Die Überwindung der Institution des Krieges

■ betr.: Verschiedene Artikel zum „Soldaten sind Mörder“-Urteil des Bundesverfassungsgerichts

[...] Den Gipfel der Reaktionen stellt die Forderung des CSU-Politikers Glos dar, der einen neuen Strafrechtsparagraphen zum Schutz der Bundeswehr vor „öffentlicher Herabwürdigung“ in das Strafgesetzbuch einfügen will.

Der § 188 StGB (besonders schwere Beleidigung) sollte – so Glos – um den Satz „Wer Aufgaben und Ansehen der Bundeswehr und ihrer Soldaten öffentlich herabwürdigt, wird mit Freiheitsstrafe bestraft.“ ergänzt werden.

Das „Soldaten sind Mörder“- Urteil des Bundesverfassungsgerichtes hat eine aufgeregte Hysterie ausgelöst, die zum Ziele hat, radikale pazifistische Kritik zum Schweigen zu bringen. Selbst der Bundestag beschäftigte sich in seiner allerletzten Sitzung der Legislaturperiode mit den Konsequenzen des Urteils, während die überfällige Rehabilitierung und Entschädigung der Deserteure des Zweiten Weltkrieges abermals vertagt wurde.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zu Recht den Rang der Meinungsfreiheit hervorgehoben und das öffentliche Tragen des Buttons „Soldaten sind Mörder (Tucholsky)“ als Ausdruck derselben respektiert.

Der Versuch, pazifistische Kritik zu kriminalisieren, ist nicht neu, sondern hat Tradition in dieser Republik. Gerade deshalb ist es jetzt notwendig, den jetzt geforderten Verschärfungen des Strafrechts zum Schutz der Bundeswehr energisch zu widersprechen.

Wenn Soldaten im Krieg massenhaft Menschen töten, kann dies zu Recht umgangssprachlich als Mord bezeichnet werden. Krieg bedeutet heute mehr denn je staatlich organisierter Terror und die Vernichtung der Zivilbevölkerung. Der umstrittene Button wurde während des Golfkrieges an einem Auto befestigt, um diesen Krieg zu kritisieren, einen Krieg, in dem US-Soldaten fliehende Truppen des Iraks von hinten niedermähten und andere Soldaten des Iraks in Schützengräben mit Bulldozern bei lebendigem Leibe begruben. Solche Taten können zu Recht als „Mord“, bzw. „Massenmord“ bezeichnet werden, um die Grausamkeit von Krieg zu brandmarken. Ziel solcher Kritik ist die Überwindung der Institution des Krieges.

Heute sollen wir wieder mit Großen Zapfenstreichen für die Militarisierung der Politik begeistert werden. Gerade weil künftig auch Bundeswehrsoldaten an Kriegen in aller Welt beteiligt sein können – was seit dem Karlsruher Urteil zur Out-of-area-Frage in realistische Nähe gerückt ist –, ist unbequeme radikalpazifistische Kritik in unserem Land nötiger denn je. Martin Singe, Komitee f. Grundrechte und Demokratie e.V.

„Soldaten sind Mörder“ – sorgt wieder einmal für Schlagzeilen, auch für die Deutsche Friedensgesellschaft. [...] Der in der Weltbühne veröffentlichte Satz führte 1932 zum Prozeß und Freispruch des Chefredakteurs Ossietzky, der auch Geschäftsführer der DFG war. – 62 Jahre später stellt das Bundesverfassungsgericht fest, der Satz sei durch Artikel 5 GG (Meinungsfreiheit) gedeckt und rechtfertigte keine Verurteilung. Danach betreiben Vertreter von CDU, SPD und FDP im Bundestag Urteilsschelte und schwingen sich zu „Schützern“ der Armee auf, die doch eigentlich zu unserem und dem BRD-Schutz da ist. (Minister Rühe spricht von Skandal, Jürgen Schmude betont, die SPD stehe zur Existenzberechtigung und Notwendigkeit der Bundeswehr.) Und der heutige Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft/Vereinigte Kriegsdienstgegener kann auf einem Presse- Foto das Plakat mit dem inkriminierten und „erlaubten“ Spruch wiederum in die Öffentlichkeit zu bringen. Wir danken den Medien! Dr. Ernst Busche, Bremen

Ein Mensch, zivil gekleidet, einen anderen Menschen erschießend, ist ein Mörder – ein anderer Mensch, im Ehrenkleid der Nation und Befehlen gehorchend, andere Menschen erschießend (dafür sogar Monate und Jahre ausgebildet), soll kein Mörder sein?

Kann sich ein Rekrut damit herausreden, er habe nichts gewußt, daß er mit Waffen zum Töten ausgebildet wird? Was haben Soldaten in Polen, Afghanistan, Vietnam, Jugoslawien, am Golf getan? Bis zum Sommer war es der Bundeswehr untersagt, durch die weite Welt tötend zu marschieren. Diese Zeiten sind per Mehrheitsbeschluß des Bundestages vorbei. Wer zur Bundeswehr geht, weiß jetzt, was ihn erwartet. Dennoch hat jeder einzelne Wehrpflichtige die Möglichkeit, Konflikte zu vermeiden: den Kriegsdienst zu verweigern, wofür sich zum Beispiel die Deutsche Friedensgesellschaft seit ihrer Gründung vor über hundert Jahren einsetzt. Hiltrud Brandt, Bremen