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Debatte um Nachfolge für 9-Euro-TicketNahverkehr bald für 69 Euro?

Die Deutschen Verkehrsunternehmen fordern ein 69-Euro-Ticket als Nachfolgeangebot für das 9-Euro-Ticket. Eine mögliche Finanzierung ist noch unklar.

Warten auf den Regionalzug: Im Juni wurden 21 Millionen 9-Euro-Tickets verkauft

Berlin dpa | Die Diskussionen um eine mögliche Nachfolge des 9-Euro-Tickets reißen nicht ab. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) brachte nun einen neuen Vorschlag ins Spiel, der für die Käu­fe­r:in­nen deutlich teurer als sein Vorgänger wäre: 69 Euro soll danach ein bundesweites Monatsticket für den öffentlichen Nahverkehr zukünftig kosten. Wie sein Vorgänger würde das 69-Euro-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr in ganz Deutschland gelten.

„Ausgehend von der Prämisse, dass die ÖPNV-Tarife der Verkehrsverbünde für das Gros der Fahrgäste weiterhin attraktiv sein werden, schlagen wir insbesondere für diejenigen, die sich in der Marktforschung als relevante Zielgruppe erwiesen haben – zahlungswillige Autofahrerinnen und -fahrer – ein bundesweit gültiges ÖPNV-Klimaticket für 69 Euro pro Monat als einfache Fahrtberechtigung der 2. Klasse vor“, teilte VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff am Donnerstagabend mit. Zuvor hatte die Frankfurter Allgemeine Zeitung darüber berichtet.

Wolff gibt sich zuversichtlich, was die Machbarkeit angeht: „Die Branche ist in der Lage, ab dem 1. September ein solches Klimaticket anzubieten“, so Wolff und fordert: „Dafür brauchten wir allerdings sehr schnell den entsprechenden Auftrag seitens der Politik.“ Auf zwei Milliarden Euro schätzt Wolff die Kosten für das Ticket.

SPD-Fraktionsvize Detlef Müller sagte in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Ob ein Anschlussticket dann 39, 49 oder 69 Euro kostet, ist zweitrangig. Es muss aber in einem Rahmen sein, der psychologisch wirkt und sich für Menschen lohnt, ihr Auto stehen zu lassen.“ Auch die Grünen sind dafür, lediglich die FDP steht noch auf dem Bremsklotz. Christian Lindner äußerte sich Ende Juni ablehnend gegenüber einer Nachfolgeregelung.

Wolff fordert die Verkehrsminister des Bunds und der Länder auf, bei ihrer nächsten gemeinsamen Konferenz über ein solches Ticket zu verhandeln: „Ich fände es gut, wenn Bund und Länder sich auf ein dauerhaftes Modell verständigen könnten, an dem sich die Länder jedoch ähnlich beteiligen wie bei dem Corona-Rettungsschirm.“

9-Euro-Ticket geht noch bis Ende August

Wichtig sei es, die Finanzierung zu klären: „Denn klar ist, dass ein preiswertes Ticketangebot nicht zulasten des Ausbaus und des Betriebs im ÖPNV finanziert werden kann.“ Dieses Jahr sei eine Finanzierung noch mithilfe des Rettungsschirms für die Verkehrsunternehmen möglich. „Für das neue Jahr braucht es dann eine neue Regelung“, sagt Wolff. Im Gegensatz zum 9-Euro-Ticket würde sich das 69-Euro-Ticket nicht automatisch für alle In­ha­be­r:in­nen von Monatskarten lohnen. Die müssten individuell entscheiden, ob sich der Kauf eines 69-Euro-Tickets für sie lohnt.

Das 9-Euro-Ticket soll die Bür­ge­r:in­nen vor dem Hintergrund der hohen Energie- und Spritkosten entlasten und nebenbei öffentliche Verkehrsmittel attraktiver machen. Die Nachfrage ist hoch: Allein im Juni wurden 21 Millionen 9-Euro-Tickets verkauft. Weitere 10 Millionen Abon­nen­t:in­nen profitierten von dem vergünstigten Tarif. Das Angebot gilt noch bis Ende August.

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21 Kommentare

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  • Spanien hat es besser:



    "nach der Sommerpause bis zum Jahresende (werden) alle Mehrfachfahrscheine und Monatskarten für Nahverkehrszüge und Regionalzüge kostenlos sein."



    www.derstandard.de...rnen-und-banken-ab

  • Verkehr(te Welt) in Hamburg:

    Hamburger SPD plädiert für 69€-Ticket, während

    "Hamburger CDU setzt auf 30 Euro monatlich



    365 Euro im Jahr: Das ist die Lösung der Hamburger CDU, macht 30 Euro im Monat. Fraktionschef Dennis Thering meint, nur ein erschwinglicher, gut ausgebauter Nahverkehr löse die Verkehrsprobleme"



    www.ndr.de/nachric...euroticket236.html

    • @Brot&Rosen:

      Tja, schon bei Jugendlichen funktioniert n Betriebspraktikum, will heißen eigene Anschauung und Erfahren von Wirklichkeit, mehr als tausendmal Theorie. Jetz scheint ebendieses Rezept sogar bei CDU-Thering zu einem nachgerade Saulus-Paulus-mäßigen Erweckungserlebnis geführt zu haben. 365 €-Slogans gabs von diversen SPD-lern wahlkampfweise ja schon öfter, quer durch die Republik, nur ernstgemeint hamses nie. Wenn jetz Hamburgs CDU noch das mit den Fahrrädern einsieht (eigene Anschauung = Zwangsmonat Fahrradfahren für Fraktionsvorsitzende ?) und das Bürgermeisterle (SPD) das mit der Straßenbahn mal ausprobiert (Zwangsurlaub in Lyon, Mühlhausen, Straßburg, Karlsruhe, Heilbronn, München, Köln, Düsseldorf, Pott, Kassel, Chemnitz, Berlin ... ) - dann wird die Mobilität in unsrer Welt plötzlich gut! Na ja, die regionale ....

      • @lesnmachtdumm:

        Nu kann Tschentscher natürlich auch nach WUPPERTAL fahren, falls ihn der Tram-Optimismus allenthalben zu traurig stimmen sollte: die könn' ihm erklärn, warum sie samt Nachbarstädten ihr ausgedehntes Tram-Netz noch 1987 (!!!!!) ABGESCHAFFT haben ...

  • "Ob ein Anschlussticket dann 39, 49 oder 69 Euro kostet, ist zweitrangig" - sagt ein Arsch mit Geld im Arsch.

    • @lesnmachtdumm:

      69 EGAL ...



      Denen geht's mal wieder ums ewige Autofahrervomumsteigenüberzeugen. Da sind, richtig, 70 Euro immer noch billiger als RRRmrrrmm. Dass jedoch Arme, Nicht-so-Reiche, Kinder, Kinderwagenschieber und alle alle , die eh OHNE AUTO durchs Leben gehen und rollen und radeln, ein Recht auf ganz normale TEILHABE am Mobilsein haben könnten, dämmert gewissen Kreisen immer noch nicht. Da ist sie (schon) wieder: die ÖPNV-Debatte von vorgestern.



      Vom Schlagwort her (OKO-und-SOZIAL) ham Grüns da schon recht. Jetz regiern se mit im Bund. Nur von Länderseite aus nach mehr Geld fürn Nahverkehr rufen, das funktioniert also nicht mehr als überzeugende Strategie.

  • Ich schlag mir auf die Schenkel !

    Ein unfassbar kompliziertes Tarifsystem bei dem noch nicht mal der Computer das günstigste Ticket von A nach B findet - geschweige denn die optimal Zug- / Busverbindung.

    Dazu Züge, die in den An- und Abfahrtsplänen am Bahnhof nicht gelistet sind weil es Privatbahnen sind [und die Pläne bzw. Schaukästen der DB gehören]

    Dann gibt es tatsächlich noch Städte und Gemeinden bei denen ein Ticket nicht in den Bussen des Konkurrenzanbieters gelten.

    Und redet man über 69 ... 59 ... 39 € ?

    Hat mal jemand auf die (Bus-)Bahnhöfe geschaut wer denn da so das 9€ Ticket nutzt ?

    Die mit den Rücksäcken, Fahrrädern, Kinderwagen das sind alles Pendler die zur Arbeit fahren.



    Oder sollte ich mich da irren und das sind Touris die jetzt durch ihre Reiselust zusätzliche Energie verschwenden ?

    Mal eben auf 'ne Currywurst von Stuttgart nach Berlin ? Kost' ja nix und im Zug ist ja auch Klimaanlage ... und 'n Sixpack kann man auch schon im Zug aufmachen !

    Easy peasy !

    Aber wenn sie zur Arbeit wollen, umsteigen müssen, pünklich ankommen müssen ... dann hört der Spass auf. Sogar wenn die Stimmung im überfüllten IR zum Schunkeln einläd !



    Und alle schunkeln mit - was bleibt einem auch über, auf dem total überfüllen Gang ...

  • 9G
    93851 (Profil gelöscht)

    Kein Geld für Aufstockung von HartzIV, aber "Debatte" um so'n Ticket.



    Ärmlich, diese Politik.

    Scheinsanktionen.



    Griechen schippern weiter mit Putins Öl...

    100 Mrd. in die Tonne gekloppt...

  • Der öffentliche Verkehr muss sich von einem Angebots-orientierten zu einem Nachfrage-bestimmten Modell entwickeln, um die für die meisten relevanten Verbindungen herausfiltern zu können und um die kürzesten Fahrzeitersparnisse zu erreichen. Die wichtigsten Daten können heutzutage aus einer Analyse der Handymobilität entwickelt werden, was insbesondere für Dauerpendler aus dem Umland in die Ballungszentren die größten Vorteile = Gewinnung von Freizeit und Lebensqualität einbringen kann. Wir stehen vor immensen Einbrüchen: Private Mobilität wird nicht nur die einsetzende Verteuerung ausgebremst: Auch Strom läßt sich -entgegen der Versprechungen der Grünstromprediger- nicht kostenlos darstellen, es wird durch die Krise eh' zu Kaufkrafteinbrüchen kommen und das nur, wenn wir das begreifen und zu handeln versuchen (sonst herrscht Panik und Chaos!) , so dass der ÖPNV wichtiger wird. Letztlich gehört genauso dazu, Wohnen zu verbilligen, Wohnungstauschbörsen einzurichten, so dass jemand, der im Süden wohnt, aber im Westen arbeitet, Partner findet, der die gleichen Probleme, nur anders herum hat. Entsprechend ein Austausch zwischen Stadt und Land. Wer altersbedingt lieber 'draussen' wohnen möchte, sollte es leichter haben, mit einem gestressten Pendler, der für ein kulturelles Dorfleben keine Zeit mehr hat, zu tauschen. Dabei muß natürlich eine dörfliche Versorgung mit Tante Emma & Co genauso sichergestellt werden, wie die Erreichbarkeit auf dem Land.

  • Am Wochenende kann man es vergessen.



    Zu viele Menschen in den Zügen.

  • Wenn das 69 EUR Ticket kombiniert wird mit einem 9 EUR Ticket für arme Haushalte wäre das ein guter Vorschlag:

    - Finanzierbar



    - Einfache Tarifgestaltung



    - Mobilität für alle



    - Angebot zum Umstieg

  • Wenn die Branche in der Lage, ab dem 1. September ein solches Klimaticket anzubieten, frage ich mich, wieso es von Steuerzahler bzuschusst werden soll.



    Wozu genau ist denn dann die Branche i.d. Lage, zum Ausdrucken des Tickets?

  • Gut, aber nichts für Land

    Nach 25 Jahren Bus- und Bahnabstinenz wegen schlechter Erfahrungen, haben meine Frau und ich uns zwei 9€ Tickets gekauft und es 6 mal versucht. Mehr ging leider nicht, siehe unten.



    Prinzipiell wäre ÖPNV ja gut, doch bei uns fährt oft nur alle 2 Stunden ein Bus und ab 19 Uhr gar keiner mehr.



    Und da lohnt sich ein 69€ Ticket nicht für uns, da siegt leider das Auto bei Weitem.



    Aber würden wir in einer Stadt wohnen wäre es eine echte Alternative zum Auto.

  • RS
    Ria Sauter

    Und schon ist eine grosse Bevölkerungsgruppe wieder draussen.

    • @Ria Sauter:

      Genau! Sie können es einfach nicht! Stümperei nennt man sowas.

  • Nur 60 € mehr? Das ist ja ein Schnäppchen! Zum Glück haben Hartzer*innen ja dieses Jahr 3 € mehr bekommen, dann müssten die nur noch 57 € berappen ... /Sarkasmus/

    Verstehe ich das richtig und Regionalbahnnutzung ist in obigem Vorschlag nicht enthalten?

    • @Uranus:

      Hartz IV Empfänger dürfen ohne Genehmigung des Jobcenters ihren Wohnort nicht verlassen. Ist das nicht ein tolles Land, wo man wieder Leibeigene hat, die sich ohne Erlaubnis nicht von ihrem Ort entfernen dürfen? Für Hartz IV Empfänger (demnächst heißen sie ja dann 'Bürgergeldempfänger', damit sich das alles etwas demokratischer anhört) gilt also nicht einmal mehr der Art. 11 GG: **Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet** und auch nicht Artikel 13 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte: **Jeder hat das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort frei zu wählen.**

      Wozu sollten Hartz IV Empfänger sich in diesem Staat also eine günstige Fahrkarte kaufen? In diesem Land läuft so einiges schief, aber solange wir es zulassen, dass unsere "Volksvertreter" teure Schickimicki-Hochzeitspartys von unseren Steuergeldern feiern, aber für die kleinen Leute nicht einmal ein bezahlbares Bahn-Ticket übrig ist, und Hartz IV Empfänger sich trotz Art. 11 GG nicht ohne Erlaubnis von ihrem Wohnort entfernen dürfen, wird sich in diesem Land auch nichts ändern.

    • @Uranus:

      Alg2-Bezug ist an die Bedingung gebunden, daheimzubleiben:



      de.wikipedia.org/w...hbarkeitsanordnung



      Und für wahrtunehmende Termine im Amt können die Fahrtkosten erstattet werden.



      Also alles geregelt *würg*.



      Selbst für die hauptsächlich mit dem 69-Tacken-Ticket angesprochenen Pendler wäre des unattraktiv; außer mer macht Verkehrsverbundshopping auf dem Weg von der/zur Arbeit.



      Regionalbahn geht wohl auch.

      • @Hugo:

        @RICKY-13 @HUGO



        Stimmt! Danke für die Hinweise! Ohne den von Ihnen zurecht aufgezeigten Missstand schmälern zu wollen - wenn Regionalkerkehrsverbünde bspw. wie der Schleswig-Holstein-Tarif inbegriffen wäre, könnten Hartzer*innen doch schon Tagesausflüge zumal am Wochenende machen.

        • @Uranus:

          Ja, das wäre bestimmt eine Erleichterung für arme Menschen, wenn sie z.B. von Hamburg mal nach Travemünde-Strand an die Ostsee für kleines Geld fahren könnten. Auch arme Menschen von anderen Städten in diesem Land haben sicherlich "Sehnsuchtsorte" wo sie wegen hohen Bahnpreisen aber nie hingekommen sind und wenn es nach unseren "Volksvertretern" geht, wohl auch weiterhin nicht hinkommen werden.

          Im Paulusbrief an die Thessalonicher steht aber schon: „Wer nicht zum Wohle der Manager arbeitet, der soll auch nicht essen und auch nicht reisen“. Ach nein, das war ja der SPD-Arbeitsminister Franz Müntefering, der so einen ähnlichen Satz gesagt hat. "Nur wer arbeitet, soll auch essen." Und von Reisen hatte der "soziale" SPD Politiker schon gar nichts gesagt. Der arme Deutsche soll gefälligst zu Hause bleiben und auf 'Freund Hein' warten, der ihn irgendwann auf eine "Reise" mitnimmt. Aber wie ich die BA/Jobcenter einschätze, müsste der 'Bürgergeldempfänger' sich sogar das noch vom Jobcenter genehmigen lassen.

          Man kann seit Einführung der Agenda 2010 frei nach Shakespeare sagen: "Es ist etwas faul im Staate Deutschland."

      • @Hugo:

        69 Euro entspricht hier dem Jobticket, das vom Arbeitgeber bezuschusst werden muss und nur für einen sehr begrenzten Umkreis gilt.



        Für das gleiche Geld (Zuschuss halt vom Staat statt vom AG) nun unbegrenzt fahren zu können, ist durchaus attraktiv. Ich spreche nicht von Stadt, aber Land sind wir auch nicht mehr.