derzeit gibt. Und Nordstream 2 in den Orkus zu schicken, dazu fehlt der Regierung der Mut. Dabei würde das Russland ganz empfindlich treffen. Den deutschen Verbraucher zugegebenermaßen auch, allerdings nicht so hart wie die Menschen in der Ukraine ein Krieg treffen wird.

  • dpa (vom Montag ?) : "Beschlossen werden müssen alle Sanktionen letztlich vom EU-Ministerrat. Die Entscheidung kann auch im schriftlichen Verfahren erfolgen. Über das genaue Vorgehen werden sich voraussichtlich die Außenminister bei einem Sondertreffen an diesem Dienstag in Paris abstimmen."



    Tja, und dat Dreijestirn Irland Österreich Deutschland tritt an eben jenem Dienstag auf eben jebem Treffen dann kräftig auf die Bremse.... Alaaf !

  • Warum sollte die EU von Putin kalt erwischt worden sein? Natürlich hat die Gemeinschaft noch auf Verhandlungen gesetzt, was denn sonst?? Gleichzeitig scheint es ja so zu sein, dass sie mögliche Sanktionen bereits diskutiert und vorbereitet hat, andernfalls könnten diese jetzt nicht so schnell verkündet und umgesetzt werden. DAs ist das Gegenteil von kalt erwischen lassen. Manchmal frage ich mich, ob es beim Zeitungsmachen nur noch um die klick-versprechende Schlagzeile geht...

  • Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Fakten, die Putin mit dieser Anerkennung jetzt geschaffen hat, nicht auch schon in einer der zahlreichen durchgespielten Varianten der westlichen Militärstrategen vorhanden war. Problematisch ist da wohl eher, dass man diese Variante als eher unwahrscheinlich nach hinten gerückt hat. Dabei sollte jedem westlichen Politiker, der Russland über das letzte Jahrzehnt beobachtet hat, doch längst klar sein, dass man bei Putin stets das Unerwartete erwarten darf und insbesondere die Missachtung internationaler Gepflogenheiten miteinrechnen muss. Zudem hätte man längst hellhörig sein müssen, seit in den beiden Gebieten russische Ausweispapiere ausgegeben wurden. Da zeichnete sich doch bereits Moskaus Marschrichtung ab!

    Die sich nun stellende Frage ist: Treibt Putin die "Rest-Ukraine" dadurch nicht noch mehr in die Arme der NATO. Wenn Kiew jetzt nicht allen Grund dazu hat, wann dann? Genau solche Szenarien haben die baltischen Staaten vermutlich gedanklich antizipiert, als sie sich der NATO anschlossen. Aber vielleicht hat auch Putin nur "gedanklich antizipiert", und sich gedacht, dass es nur eine Frage der Zeit wäre, bis die Ukraine der NATO beitritt, selbst ohne die aktuellen Entwicklungen. Er hat sich eben schnell noch geholt, was er sich noch holen konnte. Allerdings hatte er dazu sicher schon einen strategischen Mehrjahresplan.

    Mir tut es um all die Menschen leid, die zum Opfer dieser mehr als unnötigen russischen Machtspielchen geworden sind.



    Russland ist groß genug, und hat ausreichend innenpolitische Probleme (Klimawandel-> sibirische Waldbrände, auftauender Permafrost, Bildung einer russischen Identität über die vielen dort lebenden Ethnien hinweg, Bekämpfung wirtschaftlicher Probleme durch Diversifizierung weg von Energierohstoff- und Militärindustrie und durch Abmildern der Schere zwischen Arm und Reich [Oligarchen!], welche die ganze Kraft eines Staatslenkers bräuchten - als solcher hat er m.E. daher kläglich versagt!

  • Der geopolitische Konflikt um die Ukraine erinnert uns Sicher alle daran, was für ein wertvolles Gut der Frieden ist. Meinungsunterschiede können im Gespräch überwunden werden und gemeinsame Wege können vereinbart werden. Nach Terror, Gewalt und Krieg gibt es am Ende nur Verlier mit schweren Wunden für Individuen, Familien, Gruppen, Gesellschaft und Umwelt.



    Wunden, die dann sehr sehr lange Zeit brauchen um zu heilen und die dennoch narben hinterlassen. In Europa und Deutschland wissen wir aus dem 20 Jahrhundert leider was das alles bedeuten kann. Mit diesen traurigen Erfahrungen im Rücken, sollten wir alles was in unserer Macht steht tun, um gewaltsame Konflikte, Terror und Krieg zu verhindern.



    Wir sollten deswegen deutlichen Zeichen gegen Krieg setzen und uns geschlossen als Gesellschaft (Lokal, Regional, National und International) für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit zeigen.