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EGMR stoppt Abschiebung nach SyrienStaatlich organisierter Gefährdungsakt

Daniela Sepehri
Kommentar von Daniela Sepehri

Der EGMR bestätigt: Syrien ist kein sicheres Land. Schiebt Deutschland nach Syrien ab, wird es zum Handlanger von Unterdrückung.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat eine geplante Abschiebung aus Österreich nach Syrien gestoppt Foto: Jean-Francois Badias/ap

D er Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat eine geplante Abschiebung aus Österreich nach Syrien gestoppt. Ein Mann, der zuvor im Juli abgeschoben wurde, ist seither spurlos verschwunden. Damit bestätigt das Gericht, was auch schon dutzende Menschenrechtsorganisationen sagen: Syrien ist kein sicheres Land. Abschiebungen dorthin sind nichts anderes als ein staatlich organisierter Gefährdungsakt.

Trotzdem will auch die Bundesregierung mit Union und SPD die Rückführungen wieder aufnehmen. Im Koalitionsvertrag steht deutlich: „Nach Afghanistan und Syrien werden wir abschieben.“ Eine Forderung, die ursprünglich aus dem Katalog der Rechtsextremen stammt. Mit christlicher Nächstenliebe oder Sozialdemokratie hat das nichts zu tun.

Die Abschiebepläne der Koalition sind nicht nur zynisch und für Betroffene retraumatisierend, sondern auch brandgefährlich. Jede Abschiebung erfordert eine Kooperation mit den syrischen Behörden – also genau mit dem Apparat, der an dem Massaker an der drusischen Minderheit beteiligt war. In der Provinz Suweida wurden seit Mitte Juli über 30 Dörfer niedergebrannt, mehr als 80 Frauen wurden entführt, Menschen wurden getötet, nur weil sie Drus*­in­nen sind. Wer jetzt nach Syrien abschiebt, kooperiert mit Tätern und legitimiert deren islamistischen Terror.

Solche Abschiebungen setzen Schutzsuchende gezielt der Gefahr aus. Sie verwandeln staatliche Schutzpflicht in staatliche Gefährdung. Wer nach Syrien abschieben will, macht sich zum Handlanger von Unterdrückung und Gewalt. Rückführungen nach Syrien sind eine staatliche Beihilfe zur Menschenrechtsverletzung. In einer Demokratie darf so etwas nicht Normalität werden.

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Daniela Sepehri
Jahrgang 1998, lebt in Berlin. Freie Social Media Beraterin, Autorin und Journalistin mit den Schwerpunkten Iran, Migration, Antirassismus und Feminismus. Bachelorabschluss in Geschichte, Publizistik und Kommunikationswissenschaften an der Freien Universität Berlin.
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25 Kommentare

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  • Durch dieses Urteil und das vorangegangene Urteil zum Thema "sichere Herkunftsstaaten" kann die einzige Antwort nur sein, dass sämtliche Asyl- oder Fluchtgründe an den Aussengrenzen der EU geprüft werden müssen und eine Einreise nicht gestattet wird.

  • Ich versteh den Zusammenhang nicht. Ist denn zweifelsfrei belegt, dass die syrischen Behörden an dem Massaker beteiligt waren?



    Und wenn ja, gilt dass dann als ein Zeichen, dass Syrien für alle, also auch für jene, die keine Drusen sind, nicht sicher ist?



    Als jemand, der zur Mehrheitsbevölkerung gehört dürfte das doch dann nicht gelten.



    Was sagt das Urteil des EGMR dazu? Ist Syrien für die Kläger unsicher oder ist Syrien generell unsicher?



    Und wenn Syrien ein unsicheres Land ist, wäre es dann nicht unsere moralische Verpflichtung, die Menschen von dort zu evakuieren, statt sie aufzufordern sich auf einen sehr langen Weg zu machen?

  • Diese Sympathie, die manche Linke mit Straftätern aufbringen finde ich zu tiefst befremdlich.



    Es soll schließlich nur darum gehen Straftäter nach Syrien und nach Afghanistan abzuschieben.



    Bei denen auch noch von schutzsuchenden zu sprechenden ist völlig unangebracht.

    • @Nils Steding:

      Genau! Das ist es! Es sind keine Menschen, es sind (vielleicht) Straftäter. Was kümmert uns Recht und Gesetz? Was kümmern uns Menschenrechte - für ALLE Menschen? Wir entscheiden das selbst -jede*r für sich- und ab die Post. Glasklare Programmatik der AgD.

    • @Nils Steding:

      Ob es sich bei den Opfern von Abschiebungen in ein Land, in dem Gefahr für Leib und Leben droht, um Straftäter, ehemalige Straftäter oder Unschuldige handelt, spielt keine Rolle. Entscheidend ist das Verbot solcher Abschiebungen.

  • Es geht darum Probleme in und von unserem Land abzuwehren. Das will die Mehrheit unserer Bevölkerung. Weltfremde Entscheidungen von wem auch immer waren mal. Jetzt ist eine andere Zeit.

    • @Max Sterckxc:

      Die Mehrheit der Bevölkerung will, dass geltendes Recht eingehalten wird.

    • @Max Sterckxc:

      Das klingt wie der Ruf nach einem Volksgerichtshof, die Begründung ist fast deckungsgleich, die Geisteshaltung scheint es mir auch.

  • Dobrindt und Merz werden sich im Zweifel darauf zurückziehen, dass es sich um eine, aus ihrer Sicht bedauerliche, Einzelfallentscheidung handelt und den bisherigen Rechtsbrüchen weitere folgen lassen.

  • Wie kann denn eine Abschiebung "gestoppt" werden wenn der Syrer, ein verurteilter IS-Terrorisz-, in Istanbul untergetaucht ist?? Darf er jetzt wieder einreisen und neue Terroranschläge planen?

    • @Peter Wenzel:

      Der Syrer war kein IS-Terrorist - er hat keine Anschläge geplant oder begangen -, sondern hat Propaganda für den IS betrieben, auch ist er nicht in Istanbul untergetaucht, sondern wurde den Behörden übergeben. Seitdem ist der Kontakt zu ihm abgebrochen und die österreichische Regierung weigert sich, Nachforschungen anzustellen, obwohl sie dazu verpflichtet wäre, da sie die UN-Konvention gegen das Verschwindenlassen unterzeichnet hat.

      • @Phoebe:

        Er wurde wegen seiner Mitgliedschaft im IS in Österreich verurteilt. Mitglieder von Terrororganisationen nennt man gemeinhin "Terroristen". Terrororganisationen planen Terroranschläge darum nennt man sie so..



        "Verschwindenlassen"..das ist typische Täter-Opfer-Umkehr..

        • @Peter Wenzel:

          Meine Recherchen haben ergeben, dass der abgeschobene Syrer wegen Propagandadelikten/Beteiligung am IS verurteilt worden ist und dass eine Beteiligung von einer Mitgliedschaft zu unterscheiden ist. Wofür auch immer der Mann verurteilt worden ist, es ändert nichts an der Tatsache, dass die Abschiebung rechtswidrig war und dass Innenminister Karner mit seiner Weigerung, den Aufenthaltsort des Syrers feststellen zu lassen (und ob er noch lebt), erneut rechtswidrig handelt.



          Und warum der Verstoß eines österreichischen Innenministers gegen eine Konvention (der sogenannten UN-Konvention gegen das Verschwindenlassen), die Österreich vor 13 Jahren unterzeichnet hat, eine Täter-Opfer-Umkehr sein soll, ist mir nicht wirklich klar bzw. ich nehme an, dass Sie Karners kreativ-selbstherrlichen Umgang mit Recht und Gesetz unterstützen.

        • @Peter Wenzel:

          Jemand kann Täter und Opfer sein. Beides schließt sich nicht aus und es ist auch keine Täter-Opfer-Umkehr, zumindest so lange man nicht versucht es gegeneinander aufzuwiegen.

  • Jede nicht stattgefundene Abschiebung straffällig gewordener Asylanten, treibt die Extremesierung - immer größer werdende Teile - der Bevölkerung weiter voran.

    Eine simple Gleichung, die langsam, auch den "Zahlen-Legasthenikern" unter uns dämmert.

    Ich befürworte das nicht, ich weise nur darauf hin.

  • “Wer nach Syrien abschieben will, macht sich zum Handlanger von Unterdrückung und Gewalt. Rückführungen nach Syrien sind eine staatliche Beihilfe zur Menschenrechtsverletzung. In einer Demokratie darf so etwas nicht Normalität werden.“ Indeed



    …anschließe mich



    & in aller Deutlichkeit



    “Im Koalitionsvertrag steht deutlich: „Nach Afghanistan und Syrien werden wir abschieben.“ Eine Forderung, die ursprünglich aus dem Katalog der Rechtsextremen stammt. Mit christlicher Nächstenliebe oder Sozialdemokratie hat das nichts zu tun.“



    & ohnehin -



    Koalitionsverträge - sind entgegen ihrem Wortlaut lediglich Absichtserklärungen (wie sich einst der olle Streithammel Thomas Dehler FDP - zur Höge von Ol Conny - bescheinigen lassen mußte.



    Nix Wegfall der Geschäftsgrundlage u.ä. juristischer Klimmzüge! Nö



    “The times they are a-changing… “ reicht •



    Hobo Bob laß gehn



    Bob Dylan - The Times They Are a-Changin' [LIVE IN ENGLAND - 1965]



    www.youtube.com/wa...EgY2hhbmdpbiBsaXZl



    & “euch - euch paarn, die ihr mal anders ward!



    Was soll man euch nur raten!“

  • Wir sind eine überalterte Gesellschaft und haben einen enormen Arbeitskräftemangel. Darum verstehe ich nicht, warum diese Abschiebungen sein sollen? Das ist doch der reinste Populismus - aus lauter Angst vor einem weiteren Rechtsruck. Diese beiden Parteien holen möglicherweise einige AfD-Wähler zurück, verprellen aber andere. Meine Stimme wandert nach links.

    • @Il_Leopardo:

      >Arbeitskräftemangel<

      dem soll der Zuzug von IS-Islamisten abhelfen?

      • @A. Müllermilch:

        Sie wollen doch nicht ernsthaft behaupten, dass alle Syrer oder Afghanen IS-Islamisten sind?

  • Der Syrer, der im Juli abgeschoben wurde und seitdem verschwunden ist, wurde in Österreich zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Jemand, der dermaßen eklatant gegen Gesetzte verstößt, sollte sein Asylrecht verlieren.



    Wenn der EGMR hier anderer Meinung ist, sollten die davon Betroffenen dann nach Straßburg überführt werden. Nein, letzeres ist bitterböse Satire. Aber dass ein Asylstatus verloren gehen kann und wir (damit meine ich die Mitglieder der EU und damit auch die Österreicher) genügend mit einheimischen Straftätern zu tun haben, sollten ab einer bestimmten Strafhöhe ausländische Straftäter automatisch abgeschoben werden, nachdem sie ihre Strafe abgesessen haben.

    • @Offebacher:

      Trotzdem sind Folter und Mord keine angemessene Behandlung von Straftätern. Das hat etwas mit einem aufgeklärten Menschenbild zu tun.

      • @Klobrille:

        Die mögliche Folter geht auch nicht von westlichen Gesellschaften aus.

        Wenn es den Tätern möglicherweise im Heimatland droht ist nicht Deutschland dafür verantwortlich.

        • @Nils Steding:

          Verqueere Logik.

          Um die einmal bildlich zu veranschaulichen, ein simples Beispiel zum besseren Verständnis.

          Wenn sie bei einem Zoobesuch aus einer Laune heraus einen Passanten in das Gehege eines Tigers werfen und der Tiger diesen dann zerfleischt, dann war es nicht ihre Schuld sondern die des Tigers? Hätte er ja nicht tun müssen.

          Das Beispiel können sie jetzt umlegen auf Abschiebungen die Deutschland in Staaten tätigt, von denen bekannt ist und auch von Gerichten attestiert wird, dass dort die Menschenrechte verletzt werden.

          Sie werden hoffentlich dann feststellen, dass das Prinzip in beiden Fällen dasselbe ist.

  • Schon traurig, dass der Gesetzgeber mittlerweile so rechtsextrem ist, dass Gerichte ihn stoppen müssen. Dies wird wieder und wieder passieren.

    • @Jan Röser:

      Wenn er sich denn stoppen ließe. Bei der aktuellen Bundesregierung habe ich da ernsthafte Zweifel.