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EU-Richtlinie zu Gewalt gegen FrauenDeutschlands Nein zu „Ja heißt Ja“

Gewalt gegen Frauen soll in der EU bald einheitlich bestraft werden. Eine „Ja heißt Ja“-Regelung ist nicht Teil der Richtlinie. Deutschland hat das blockiert.

Frauen protestieren 2019 in Brüssel gegen männliche Übergriffe Foto: Brian Arnaud/picture alliance

Berlin taz | Das Verschicken intimer Bilder ohne Einwilligung, Cyberstalking und -mobbing sowie Deepfakes und Zwangsheirat stehen in der gesamten Europäischen Union bald unter Strafe. Darauf haben sich Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten geeinigt, wie Věra Jourová, EU-Kommissarin für Werte und Transparenz, am Dienstag mitteilte. Dass Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt künftig einheitlich bestraft werden, ist ein Novum in der EU.

„Die Einigung zur EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ist ein Meilenstein für Frauen in Europa“, sagte dazu Familienministerin Lisa Paus (Grüne). „Mit der Einigung sendet die EU das klare Signal: Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt in Europa müssen konkret eingedämmt werden. Jetzt ist ein wichtiger Erfolg erzielt, die politische Auseinandersetzung für mehr Schutz für Frauen vor Gewalt wird weitergehen.“

Die Kommission und das Parlament hatten auch vorgeschlagen, dass der Straftatbestand der Vergewaltigung vereinheitlicht wird. Aufgrund von Widerständen der größten EU-Mitgliedsstaaten, Deutschland und Frankreich, wurde dieser Passus entfernt. Strafrecht sei kein EU-Recht, da laut Artikel 83 Absatz 1 der Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) einheitliche Regelungen nur im Bereich der als EU-Straftat aufgezählten Verbrechen möglich seien. Dazu zählt etwa Menschenhandel oder Geldwäsche. Eine solche Verankerung sei also vor Europagerichten angreifbar, so die Argumentation. Dies ist jedoch juristisch umstritten, 13 Mitgliedstaaten hatten sich für eine einheitliche Regelung ausgesprochen.

Strafrechtlerinnen des Deutschen Juristinnenbundes (djb) betonten in einer Stellungnahme, dass die EU durchaus die Kompetenz habe, Vergewaltigung auf EU-Ebene zu regeln. Der djb beruft sich unter anderem auf die EU-Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie Kinderpornografie. „Sexuelle Ausbeutung“ sei darin so definiert, dass Straftaten harmonisiert werden können, auch jenseits wirtschaftlicher Faktoren wie etwa beim Menschenhandel zwecks sexueller Ausbeutung: „Dabei enthält die Richtlinie auch Vorschriften, bei denen der Schwerpunkt auf der Gewaltanwendung und der erzwungenen sexuellen Handlung liegt.“

„Eine große Enttäuschung“

Damit der Sex als einvernehmlich gilt, sollte eigentlich das Prinzip „Ja heißt Ja“ gelten, so war es in einem Entwurf der Kommission vom März 2022 vorgesehen. Neben der Streichung dieser Regelung gilt deshalb noch der Grundsatz: Täter können nicht EU-weit wegen Vergewaltigung belangt werden, wenn sie dem Opfer keine Gewalt angedroht oder an ihm ausgeübt haben. Dass Sex auf Konsens basiert, ist laut Richtlinie jedoch Standard für die Präventionsarbeit.

Die irische Christdemokratin Frances Fitzgerald sprach dazu am Mittwoch im Parlament. „Heute machen wir den ersten Schritt, um Europa zum ersten Kontinent der Welt zu machen, der Gewalt gegen Frauen beseitigt“, so die Verhandlungsführerin des Europaparlaments: „Wir konnten eine auf Einvernehmlichkeit basierende Definition von Vergewaltigung nicht in der Richtlinie unterbringen. Das ist eine große Enttäuschung.“ Auch die EU-Abgeordnete Birgit Sippel (SPD) ist unzufrieden: „Es sagt etwas über den Zustand der FDP aus, die sich angesichts sehr schlechter Umfragewerte offenbar bemüht, ihr persönliches Profil zu schärfen, auf Kosten von Rechtssicherheit in Europa, zu Lasten der Frauen“, sagte Sippel dem Nachrichtensender Phoenix.

Bislang gelten in 18 von 27 Mitgliedstaaten die Voraussetzungen, das Gewalt angedroht oder nachgewiesen werden muss, damit eine Vergewaltigung als Straftat geahndet wird. Seit 2016 gilt in Deutschland „Nein heißt Nein“ – eine sexualisierte Handlung muss abgelehnt werden, damit sie als Vergewaltigung anerkannt werden kann.

Feminist_innen hatten gehofft, dass durch die Neuregelung ein europaweites Prinzip der Einvernehmlichkeit gelten könnte, wie es jetzt schon in Schweden und Spanien der Fall ist. Hundert bekannte Frauen hatten deshalb einen öffentlichen Brief geschrieben, der Justizminister Marco Buschmann (FDP) dazu aufforderte, seine Blockade in Europa aufzugeben.

Als feministische Zivilgesellschaft hätten wir uns gewünscht, dass die Grünen und die SPD die Blockadehaltung des Justizministers nicht geduldet hätten

Aktivistin Kristina Lunz

Zu den Erstunterzeichner_innen gehörte auch die Aktivistin Kristina Lunz. „Als feministische Zivilgesellschaft hätten wir uns gewünscht, dass die Grünen und die SPD die Blockadehaltung des Justizministers nicht geduldet hätten“, sagte Lunz der epd.

Die Vereinbarung muss noch vom Europäischen Parlament sowie vom Rat förmlich verabschiedet werden. Die EU-Staaten haben daraufhin drei Jahre Zeit, die Richtlinien umzusetzen. Diese sieht außerdem vor, dass die EU-Staaten eine nationale Telefonhilfe für Gewaltopfer einrichten müssen, die kostenlos und jederzeit erreichbar ist. Zudem müssen Präventivmaßnahmen ergriffen werden, um Gewalt zu verhindern.

Deutschland muss vermutlich die Gesetzeslage zur digitalen Gewalt aktualisieren. Zudem evaluieren das Bundesjustizministerium und das Bundesfrauenministerium noch in dieser Legislatur das Sexualstrafrecht von 2016, in der man sich auf das Prinzip „Nein heißt Nein“ geeinigt hatte.

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39 Kommentare

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  • Nein heißt nein und ja heißt ja sind Symbole, die in der Praxis keinen Mehrwert für betroffene Frauen haben.



    Bei Nein heißt nein wird der Angeklagte behaupten sie hätte nicht nein gesagt und bei ja heißt ja behauptet er halt sie hätte ja gesagt.

    Was von diesen Initiativen Bleibt ist der symbolische Wert und der repräsentiert für aussenstehende Betrachter der Sache irgendwas zwischen: Gut gemeint & der Verschwendung politischer Ressourcen.

    Es wird ein Symbol nach dem anderen vom Stapel gelassen, weil es kaum realistischen Möglichkeiten gibt die juristische Ausgangslage betroffener Frauen weiter zu verbessern.



    Das liegt in der Natur des Verbrechens, da es i.d.R. eben keine weiteren Zeugen gibt und Aussage gegen Aussage steht und jetzt fordert bitte nicht gleich wieder die Abschaffung von Grundrechten,...

  • Kriminalstraftatbestände enthält das EU-Recht nicht und sind für diesen Bereich auch nicht angedacht.

    Wer die EU für das Strafrecht zuständig sieht, soll erst einmal den Weg dafür frei machen, bevor Strafgesetze gefordert werden.

    Dann muss man sich aber auch damit arrangieren, dass nationales Strafrecht, dass man vielleicht für besser hält, keine Anwendung mehr findet.

    Die Forderung, solche Gesetze über die EU einzuführen ist handwerklich daneben und dient den Zielen rein gar nicht.

  • Ganz abgesehen von der Zuständigkeit und ob es schlau ist, dass die EU immer mehr Kompetenzen für sich in Anspruch nimmt, stellt sich immer wieder bei ganz verschiedenen Themen die Frage:

    Darf die Regierung eines Mitgliedsstaates mitmachen, wenn eine europäische Regelung eine bewusst eingeführte nationale Regelung aushebelt?

    Formal darf sie es; de facto hebelt sie damit die Demokratie aus, und zwar auf nationaler und EU-Ebene.



    Gut, dass D und F es diesmal nicht getan haben.

  • Dem taz-Artikel ist leider sehr elaboriert und erklärt nicht gut genug, es fehlt die genaue Erklärung der Position der Aktivistin Lunz, die ihre Kritik an Buschmann und der Bundesregierung sehr gut in der tagesschau begündete.



    Sie verweist darauf, dass Opfer bei einer Vergewaltigung oft in eine Starre verfallen. Diese Realität werde gesetzlich nicht ignoriert.



    Buschmann ignorierte die Initiatoren eines Offenen Briefes. Was sagen eigentlich die Frauenverbände FDP zur Position von Buschmann?

    Lunz in der tagesschau:

    www.tagesschau.de/...video-1303182.html

    • @Lindenberg:

      Die Frauenverbände in der exPartei FDP kuschen. Dieser Laden ist macho-dominiert und daher auch die Ablehnung. Wie kann sich ein Porschefahrer so etwas bieten lassen? Unglaublich, was sich diese exPartei "der Freiheit" leistet nur um ein paar Männerstimmen mehr zu bekommen.

  • Was genau ist denn das Problem, vor dem Verkehr zu fragen? Das verstehe ich nicht. Im Übrigen steht keine Polizei daneben. Will sagen, wenn es sich eindeutig einvernehmlich entwickelt wird in der Praxis nicht abgefragt werden.



    Das ist irgendwie wieder ein so typisch deutscher Angstkrampf der nicht berücksichtigt, worum es geht: Vergewaltigung, bei der Bedrohung oder ein Machtgefälle oä zur Gefügigmachung eingesetzt werden, bei der es nachher heißt: wieso, sie hat doch nichts gesagt. Die Frauen haben in so einem Fall in Deutschland kaum eine Chance.

    • @sachmah:

      Wo ist denn das Problem beim "Nein heißt Nein" und lediglich sein Unwohlsein bekunden zu müssen?



      Die Polizei steht nicht daneben, aber wenn es dann zu Konflikten kommt, dann wird es eben sehr wohl Relevant, wenn auch schwer nachverfolgbar.

      Das hat nichts mit "typisch deutschem Angstkrampf" zu tun, sondern schlicht aus der Praktikabilität und Sinnhaftigkeit der Regel.



      Das Machtgefälle verändert sich übrigens in dem Szenario nicht, denn die Frau müsste dann Nachweisen Nicht "Ja" gesagt zu haben. Die Chancen werden nicht besser für eine Frau durch das Gesetz. Des Gesetz wird lediglich politisiert um Maximalforderungen ohne praktischen Nutzen und der Frage "Ab wann muss man um Zustimmung Fragen?" Bereits beim Berühren oder erst beim Sex. Weil bei ersterem, was zu letzterem führen kann müsste man den Partner bei jeder Berührung fragen. Das ist emotionalbeziehungstechnischer Schwachsinn und der Institution Beziehung nicht angemessen.

      • @Walterismus:

        Die Verschiebung ist nicht so unwichtig, wenn man an dieses Stück von Fussballtrainer bei der Damen-WM denkt. Klar, man muss aus einer solchen Vorlage etwas Handhabbares herausarbeiten. Für eine einfache Berührung wird man allerdings auch nicht wegen „nur ja ist ja“ einfahren oder überhaupt einen Eintrag ins PFZ kassieren. Das bitte auch bedenken. Strafmaß steht hier ja nicht zur Diskussion.

  • Dieser Justizminister ist wieder so ein Beispiel, wie hergesucht die Akteure bei der FDP sind: Buschmann, Wissing, oder Lindner suchen IMMER eine Ausrede gegen die Vernunft, bevor Schandmaul Kubicki sie noch von der Seite herumschubst. In fast allen Parteien fehlen Bewerber mit Courage und Durchblick, die es jungen Aufsteigern und Möchtegernen beweisen, dass vor einer Entscheidung Expertise verbunden mit Empathie und Leidenschaft dingend notwendig sind. Es sind die zu abgehobenen vorhandenen Akteure, die dem Ansehen dieses Parlamentarismus und damit der Demokratie schaden und es den rechten Verschwörern so leicht machen.

  • Ich verstehe den Ansatz dahinter, aber puhh das was die da machen wollen finde ich übers Ziel hinaus geschossen. Ich glaube das ist das erste Mal, daß ich froh bin, dass die FDP an der Regierung beteiligt ist...

  • Ob es am Satzbau des Artikels liegt oder an meinem Intellekt - Ich habe nicht verstanden, wieso Deutschland ablehnt; was genau mit welcher Begründung abgelehnt wird. Ich lese etwas mit Strafrecht und EU-Recht, also wohl juristische Zweifel, dann geht es um "Ja heißt ja" und scheinbar die Ablehnung durch die FDP, also eher ideologische Gründe? Ich kann nicht folgen.

    • @blutorange:

      Das Problem ist, das viele Länder wie z.B. auch Frankreich der Meinung sind das die EU hier keine Kompetenz hat den Mitglieder hier Vorschriften zu machen und das der Europäische Gerichtshof sowas wieder einkassieren könnte.

      So wie das Bundesverfassungsgericht letztens einiges von den Regierung wieder einkassiert hat.

      Darüber hinaus, würde so ein Gesetz darauf hinauslaufen das ich vor jedem Akt einen Vertrag aufsetzen müsste wo haarklein geregelt ist was jetzt beim Akt erlaubt ist.

  • 4G
    47351 (Profil gelöscht)

    "Der djb beruft sich unter anderem auf die EU-Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie Kinderpornografie"

    Das ist EU-Sekundärrecht und bestimmt keine geeignete Ermächtigung, Normen zu erlassen.

    Ich wiederhole es ungern: Ausgehend von dem expliziten Grundsatz der Subsidiarität, wie es für eine supranationale Organisation wie der EU angemessen ist (siehe Artikel 4 (1), 5 EUV), hat sich schleichend eine Praxis entwickelt, sich mit dem Argument der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse für allzuständig zu erklären, wodurch die nationalen Parlamente nur noch ausführendes Organ sind und die EU-Mitgliedsstaaten immer mehr zu Quasi-Bundesstaaten degradiert werden.

  • @STROLCH

    Äh, sorry:

    taz.de/Gewalt-gege...-Italien/!5987455/

    (peinlich)

    • @tomás zerolo:

      Peinlich wäre es (hier in dem taz-Forum) nur gewesen, wenn der Link zur FDP-Homepage gewesen wäre…

      Danke für den Link.

      Dem Artikel ist die Hoffnung zu entnehmen, dass die erniedrigende Befragung der Zeugin/des Opfers weniger wird.

  • Was STEHT denn nun in der Richtlinie - außer NICHT "Ja heißt Ja"? Wenn es für "Nein heißt Nein" gereicht hat, ist das schon ein Fortschritt, denn mindestens so viele EU-Staaten wie die gerade einmal zwei mit einer "Ja heißt Ja"-Regelung verlangen heute den Nachweis von Gewaltanwendung, um eine Vergewaltigung anzunehmen. Da KANN die "progressivste" Variante gar nicht das Maß aller Dinge sein.

    Es ist auch eine Frage von Wählerrepräsentation: Wir hier in Deutschland haben im Bundestag ganz klar keine Mehrheit für "Ja heißt Ja". Warum sollte sich also unsere Regierung berufen fühlen, das auf EU-Ebene mit durchzusetzen? In anderen Staaten und im Europaparlament sieht es im Zweifel auch nicht anders aus. Also mal abgesehen vom juristischen Mandat zu so einer Regelung wüsste ich gerne mal, wo das DEMOKRATISCHE herkommen soll.

    In der Sache verstehe ich die Einseitigkeit auch nicht: Die feministische Lobby hat bis vor einigen Jahren noch befunden, die Aufnahme von "Nein heißt Nein" ins Strafgesetz sei essenziell für einen wirksamen Schutz der sexuellen Selbstbestimmung. Warum ist das jetzt auf einmal wertlos? Und die Vorbehalte, dass schon das "Nein heißt Nein" am wahren Problem, der Beweisbarkeit, nichts ändert, würden sich durch "Ja heißt Ja" nicht verflüchtigen: Dass nur ein "Ja" reicht, bedeutet nicht, dass nun der Beschuldigte beweisen müsste, dass es so ein "Ja" gab. Vielmehr müsste ihm (der im Zweifel eins gehört haben will) nachgewiesen werden, dass es KEIN "Ja" gab, was abseits eines kompletten, also garantiert vollständigen Mitschnitts kaum möglich sein dürfte.

    Aus meiner Sicht ist das ein symbolpolitischer Machtkampf der Lobby. Sie will immer noch mehr erreichen - egal was das real bringt -, und deshalb wird Alles unterhalb ihrer (aktuellen) Maximalforderung als ganz furchtbar rückständig dargestellt. Irgendwann ist auch mal gut. Ständig "Feuer" zu schreien, ist ab einem gewissen Punkt eher hemmend für eine effektive Brandbekämpfung.

    • @Normalo:

      Nein ist nein ist nicht "wertlos" sondern Fortschritt.

      Fortschritt gegenüber " wehren muss sich sich aber schon, sonst will sie es ja doch"

      "Nur ja ist ja" in Gesetzesform ist auch nicht das Ende des Kampfes, sondern der nächste Schritt.

      Im Anschluss geht es darum, dass es auch gesellschaftlicher Konsens wird.

      Ihre Argumentation ähnelt sehr stark der Argumentation gegen den modernen Feminismus an sich.

      "Die Frauen sind doch per Gesetz gleich, ham sogar Wahlrecht, was wollen die denn noch?"

      • @sociajizzm:

        Meine "Argumentation" befindet sich vor allem in den Absätzen, die Sie im Wesentlichen unkommentiert lassen:

        - Nur eine kleine Minderheit der EU reicht nicht, um einen absoluten Anspruch auf eine Angleichung auf deren Niveau zu konstruieren.

        - Es mangelt speziell der deutschen aber auch vielen anderen Regierungen an einem demokratischen Mandat, dieser Regelung zuzustimmen.

        - "Ja heißt Ja" reitet am eigentlichen Problem, der Beweisfrage, sauber vorbei.

        Daraus schlussfolgere ich, dass der Tonfall, in dem die Zustimmungsverweigerung speziell der deutschen Regierung kritisiert wird, ein wenig hysterisch daherkommt. Und ja das war auch schon bei der Einführung von "Nein heißt Nein" so, als jede Sekunde, die DAS nicht im Gesetz stand (obwohl es in puncto Beweisproblematik genau so eine Hohlnumnmer ist) in Richtung Fegefeuer für all das weibliche Freiwild da draußen gerückt wurde.

        Etwas weniger Drama wäre vielleicht ganz hilfreich. Der Artikel oben ist das beste Beispiel: Vor lauter verbalisierter Schnappatmung, wie verwerflich es ist, dass die Richtlinie mit dem "Ja heißt Ja" nicht durchgekommen ist, wurde vergessen zu erwähnen, was denn nun eigentlich drinstehen soll.

    • @Normalo:

      "was abseits eines kompletten, also garantiert vollständigen Mitschnitts kaum möglich sein dürfte."



      Naja, das sollte möglich sein, vielleicht nicht in Bild aber in Ton. Alternativ könnte man zuvor mit DVSGO konformen Zertifikaten arbeiten. Jugendliche sollten von derlei Atomisierungsbestrebungen vielleicht verschont bleiben, soweit sie noch strafunmündig sind.

  • Was soll das ändern? Die Situation ist immer noch die Gleiche: 2 Menschen sind allein und haben Sex. Danach werden 2 Geschichten erzählt. Wem glaubt man jetzt? Wenn man den Grundsatz in dubio pro reo nicht augfgeben will, wird ohne objektive Anhaltspunkte keine Verurteilung erfolgen.

    • @Strolch:

      So isses, solche Dinge wie Einvernehmlichkeit kann man nicht Beweisen, da es rein auf subjektiver Wahrnehmung basiert. Und im Zweifel für den Angeklagten so isses nunmal leider. Statt irgendwelche Bullshit-Richtlinien zu erlassen könnten diese EU Überbrains sich mal überlegen, wie man Sexualaufklärung so gestalten kann dass Beziehungen gleichberechtigt und auf Augenhöhe geführt werden, is eh gesünder.

    • @Strolch:

      Nein. Beispiel: Er ist betrunken, sie hat Angst und sagt nichts. Nach derzeitigem Recht läuft es darauf hinaus, wie er Augen interpretiert. Wenn auf die Frage „haben Sie nein gesagt?“ keine eindeutige Antwort kommt hat sie schlechte Karten.



      Die Situation haben Sie als anständiger Mann nicht vor Augen. Was Sie mit Frau/Freundin/Bekanntschaft unternehmen wird nicht unter solchen Umständen stattfinden (gehe ich von aus). Bei so gut wie allen Gesetzen geht es nicht um jeden der es liest, sondern die, die sehr aus der Reihe tanzen und nachher herumlavieren.

      • @sachmah:

        @Normalo hat es schon ausgeführt. Hervorheben kann ich nur: Leider ist es heute schon so. Selbst wenn sie „Nein“ sagt und er nicht betrunken ist, hat sie schlechte Karten. Wenn die Tat nicht gerade gefilmt wird, ist eine Überführung nahezu ausgeschlossen, wenn er einfach lügt.

      • @sachmah:

        "...sondern die, die sehr aus der Reihe tanzen und nachher herumlavieren."

        Richtig, und genau denen kann es egal sein, ob da "Ja heißt Ja" oder "Nein heißt Nein" steht. @Strolch stellt - da es um Straf- , also Sanktionsrecht geht, völlig korrekt - auf die Frage ab, was denn im Fall eines Grenzübertritts und einer darauffolgenden Strafanzeige passieren wird: Bei "Nein heißt Nein" wird der Beschludigte behaupten, kein "Nein" vernommen zu haben, und bei "Ja heißt Ja" wird er behaupten, es habe eine ausdrückliche Zustimmung gehört. Das mutmaßliche Opfer wird das jeweils anders sehen, aber seine Möglichkeiten, einen Beweis für seine Wahrnehmung zu liefern, sind in beiden Konstellation exakt GLEICH beschränkt.

        DAS ist das fundamentale Problem, und die lautstarke Lobby, die "Ja heißt Ja" jetzt als DAS über Wohl und Wehe eines effektiven Schutzes entscheidende Element darstellt, geht daran schlicht vorbei.

      • @sachmah:

        Beispiel: Er ist betrunken, Sie hat Angst und sagt nichts. Sie geht vor Gericht und Er behauptet Sie hätte Ja gesagt. Jetzt muss Sie beweisen nicht Ja gesagt zu haben. Auch dann hat die Frau schlechte Karten....

  • Kann mich jemand aufklären, wie das mit dem 'ja heisst ja' genau gemeint ist. Wenn man sex mit seiner Partnerin hat was genau bedeutet das dann? Es wird ja kaum einer jedes mal wörtlich erfragen. Also heisst das, sollte es NICHT wörtlich erfragt worden sein, hat die Partnerin (auch Partner?) das Recht sein Gegenüber zu verklagen? So wird es ja wohl kaum gemeint sein, kann mich jemand aufklären?

    • @lord lord:

      So IST es gemeint. Man(n) soll eben gerade aufhören, die stillschweigende Duldung sexueller Handlungen eigenmächtig als Zustimmung zu interpretieren. Die Grauzone, was an Mitmachen schon nonverbale Zustimmung ist und was eher unter (möglicherweise unwilliger) "Gefügigkeit" läuft, soll zulasten des aktiven Sexualpartners gehen: Ihm soll es obliegen sicherzustellen, dass er nicht der einzige ist, der gerade seinen Willen kriegt. Tut er das nicht, hat er die Konsequenzen zu tragen, wenn die andere Seite währenddessen (oder auch nachher) meint, dass sie eigentlich NICHT wollte.

      So in etwa lautet zumindest die Theorie.

      • @Normalo:

        Da bin ich mir nicht sicher. Im Gesetzestext in Spanien heißt es (Titat aus der TAZ): „Eine Einwilligung liegt nur dann vor, wenn sie frei zum Ausdruck gebracht wurde, durch Handlungen, die angesichts der Umstände des Falls den Willen der Person eindeutig zum Ausdruck bringen“, heißt es im neuen „Gesetz der Garantie der sexuellen Freiheit“.

        Ich muss also nicht zwingend "ja" sagen. Mein Schweigen kann, muss aber nicht als Ablehnung gewertet werden, wenn andere Handlungn mein Einverständnis zum Ausdruck bringen, so verstehe ich das.



        Was das real für Konsequenzen hat, ob es die Frauen tatsächlich schützt bzw. Strafverfolgung erleichtert, kann ich immernoch nicht abschätzen

        • @mlevi:

          "Mein Schweigen kann, muss aber nicht als Ablehnung gewertet werden, wenn andere Handlungn mein Einverständnis zum Ausdruck bringen, so verstehe ich das."

          Das meinte ich mit "Grauzone". Denn was ist schon verlässlich(!) ein handelndes "zum Ausdruck bringen" eines positiven Willens? Da ist zwar viel vorstellbar, was man wohl als eindeutig positiv betrachten darf, aber etliches eben auch nicht so - gerade (aber nicht nur) bei etwas passiverer oder gar devoter Verhaltensweise eines Beteiligten. Manche Menschen wollen "genommen" werden, bei Anderen stellt sich das der "Nehmer" möglicherweise nur so vor (und der Gegenpart widerspricht nur aus Angst nicht und ist ihm zu Willen). Da bleibt eine Gewissheitslücke, die zu schließen eben mit "Ja heißt Ja" Aufgabe des Aktiven ist.

          Der weitergehende Schutz kann aber aus meiner Sicht allenfalls durch die beschriebene Bewusstseinsverschiebung realisiert werden - soweit man die durch eine Strafrechtsnorm erzielen kann. Wirklich griffiger bei der Verfolgung von Vergewaltigungen wird es nicht, weil das Beweisproblem letztlich unangetastet bleibt (s. mein Posting oben).

          • @Normalo:

            "Da bleibt eine Gewissheitslücke, die zu schließen eben mit "Ja heißt Ja" Aufgabe des Aktiven ist. (...) Der weitergehende Schutz kann aber aus meiner Sicht allenfalls durch die beschriebene Bewusstseinsverschiebung realisiert werden.

            Sehe ich auch so: Es ist Aufgabe des Aktiven und es braucht eine Bewusstseinsverschiebung (ohnehin sollte im Bett mehr geredet werden: Willst du? Aber auch: Magst du das?). Dabei bewegen wir uns m.M.aber weg von dem, was das Strafrecht regelt. Und um dieses geht es ja. Ich teile nicht die Ansicht "ja heißt Ja" sei Quatsch, noch dass dieser Grundsatz nun in bemerkbare Zahl dazu führen würde, dass Frauen Männer fälschlicherweise wegen Vergewaltigung anklagen und die dann "wehrlos" sind. Ich kann aber immer noch nicht erkennen, warum dieses Prinzip auf der Ebene der Strafverfolgung besser ist, als "Nein heißt Nein". Und der Kommentar gibt dazu auch nicht viel her. Eigentlich gar nichts.

            • @mlevi:

              "Dabei bewegen wir uns m.M.aber weg von dem, was das Strafrecht regelt."

              DAS ist auch mein Problem mit der Diskussion: Ja, es sollte..., es könnte..., und dann wird Alles besser im Bett. Aber das über Strafnormen erzwingen zu wollen, ist letztlich hanebüchen - oder politischer ausgedrückt: übergriffig bis totalitär. Niemand sollte tun (müssen), was er/sie nicht will, und der andere Teil gehört bestraft, wenn er das nicht respektiert. Das kommt in "Nein heißt Nein" aus meiner Sicht völlig hinreichend zum Ausdruck, und ein "Ja heißt Ja" wird niemanden hindern oder leichter verfolgbar machen, der diesen Respekt nicht hat.

        • @mlevi:

          Wo wäre dann der Unterschied zu Nein heißt nein? Nach der Auffassung müsste man dann Ablehnung signalisieren, was als Nein gewertet wird.



          Schweigen ist ja eben kein Expliziter Willensausdruck.

          Das Gesetz "Ja heißt Ja" ist daher tatsächlich einfach Quatsch, auch wenn man es gut meint, so ist die Umsetzung einfach nicht sinnvoll und ergibt in möglichen Streitigkeiten keine Verbesserung zum "Nein heißt Nein, da auch hier Aussage gegen Aussage stehen wird. Aber beim "Nein heißt Nein" wird der Situation besser Rechnung getragen. Der Übergang beim Sex ist halt einfach Fließend und der Consent kann einfacher entzogen werden.

        • @mlevi:

          Genau so ist es. Einfach praktisch denken. Man muss keinen Fragebogen verteilen, dass verlangt keiner.

  • Welche eine Schande für die FDP-Frauen. Wie lange wird die FDP noch aus ideologischen Gründen sich gegen der Gesellschaft dienenden Gesetzgebungen aussprechen. Und das zudem kurz vor Ende der Beratungszeiten. Wie unprofessionell doch diese Partei ist. Einfach enttäuschend.

  • Deutschland derzeit nur noch peinlich.

    Danke, FDP!

    @REALNESSUNO

    Die Fakten sind eben traurig genug, vgl. [1].

    Könnte eine Frau das Justizsystem missbrauchen? Ja, vielleicht. Doch derzeit sind es Vergewaltiger, die das Justizsystem systematisch missbrauchen.

    Ein solches Gesetz wäre überfällig.

    [1] www.theguardian.co...ig-oil-lng-permits

    • @tomás zerolo:

      Haben Sie den richtigen Artikel verlinkt? Laut Überschrift gehtces um Biden und die Ölindustrie?!

  • Diese Einvernehmlichkeit halte ich für ein schwieriges Thema.



    Es gibt schon zu viele Fälle, in denen diese Keule aus Rachsucht gegen den Partner geschwungen wurde. So etwas kann man kaum ausschließen.

    Aber OK, mal sehen wie sich das entwickelt!

    Ich hoffe nur, dass dann endlich auch Beschneidung in der EU verboten wird! Diese Form von Körperverletzung wird schon viel zu lange geduldet!

    • @realnessuno:

      Mit Spanien und Schweden gibt es ja zwei Länder, in denen "Ja heißt ja" gilt. Es wäre interessant die Erfahrungen dort zu kennen.

      • @mlevi:

        In der Tat.