Diplomatie, Kriegsgewinner und der BVB: Eine ganze Menge Nichts
Hungerstreik, Kontrollverlust, Luftangriffe. Düsteres dominierte die vergangene Woche – nicht nur beim BVB.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Die zweite Halbzeit.
Und was wird besser in dieser?
Die Erinnerung an die erste.
Joe Biden hat der Ukraine grünes Licht gegeben, US-Waffen auf russischem Gebiet einzusetzen, aber nur in der Nähe zum umkämpften Charkiw. Wie wird das den Kriegsverlauf beeinflussen?
„Der Westen“ sieht sich im Nothilfemodus. Unser Kumpel Ukraine klingelt Sturm, sein skrupelloser Nachbar hat ihn überfallen – ob er wohl mal unsere Wumme leihen kann? Klar, Ehrensache. Nachdem das über zwei Jahre so geht, und die Not des Überfallenen verzweifelt wird, droht er uns, richtig Ärger zu machen. Mit zwei Angriffen auf russische Atomwaffenfrühwarnsysteme hat die Ukraine im Mai gezeigt, dass sie den Krieg katastrophal ausweiten kann. Ist nicht nett, kann man aber verstehen. Also gestatten Biden und im Windschatten Scholz nun, dass der geschundene Kumpel sich im Kleinen wehren kann, um im Großen Ruhe zu bewahren. Nach über zwei Jahren könnten wir auch mal sagen: Das ist uns nicht mehr geheuer, wir müssen mal mit deinem bescheuerten Nachbarn reden. Selensky sagt in der New York Times, er sehe kein Problem mit einem Einstieg der Nato in den Krieg. Die Nato hat keine Idee für einen Ausstieg. So robben wir näher an die Grenze zum Kontrollverlust.
Seit 85 Tagen befindet sich ein Klimaaktivist in Berlin im Hungerstreik und schwebt mittlerweile in akuter Lebensgefahr. Die Forderung: Kanzler Scholz soll die Gefahren der Klimakrise in einer Regierungserklärung benennen. Können solche Streiks der Klimabewegung helfen?
2021 hatte Scholz – vor seiner Wahl zum Bundeskanzler – mit einer Gesprächszusage geholfen, einen Hungerstreik von KlimaaktivistInnen zu beenden. Das fand nach der Wahl statt, es steht bei Youtube mit mäßigen 88.000 Aufrufen. Publizistisch also eher sacht unterwummst. Tenor der Userkommentare: Wenn man Scholz neben zwei frenetische Klimamissionare setzt, kann man seine Ruhe und Geduld sympathisch finden. Die neuerlich Hungernden wollen dem Bundeskanzler eine Regierungserklärung vor-schreiben. Das ist – auch bei plausiblen Anliegen – komplett größenwahnsinnig. Auch Wohlmeinende verstört dieser Absolutismus, und kommuniziert wird: Verzweiflung. Ausweglosigkeit ist kein Ausweg.
Bei einem israelischen Luftangriff auf das Flüchtlingscamp Tal al-Sultan sollen Dutzende Menschen, darunter zwei Hamas-Kommandeure, getötet worden sein. Wo finden palästinensische Zivilisten noch Schutz?
Nirgends. Kann aber sein, dass es da morgen auch schlimmer wird. Die Biden-Administration hatte einen Trick versucht: einen „israelischen Waffenstillstandsplan“ präsentiert, den jedoch Netanjahu sofort bestritt. Mit den Stimmen der Opposition und auch der Angehörigen der Geiseln könnte er ihn durchsetzen. Längs der Forderung des Internationalen Gerichtshofes und der Empörung auch befreundeter Staaten. Unter drohendem Haftbefehl. Es ist imponierend, was Diplomatie kann. Und tragisch: nichts.
Donald Trump wurde in dem Prozess rund um Schweigegeldzahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels schuldig gesprochen. Wie wird das die US-Wahl beeinflussen?
Es verstärkt die Narrative beider Lager und bewirkt also: nichts. Also noch mehr vom bekannten Nichts. Also für Trump: guilty – pleasure.
Bei „Hart aber Fair“ kam es am Montag zum Eklat – die eingeladenen Gäste riefen durcheinander, das Publikum buhte. Kann so der Kampf gegen die Populisten gelingen?
Der Fluch der Panel-Talks ist die zugrunde liegende Choreo, mal Briefing, oft ein halbes Drehbuch, dem das Gespräch inhaltlich wie dramaturgisch folgt. Ziel ist es, einen Konflikt darzustellen, die Gäste bekannte Argumentationen performen zu lassen. Bei „HaF“ führte das nun zum zweiten Mal zu einem „Faktencheck“, der etwas zu korrigieren vorgab, was dummerweise vorher nicht behauptet worden war. Der klassische Plasberg-Claim „Politik trifft auf Wirklichkeit“ dreht sich ins Nirwana: Die Politiker waren wirklicher als das Konstrukt, in dem sie mitspielen sollten. Es geht nicht darum, bestimmte Leute und Positionen trickreich fertig zu machen, sondern: alle wahrhaftiger. Es gibt Gründe im Format, warum es nicht gelingt.
Und was machen die Borussen?
Treffen den Pfosten. Das sind sie gewohnt, denn sie haben ja einen als Geschäftsführer. Ab jetzt: hatten. Als Abschiedsgeschenk legt der scheidende Chef ihnen den Rheinmetall-Werbedeal vor die Tür. „Aki“ Watzke scheiterte an den Fans mit seinem Plan, die Liga an Investoren zu verkaufen. Nette Geste, ihnen darauf zum Abschied auf die Fußmatte zu kacken. Wenn der BVB Werbeträger für Kriegsgewinnler wird, möchte ich hier gerne zu einem anderen Verein befragt werden. Okay?
Fragen: Joscha Frahm
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