Probleme bei der Deutschen Bahn: Wie absurde Geldflüsse den Ausbau der Schiene bremsen
Der Zustand der Bahn verschlechtert sich seit Jahren. Das liegt auch an widersinnigen Finanzierungskreisläufen – und der Schuldenbremse.

Hauptproblem ist demnach, dass die Schiene „behandelt wird, als sei sie ein normales Wirtschaftsgut, das sich selbst trägt und auch noch eine Rendite abwirft“, sagt Studienautorin Vera Huwe. So sei ein „absurdes Finanzierungskonstrukt“ entstanden, das die Kosten in die Höhe treibt.
Die Deutsche Bahn ist zwar eine Aktiengesellschaft, aber vollständig in Besitz des Bundes. Der Bund bezahlt zu großen Teilen den Neu- und Ausbau des Schienennetzes. Außerdem finanziert er den Ersatz, wenn zum Beispiel Schienen kaputtgehen.
Das Geld dafür geht an die Bahntochter InfraGO, die für Schienennetze und Bahnhöfe zuständig ist. Betrieb des Netzes und dessen Wartung bezahlt aber die InfraGO allein über die sogenannten Trassenpreise, also eine Schienenmaut – während in Österreich und der Schweiz der Staat die Wartung übernimmt.
Für die InfraGO ist es billiger, Strecken verfallen zu lassen
Aus den Trassenpreisen müssen darüber hinaus Rendite bezahlt werden, weil die InfraGO eine Aktiengesellschaft ist. Diese Rendite verwendet der Bund unter anderem dafür, den Ersatz baufälliger Strecken zu bezahlen. Dadurch entstehen dem Bericht zufolge falsche Anreize für die InfraGO: Weil sie die Wartung bezahlt und der Bund den Ersatz, lasse die InfraGO lieber Strecken verfallen und dann den Bund für die Reparatur bezahlen, als selbst in die Wartung zu investieren.
Weil die InfraGO neben Betrieb auch für die Rendite und die Instandhaltung die Trassenpreise braucht, sind sie im europaweiten Vergleich außergewöhnlich hoch. 2025 wurden sie darüber hinaus noch erhöht, für den Güterverkehr um 16,2 Prozent und den Fernverkehr um 17,7 Prozent. Das mache die Schiene im Vergleich zur Straße häufig die teurere Option, kritisieren die Autor*innen des Berichts.
Verstärkt wird das Problem durch die Schuldenbremse, schreiben die Autor*innen vom Dezernat Zukunft: Das Grundgesetz erlaubt es der Bundesregierung, Kredite an der Schuldenbremse vorbei aufzunehmen, wenn sie das Eigenkapital von bundeseigenen Unternehmen erhöht. Das hat sie 2024 auch für die Bahn getan, um mehr Geld in den Ausbau der Schiene stecken zu können.
Nur: Einer EU-Regel zufolge müssen Unternehmen in Staatsbesitz auf zusätzliches Eigenkapital zusätzliche Rendite abwerfen, damit sie nicht besser gestellt sind als private Firmen. Mehr Eigenkapital bedeutet für die InfraGO also, dass sie höhere Rendite zahlen muss und die Trassenpreise steigen.
Bahn am Gemeinwohl orientieren, schlägt Bericht vor
Gäbe es die Schuldenbremse nicht, könnte der Bund einfach per Zuschuss die InfraGO unterstützen, ohne dass sie mehr Rendite abwerfen muss – die sowieso der Bund als einziger Aktienbesitzer bekommt.
Die steigenden Trassenpreise sind auch für den Schienenausbau selbst ein Problem. Denn für Bauprojekte der Bahn müssen Material, Maschinen und Personal herangeschafft werden. Geschieht das per Zug, werden Trassenpreise fällig und die Baukosten steigen.
Die Berichtsautor*innen warnen davor, die Milliarden aus dem Infrastruktur-Sondervermögen in den Schienenausbau zu stecken, ohne die Art und Weise der Finanzierung zu verbessern: „Die Mittel aus dem Sondervermögen werden nur dann auf der Schiene ankommen, wenn die Schienenfinanzierung grundsätzlich reformiert wird“, sagt Co-Autorin Huwe.
Huwe und ihr Co-Autor Niklas Illenseer schlagen vor, die InfraGO solle nur noch den tatsächlichen Betrieb des Schienennetzes per Trassenpreis bezahlen, „also nur das, was es kostet, über die Schienen zu fahren: Personal, Energie, Verwaltung“, erklärt Illenseer.
In ihrem Koalitionsvertrag kündigt die schwarz-rote Bundesregierung an, das System der Trassenpreise zu reformieren. Die grundsätzliche Frage sei aber, „ob die InfraGO überhaupt wie ein privates Unternehmen funktionieren muss“, sagt Illenseer. Huwe und er schlagen vor, den Gewinnanspruch der Bahn zu streichen, schließlich müsse auch die Autobahn AG – ebenfalls ein bundeseigenes Unternehmen – keine Gewinne erwirtschaften. Die Bahn sei ein öffentliches Gut, das sich an gesellschaftlichen Zielen und nicht zwingend am Profit orientieren sollte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedrich Merz und Israel
Außenkanzler, verschließt Augen und Ohren
Arbeitszeitbetrug-Meme
Arbeitgeber hassen diesen Trick
Jüdische Studierendenunion
„Die Linke hört nicht auf die Betroffenen“
Indischer Schriftsteller Pankaj Mishra
„Gaza hat die westliche Glaubwürdigkeit untergraben“
Günstiger und umweltfreundlicher
Forscher zerpflücken E-Auto-Mythen
Eurovision Song Contest
Sieger JJ will ESC 2026 in Wien „ohne Israel“