Debatte um Militärhilfe für die Ukraine: Auf Putins Mühlen
Der Streit zwischen SPD-Fraktionschef Mützenich und FDP-Politikerin Strack-Zimmermann mag sich für die SPD rechnen. Doch im Ausland ist das Entsetzen groß.
P einlich und „an Lächerlichkeit nicht zu überbieten“ nannte Bundeskanzler Olaf Scholz die Debatte um die deutsche Unterstützung für die Ukraine. Seine Empörung, so berechtigt sie teilweise ist, wirkt dennoch geheuchelt. Denn die SPD profitiert aktuell mehrfach von den verschiedenen Debatten, zumindest innenpolitisch. Der außenpolitische Preis ist hingegen hoch.
Zunächst mal hat sich Scholz mit seiner Weigerung, der Ukraine den Marschflugkörper Taurus zu liefern, en passant den Rückhalt der Bevölkerung zu seiner Ukrainepolitik und zum eigentlichen Ziel gesichert: dass Deutschland die Ukraine weiter verlässlich und auf Jahre hinaus auch militärisch unterstützt. Dass die Deutschen da mehrheitlich mitgehen, ist für die Ukraine enorm wichtig.
Und für diejenigen, die monieren, dass ja wieder nur über Waffen gesprochen werde, hat der studierte Friedensforscher und SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich parallel angeregt, darüber nachzudenken, diesen Konflikt einzufrieren. Voilà. Die SPD ist zurück als Friedenspartei, zumindest optisch. Und je lauter die Union über die angebliche „Feigheit“ des Kanzlers wettert oder FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann eine „Appeasement“-Politik brandmarkt, desto besser für das Ansehen von Kanzler und Sozialdemokraten und für die Seele der Partei.
Außenpolitisch ist das allerdings teuer erkauft. In Polen war man entsetzt über den Vorschlag von Mützenich. Der polnische Verteidigungsminister bezeichnete ihn als „ungünstig“, oder weniger diplomatisch ausgedrückt: als „bekloppt und gefährlich“. Es dürfte Wladimir Putin, der unverdrossen an seinen Kriegszielen festhält, gefreut haben, dass beim zweitgrößten Unterstützer der Ukraine Zweifel an der Fortsetzung dieses Krieges aufkommen.
So wie er sich ins Fäustchen lachen kann, wenn in der Ampel erneut über die richtige Strategie gestritten wird. Dass FDP- und SPD-Politiker öffentlich aufeinander losgehen und sich gegenseitig Unfähigkeit vorwerfen, zahlt allenfalls bei den eigenen Leuten ein. Der Streit illustriert auch die völlige Ratlosigkeit, wie dieser Krieg beendet werden könnte. Die Lage für die Ukraine ist dramatisch. Anstatt Gebiete zurückzuerobern, muss die ukrainische Armee zusehen, nicht noch weitere zu verlieren.
Grund dafür ist mitnichten, dass der Taurus fehlt, sondern ein Mix aus zu wenig Artilleriemunition und Soldaten sowie eigenen Versäumnissen bei der Befestigung der Stellungen. Natürlich muss darüber gesprochen werden, wie dieser blutige Krieg, mit Zehntausenden Toten auf beiden Seiten, enden kann: am besten hinter verschlossenen Türen und im Beisein der Ukraine. Alles andere ist peinlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern