Der NDR und die Sommerinterviews: Große Bühne für die AfD
Auch der NDR hält an den jährlichen Sommerinterviews fest und lädt nun Hamburgs AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann ein. Protest ist angekündigt.
U mstritten ist es nun schon jedes Jahr aufs Neue, doch der öffentlich-rechtliche Rundfunk hält weiter stur daran fest: auch AfD-Politiker*innen bei den sogenannten Sommerinterviews eine Bühne zu bieten. Am Donnerstag aber kann der NDR Hamburg zumindest nicht wie geplant sein Interview mit dem Vorsitzenden der AfD-Bürgerschaftsfraktion, Dirk Nockemann, führen.
Eigentlich wollte der NDR das Interview mit ihm, wohl um Nähe zu Bürger*innen darzustellen, in der Harburger Fußgängerzone führen. Doch nachdem das Hamburger Bündnis gegen Rechts (HbgR) seinen Protest gegen die Veranstaltung angekündigt hatte, verlegte der NDR das Interview mit Nockemann kurzerhand auf das abgeschirmte Funkhausgelände in Lokstedt. Die Kritik am NDR, die AfD wie die anderen demokratischen Parteien zu behandeln, bleibt dennoch bestehen.
Die jährlichen Sommerinterviews geben Spitzenpolitiker*innen einen großen Raum: Jenseits von kurzen Statements zu aktuellen Anlässen können sich Politiker*innen persönlicher und umfangreicher dem Publikum präsentieren. Der öffentlich rechtliche Rundfunk lädt grundsätzlich aus allen in den Parlamenten vertretenen Parteien ein.
Und so hatte der NDR Niedersachsen im Juni schon den niedersächsischen Vorsitzenden der AfD-Landtagsfraktion, Klaus Wichmann, zu Gast. Der nutzte das Forum, um sich im Vergleich zu Björn Höcke als moderat zu geben – ohne sich aber von ihm zu distanzieren. Über Höcke wolle er sich, so sagte er es im Interview, „weder positiv noch negativ äußern“. Ohne einen internen Parteikonflikt auszulösen, konnte Wichmann im Sommerinterview seine Botschaft, die AfD in Niedersachsen sei nicht extremistisch, an das große Publikum problemlos transportieren.
NDR Hamburg weicht Kritik aus
Der NDR Hamburg geht in einer Erklärung, warum er das Sommerinterview mit Nockemann verlegt, nicht auf die zuvor geäußerte Kritik des HbgR ein. „Bei den örtlichen Gegebenheiten in Harburg ist angesichts der angekündigten Demonstration eine produktionssichere Aufzeichnung aus Sicht des NDR Landesfunkhauses Hamburg nicht gewährleistet“, erklärte eine NDR-Sprecherin lediglich.
Das Bündnis hatte den NDR aufgefordert, Nockemann wieder auszuladen und dabei explizit auf die mangelnde Distanz von Nockemann zu Rechtsextremisten verwiesen. So lobte er seinen Fraktionsmitarbeiter und Europawahl-Kandidaten Michael Schumann als „Politiker der neuen Generation, der anpacken will für unsere Heimat und ein Europa der Vaterländer.“ Schumann fordert beispielsweise vom Flugzeugbauer Airbus, „Pläne für die Remigrationsflotte“ vorzulegen, um die „europäische Völkerfamilie, das deutsche Volk“ zu schützen.
Zuletzt gab es am NDR Hamburg eine ähnlich gelagerte Kritik, als die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Siftung (DES) um einen Besuch beim NDR bat, dem der Sender nachkam. Eine Sprecherin des NDR erklärte der taz seinerzeit: Der Sender stünde in der Verantwortung, im Austausch „mit allen Teilen der Gesellschaft“ zu stehen. Den Besuchswunsch müsse der Sender genauso behandeln wie den jeder anderen Partei in der Bürgerschaft, so die Sprecherin.
Dabei blendet diese Haltung aus, dass die AfD nicht wie die anderen demokratischen und im Parlament sitzenden Parteien ist: Zwar sind auch die nicht immer über kritische Medienberichterstattung erfreut. Doch laden sie nicht die Presse von Veranstaltungen aus, verheimlichen Parteitermine oder sortieren aus, welche Journalist*innen über die Parteitage vor Ort berichten dürfen. In Niedersachsen etwa ließ die vermeintlich moderate AfD die taz nicht zu ihrem Parteitag.
Auch der ÖRR ist in der AfD prinzipiell verhasst: Auch er sei Teil der „Lügenmedien“, wie AfD-Politiker*innen bundesweit ständig behaupten. Das hat Folgen: Mehrfach schon wurden Journalist*innen von AfD-Anhänger*innen bedroht und angegriffen.
Kundgebung des Hamburger Bündnisses gegen Rechts vor dem NDR anlässlich des Sommerinterviews mit AfD-Politiker Dirk Nockemann: heute, 12 Uhr, Hugh-Greene-Weg 1, Hamburg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos