Dürre im Norden: Der Regen reicht nur für die Felder
Im Norden fiel zuletzt so wenig Regen wie noch nie seit 2010. Darunter leidet der Wald – das Grundwasser erreicht neue Niedrigststände.
In der Folge komme es vor allem „zu vermehrten Grundwasserniedrigstständen“ – und zwar nicht nur im niederschlagsärmeren Nordosten, sondern auch in den Mittelgebirgen, analysiert das Bundeslandwirtschaftsministerium. Auch für den Gesundheitszustand des Waldes habe die anhaltende Trockenheit „erhebliche Auswirkungen“.
Zwar hat es in den vergangenen Wochen immer mal geregnet. Das entspannt die Lage aber nur in den oberen Bodenschichten bis etwa einen halben Meter, also dort, wo das Regenwasser einsickert. „Für die Landwirtschaft ist das wichtig“, erklärte jüngst der Hydrologe Dietrich Borchardt von der TU Dresden der taz. „Bäume aber wurzeln viele Meter tief und stehen im Trockenen. Und Grundwasser wird erst in noch größeren Tiefen gewonnen.“ Dort fehlten in manchen Gegenden etwa die Hälfte jener Mengen, die eigentlich nachgeflossen sein müssten, sagte Borchardt.
Die Niedersächsischen Landesforsten (NLF) haben bereits 2019 ein Defizit von 27 Millionen Euro erwirtschaftet, wie der Forstbetrieb in der vergangenen Woche mitteilte. 2018 hatte das Minus noch 5,9 Millionen Euro betragen. Für das aktuelle Geschäftsjahr rechnen die Niedersächsischen Landesforsten damit, dass der Verlust möglicherweise 30 Millionen Euro überschreitet.
In Niedersachsen fielen laut Bundesregierung vom 1. April bis 15. Mai rund 26 Liter Regen pro Quadratmeter – der Schnitt der letzten zehn Jahre liegt bei 55 Litern.
In Bremen ist das Verhältnis im selben Zeitraum noch drastischer: In diesem Jahr fielen 22 Liter Regen pro Quadratmeter – und der Durchschnitt seit 2010 beträgt 59 Liter.
In Schleswig-Holstein waren es knapp 36 Liter, verglichen mit einem Schnitt von zuvor fast 60 Litern.
Im April fielen über Niedersachsen, Hamburg und Bremen 14 Liter Regen pro Quadratmeter – zwischen 2000 und 2010 waren es im Schnitt 38, von 1981 bis 2010 rund 45 Liter.
„Die angespannte Situation hat sich aufgrund der coronabedingt wegbrechenden Exportmärkte für Holz noch einmal verschärft“, sagt Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU). Anders als in den Vorjahren lässt sich der Waldumbau derzeit nicht mit den Erlösen aus dem Holzverkauf finanzieren. Bis 2025 stellt Niedersachsen den Forstwirt*innen insgesamt 85 Millionen Euro zur Verfügung, um klimastabilere Mischwälder entstehen zu lassen. Mit Birken, Ebereschen, Erlen und Weiden wollen die Landesforsten das Risiko für den Wald insgesamt senken.
„Erbitterter“ Kampf gegen Borkenkäfer
Die rund zweieinhalbjährige Dürre führt bereits zu einer starken Ausbreitung von Borkenkäfern. Sie kämpften „erbittert“ gegen den Schädling, heißt es von den NLF. Laut der Schadensbilanz des Bundes summiert sich die zerstörte Waldfläche bundesweit auf 245.000 Hektar, was etwa der Größe des Saarlands entspricht. In Niedersachsen gehen die NLF von 10.000 Hektar aus, die aufgeforstet werden müssen. Niedersachsen hat einen Waldanteil von etwa einem Viertel der Fläche, in Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein ist es rund ein Zehntel.
Schleswig-Holstein steht, verglichen mit anderen Bundesländern, zwar „noch gut da“, ist im Waldzustandsbericht zu lesen, der im März veröffentlicht wurde. Die jüngsten Regenfälle bedeuten für den Wald aber auch nur „eine kurze Erholungspause“, sagt der Sprecher der Schleswig-Holsteinischen Landesforsten. Für 2020 stellt die Landesregierung bis zu 9 Millionen Euro an Fördermitteln für Waldumbaumaßnahmen bereit.
Fällt kein Regen, wird es aber auch mit dem Aufforsten schwierig. Doch während sich die durchschnittlichen Monatsniederschläge im März in Niedersachsen, Bremen und Hamburg laut Bundesregierung noch im Mittel der vergangenen 20 Jahre bewegten, fiel dort im April nur noch ein Drittel dessen, was seit 2000 durchschnittlich herunterkam. Die intensiven Sommertrockenheiten der letzten beiden Jahre und die gebietsweise geringen Niederschläge in den vergangenen beiden Wintern haben laut Bundeslandwirtschaftsministerium vielerorts zu dauerhaft geringen Bodenwasservorräten, absinkenden Grundwasserständen und einer geringen Grundwasserneubildung geführt. Das schwächt die Bäume, gerade Fichten. Ein gesicherter Überblick über die Folgen der Trockenheit auf die Artenvielfalt sei aber noch nicht möglich.
Expertenschätzungen gehen davon aus, dass in 20 bis 30 Jahren ein Drittel der landwirtschaftlichen Flächen mit Grundwasser bewässert werden muss. Niedersachsen hat dabei mit 12 Prozent den mit Abstand höchsten Anteil an landwirtschaftlichen Flächen mit Bewässerungsmöglichkeiten. Aus den vorliegenden Daten lasse sich derzeit aber „eher (noch) kein Trend zur Zunahme der Bewässerung ableiten“, schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort – nicht einmal in Niedersachsen.
„Schon heute zeichnen sich Nutzungskonflikte um unser Wasser ab“, sagt dagegen die Bremer Bundestagsabgeordnete der Grünen Kirsten Kappert-Gonther – die Wasserversorgung der Bürger*innen steht in Konkurrenz zur der Landwirtschaft, der Industrie oder der Schifffahrt. Der öffentlichen Trinkwasserversorgung müsse dabei „bereits heute ein klarer Vorrang eingeräumt werden“, sagt Kappert-Gonther.
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