Diversität in „Star Trek Discovery“: Queers im Sternenhimmel
„Star Trek“ galt immer als progressiv, dabei gab es fast keine queeren Figuren. Das ändert sich in der dritten Staffel „Star Trek: Discovery“.
Was hatte sich Gene Roddenberry, der Erfinder von „Star Trek“ nur dabei gedacht? 1966, mitten im Kalten Krieg, träumte er in „Star Trek“ von einer Welt, die so ganz und gar anders war als die USA zu jener Zeit. Verboten anders geradezu.
Empfohlener externer Inhalt
Das 23. Jahrhundert in „Star Trek“ ist kommunistisch. Geld ist abgeschafft, die Menschen arbeiten nicht mehr für den schnöden Zaster, sondern für eine bessere Welt. Der Schwarze Bürgerrechtler Martin Luther King war Fan: „Zum ersten Mal im Fernsehen sieht uns die Welt so, wie wir gesehen werden sollten“, sagte er zu Nichelle Nichols, die mit ihrer Rolle der Nyota Uhura als erste Schwarze Schauspielerin in einer Weltraumserie mitspielte.
King redete auf Nichelle Nichols ein, als diese nach der ersten Staffel die Serie verlassen wollte. „Sie schreiben Geschichte! Und ich bin ihr größter Fan.“ Die Serie „Star Trek“ war die einzige, für die Kings Kinder abends wach bleiben durften. Nichols blieb.
„Star Trek“ war immer, neben allem Raumschiff-Entertainment, das Versprechen, dass eine bessere Welt möglich und machbar ist. Als am 22. November 1968 in der Folge „Platons Stiefkinder“ besagte Lieutenant Uhura und der legendäre Captain Kirk einander küssten, war das der erste leidenschaftlich anmutende Kuss einer Schwarzen Frau und eines weißen Mannes im US-amerikanischen Fernsehen.
So was hatte sich davor niemand getraut. Aus heutige Sicht mutet der Kuss nicht besonders romantisch an: Die beiden stehen unter dem Einfluss eines außerirdischen Wesens, sind also quasi ferngesteuert. Für die damalige Zeit war das trotzdem schon ein Riesending.
Immer wieder wagte sich „Star Trek“ voran in Sachen Diversity: Der Chefingenieur der Nachfolgeserie „Star Trek: Das nächste Jahrhundert“ ist ein blinder Mann of Color: Geordi La Forge, gespielt von LeVar Burton. Doch anstatt ihn auf seine Behinderung zu reduzieren, wie man es aus anderen TV-Produktionen gewohnt war, trat er dort als gleichberechtigter Teil der Crew auf und rettet als Chefingenieur freilich des Öfteren den Arsch aller auf dem Raumschiff Enterprise.
Schwule Träume
1993 hatte die Ablegerserie „Star Trek: Deep Space Nine“ einen Schwarzen Raumstation-Commander; 16 Jahre bevor Barack Obama US-Präsident wurde. Und 1995 bekam „Star Trek: Voyager“ eine weibliche Captain, Kathryn Janeway; immerhin zehn Jahre bevor Angela Merkel Bundeskanzlerin wurde – und wer weiß wie viele Jahre vor der ersten weiblichen US-Präsidentin.
Ist das „Star Trek“-Universum also ein Vorbild? Progressiv in jeglicher Hinsicht? Leider nein. Queers wurden viel zu lange ausgeblendet – zumal wenn man den selbst gesetzten humanistischen Standard der Serie als Messlatte ansetzt. Schwule „Star Trek“-Fans konnten seinerzeit vielleicht von einer Romanze zwischen Kirk und Spock träumen; gezeigt wurde das jedoch nie.
Der original „Star Trek“-Serie mag man vielleicht noch zugutehalten, dass sie 1969 wenige Wochen vor den New Yorker Stonewall Riots zu Ende ging, dem Schlüsselereignis des Queer Rights Movements – und gesellschaftlich also noch zu wenig Bewusstsein für die Gleichberechtigung der Queers da war. Bei den Nachfolgeserien „Das nächste Jahrhundert“ und „Deep Space Nine“ aber hätte man schlauer sein können; gibt es jeweils eine Folge, die eine gleichgeschlechtliche Liebschaft zeigt. Und zwar mittels der Spezies der Trill.
Die Trill sind sogar für „Star Trek“-Verhältnisse ziemlich speziell, denn sie bestehen (oft) aus einem menschenähnlichen Wirtskörper und einem wurmähnlichen Wesen. Die beiden gehen eine Symbiose ein und teilen die Erinnerungen des anderen. Da die Symbionten viel älter werden als die Wirte, „durchwandern“ sie im Laufe eines Lebens verschiedene Wirtskörper: männliche und weibliche.
Sie sind also per se queer. Dieses Potenzial hat die Serie jedoch verschenkt und lediglich für ein paar ulkige Dialoge am Rande genutzt. Die zwei gezeigten Liebschaften halten nicht einmal die 40-minütigen Episoden aus, da die jeweilige Partner*in nicht mit der Gender-Transformation des Trill-Wesens klarkommt, durch das die Liebschaft nunmehr (oberflächlich gedacht) gleichgeschlechtlich wäre. Uff. Kennen die unendlichen Weiten des Weltraums keinen Platz für queeres Glück?
Doch, aber nur zögerlich: Im Kinofilm „Star Trek: Beyond“ (2016) sieht man Hikaru Sulu mit seinem Mann und der gemeinsamen Tochter – aber nur wenige Sekunden, sodass man es leichthin übersehen kann. Mutig geht anders.
Eine Frage von Stolz
2017 dann mit dem Start der Serie „Star Trek: Discovery“ kommt endlich ein schwules Paar an Board: Chefingenieur Paul Stamets (Anthony Rapp) und Chefarzt Hugh Culber (Wilson Cruz). Die USA haben zu dem Zeitpunkt schon seit zwei Jahren die Ehe für alle. Man bewegt sich auf sicherem Terrain. Kein Vergleich zum Wagemut der Originalserie mitten im Kalten Krieg.
Spekulationen der Fans vor Serienbeginn, dass die weibliche Hauptfigur, die den üblicherweise männlich konnotierten Namen Michael trägt, trans sein könnte, erfüllen sich nicht. „Es ist uns ausgesprochen wichtig, dem hohen Anspruch gerecht zu werden, den ‚Star Trek‘ selbst gesetzt hat“, sagt Alex Kurtzman, Chef des „Star Trek“-Universums bei ViacomCBS, der taz.
„Das ist auch eine Frage von Stolz. ‚Star Trek‘ soll möglichst alle Menschen repräsentieren. Wir sind sehr stolz auf unser schwules Paar in ‚Star Trek: Discovery‘. Und wir sind immer auf der Suche, so viel Repräsentation zu ermöglichen, wie es nur geht.“
Was wie eine hohle Phrase klingen könnte, scheint Alex Kurtzman jetzt ernst zu meinen: In der dritten Staffel „Star Trek: Discovery“, die in Deutschland heute auf Netflix startet, lernen wir gleich zwei neue queere Charaktere kennen: Ian Alexander, ein 19-jähriger trans Mann, manchen bekannt aus der Mystery-Drama-Serie „The OA“, spielt den trans Trill Gray.
Endlich scheint das queere Potenzial der Trill in „Star Trek“ genutzt zu werden. Blu del Barrio identifiziert sich selbst als nichtbinär und spielt in „Discovery“ fortan die nichtbinäre Figur namens Adira, die wohl Freundschaft schließt mit besagtem schwulen Paar an Board der Discovery. Das bietet viel Potenzial, auch über diese beiden etwas mehr zu erfahren, als dass sie die Oper lieben.
Die erste Staffel „Discovery“ war übertrieben rasant geschnitten. In der zweiten Staffel nahm man sich etwas mehr Zeit für Charaktermomente. Davon soll es, hoffentlich, noch mehr geben. Dass das Team hinter der Serie nun gleich zwei neue queere Charaktere bringt, weist darauf hin, dass sie es wirklich ernst meinen – und nicht nur alibihaft eine Figur am Rande installieren.
Repräsentation ist nicht alles
Die Chance, die neue Staffel als Presse vorab zu sehen, gab es nicht. Deswegen ist noch wenig über die neue Staffel bekannt. Beispielsweise wie viel Raum die beiden queeren Figuren einnehmen werden und welche Inhalte sie transportieren sollen. Denn wie wir wissen, ist Repräsentation nicht alles, manchmal braucht es Held*innen.
Blu del Barrio jedoch zeigt sich optimistisch im Gespräch mit US-Queer-Aktivist*innen der NGO Glaad. „Viele sagen, sie hätten das Wort ‚nicht-binär‘ noch nie gehört – und zweifeln deshalb an seinem Sinngehalt. Viele meinen auch, persönlich niemanden zu kennen, der trans wäre.
Da startet das Problem – das zu Diskriminierung und Gewalt gegen trans Menschen führt. Seit ich acht war, wusste ich, dass ich anders bin.“ Bezüglich der relativ hohen Suizidversuchsrate von trans Teenagern sagt Blu del Barrio: „Viele trans Teenager stehen das nicht durch. Das ist nichts, was wir erst mal auf unsere To-Do-Liste schreiben könnten. Wir brauchen sofortige Aktion.“
Viel zu lange hat „Star Trek“ die Queerness getrost auf die To-Do-Liste geschrieben, während Generationen von Queers ein Hoffnungsfunkeln am Sternenhimmel gesucht und gebraucht hätten. Jetzt hat „Star Trek“ die Chance, ein halbes Jahrhundert Schweigen gutzumachen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich