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Debatte Gelbwesten und KlimazieleÖko korrekt, sozial ungerecht

Kommentar von Roland Schaeffer

Wenn Klimapolitik die soziale Spaltung vertieft, richtet sie sich gegen sich selbst. Das zeigen die Proteste in Paris. Der Klimagipfel könnte daraus lernen.

Diese Wasserstrahlen sind nicht gegen Dürre im Einsatz, sondern gegen Gelbwesten in Paris Foto: dpa

B rennende Autos auf den Champs-Elysées, der Arc de Triomphe mit Graffitti bemalt, mehrere Tote und Dutzende Schwerverletzte – im Vergleich mit den französischen Ereignissen wirkt der Hamburger G20-Protest wie ein Kindergeburtstag. Gewiss, in den Aktionen der Gelbwesten entlädt sich eine lang aufgestaute Wut, es werden viele politische Süppchen auf ihren Feuern gekocht, und auch die schlichte Freude an Gewalt ist nicht zu übersehen. Trotzdem sollte man auch den klimapolitischen Anlass der Eskalation näher betrachten.

Während sich ExpertInnen und Regierende aller Länder in Kattowitz (Katowice) zur Weltklimakonferenz versammelt haben, verweist sie der Blick nach Paris auf die Risiken und Nebenwirkungen ihres Tuns. Schließlich sind auch die Gegner jeglicher Klimapolitik längst in der Offensive: ­Donald Trump etwa begründet seine Unterstützung für den mörderischen saudischen Prinzen ungeniert mit dem Interesse an niedrigen Benzinpreisen in den USA. Die Klimafrage ist im Zen­trum der globalen Politik angekommen.

„Benzinwut“. Der 5-Mark-Beschluss der Grünen hat vor nunmehr 20 Jahren die WählerInnen in Rage versetzt, und die meisten deutschen KlimaschützerInnen lassen seither die Finger von den Spritpreisen. Dabei scheint die Sache längst geklärt: Wenn es keine Benzinsteuer gibt, nutzen die Autofahrer die Erdatmosphäre als kostenlose Abgasdeponie. Umweltnutzung und Ressourcen-verbrauch müssen deshalb teurer werden, damit die Menschheit weiterexistieren kann. Und muss im Interesse unserer gemeinsamen Zukunft nicht jede und jeder auf manche Dinge verzichten?

Die Umweltökonomie will also den Ressourcenverbrauch anstelle der Arbeit besteuern. Umweltbelastung soll in die Preise eingerechnet werden, damit diese dann „die Wahrheit“ sagen. Nur hat diese „Wahrheit“ nicht für alle den gleichen Klang. PendlerInnen in ländlichen Regionen sind auf das Auto angewiesen, während Pariser Büroangestellte mit der U-Bahn kommen. Die Angehörigen der „oberen Mittelschicht“ kostet eine Spritsteuer nicht einmal ein Promille ihres Haushaltsbudgets, während die Pflegekraft mit zwei Kindern im Prozentbereich dabei ist. Die mobile Freiheit der „kleinen Leute“ wird eingeschränkt, während die Besserverdienenden unbesorgt so viel fahren, wie sie wollen. Die Ungerechtigkeit ist inzwischen auch der französische Regierung aufgefallen. Nur gelingt es nicht mehr, die Situation mit sozialen Maßnahmen zu beruhigen – es fehlt inzwischen an sozialer Glaubwürdigkeit.

Steuererhöhung bedient klassisches Narrativ

Zur politischen Wirkung der Gilets ­jaunes in Frankreich trägt bei, dass die Steuererhöhung ein klassisches Narrativ der extremen Rechten (und von Teilen der populistischen Linken, die brav in der zweiten Reihe mitlaufen) bedient: Die Regierung will von „uns“, den einfachen Franzosen (oder Deutschen …), mehr Geld. Also reden die Eliten von der Rettung des Weltklimas und der Zukunft der Menschheit, während sie tatsächlich nur den Staatssäckel füllen und die kleinen Leute abzocken. „Wer ‚Menschheit‘ sagt, will betrügen“, schrieb vor mehr als 80 Jahren ein Lieblingsautor der extremen Rechten, der deutsche Jurist Carl Schmitt. Gewiss, man kann ihm entgegenhalten: Betrügen will, wer aus Machtversessenheit die gemeinsame Verantwortung der Menschheit für die Begrenzung des Klimawandels leugnet. Nur helfen rationale Argumente wenig, wenn der Staat den BürgerInnen ans Portemonnaie will und dabei einmal mehr den Reichen nicht wehtut.

Dabei geht es auch anders – etwa in der Schweiz. Auch dort wurde vor einigen Jahren der Strompreis durch eine Abgabe erhöht. Je mehr Kilowattstunden jemand verbraucht, desto mehr muss er oder sie bezahlen. Allerdings landet das Geld nicht im Staatshaushalt, sondern es wird in einem eigenen Topf gesammelt und am Ende des Jahres an die BürgerInnen zurückverteilt. Dabei bekommt dann jeder Mensch gleich viel. Wer viel verbraucht und viel eingezahlt hat – das sind in aller Regel die Bessergestellten – macht Verlust. Die kinderreiche Familie mit niedrigem Pro-Kopf-Verbrauch hingegen macht Gewinn. Ein Ökobonus für alle zum Jahresende und eine (moderate) Umverteilung von oben nach unten – auch so kann die klimapolitisch erwünschte Verteuerung des Ressourcenverbrauchs aussehen.

Lenkungsabgaben wie der schweizerische „Umweltbonus“ oder Pfandsysteme wie das deutsche Dosenpfand, das eine ähnliche Wirkung entfaltet, gelten in der Mainstreamökonomie als nicht „elegant“. Sie sind neu und aufwendig, bringen dem Staat kein Geld, und die Rückverteilung kann kompliziert sein. Steuern hingegen sind einfach, es gibt sie seit Tausenden von Jahren. Wie es mit derartiger finanzpolitischer Grobmotorik gelingen soll, die unterschiedlichen Ressourcenverbräuche im eigentlich notwendigen Umfang sozial verträglich zu begrenzen, verraten die Anhänger der (umwelt-)ökonomischen Korrektheit allerdings nicht. Eine Debatte wäre überfällig – und es gäbe viele Gründe, die staatliche Finanzverwaltungen für das Zeitalter der digitalen Wirtschaft und des Klimawandels fit zu machen.

Wenn Klimapolitik die soziale Spaltung vertieft, richtet sie sich gegen sich selbst, am Ende also auch gegen den Klimaschutz. Sage niemand, es gebe keine Alternativen: Die CO2-Emissionen des Verkehrs lassen sich auf unterschiedlichste Weise vermindern, von der Förderung der Elektromobilität über Verbrauchsnormen für die Hersteller, eine stärkere Progression gemäß Verbrauch bei der Kfz-Steuer bis hin zum Ausbau des öffentlichen Verkehrs und einer Infrastrukturpolitik, die den Namen verdient. Benzinsteuern zu erhöhen ist natürlich einfacher. Nur zeigt der Blick nach Paris, dass es für die KlimapolitikerInnen an der Zeit ist, sich von einfachen Ideen zu verabschieden. Klimapolitik ist ein globales Problem, an dem alle beteiligt sind. Deshalb wird man auch alle einbeziehen müssen. Denn am Ende geht es um die politische Macht.

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42 Kommentare

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  • Und die wirtschaftlichen Folgen des Autoverkehrs (Gesundheit, Natur, Klima) wollen die Autofahrer natürlich auch von der Allgemeinheit bezahlt bekommen.

    Das rechnet sich besonders für Vielfahrer sowie deren Arbeitgeber. Da müssen Letztere sich nicht bewegen und die Arbeit zu Arbeitnehmer bringen oder höhere Löhne für Pendler zahlen.. Anfahrzeit ist da kein Geld für die.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Rudolf Fissner:

      Zustimmung zum Inhalt!

  • Hohe CO2-Steuer - auch auf Sprit natürlich - warum nicht? Und für die soziale Folgen: es gibt doch die absetzbare Beträge (Pendler*innenpauschale). Falls die nicht ausreichend seien sollten, ließe diese sich ja anpassen. Zumindest würden Leute es sich dann zweimal überlegen, mit dem Auto in ihrer Freizeit zur Bäckerei zu fahren...

    • 8G
      82236 (Profil gelöscht)
      @Uranus:

      Frankreich ist nicht Deutschland. Die Entfernungen auf dem Lande sind halt grösser und da brauchen viel mehr Leute ihr Auto, um zum Bäcker zu fahren. Ich habe letztes Jahr in dem malerischen Dorf Lux im Lauragais gewohnt. 170 Einwohner, kein Bäcker. Der nächste Bäcker war im zehn Kilometer entfernten Villefranche de Lauragais, wo es auch einen Bahnhof gibt und ein Einkaufszentrum auf der grünen Wiese, nur mit dem Auto zu erreichen. Hunderte von Pendlern fahren jeden Morgen nach Villefranche, um den Frühzug nach Toulouse zu nehmen. Tausende von Menschen aus den umliegenden Dörfern kommen mit ihren Autos zum Einkaufen und parken auf dem riesigen Parkplatz vor Super U, Aldi und McDonalds.



      Millionen von Franzosen sind in dieser Situation. Und die sollen dafür bestraft werden?



      Ich wohne übrigens wieder in Toulouse mit U-Bahn Anschluss und zum Bäcker gehe ich zu Fuss, wei ich es mir leisten kann, die teure Miete zu zahlen.

      • @82236 (Profil gelöscht):

        Der Fokus bei Forderungen auf Ausbau und Vergünstigung des ÖPNV, Maßnahmen gegen hohe Mieten, höherer Mindestlohn, Mindestrente bzw. generell geringere Einkommensunterschiede, ... wären dann doch naheliegender aus sozialökologischer Perspektive. Ich meine gelesen zu haben, dass einige von mir genannten Forderungen auch tatsächlich Forderungen der "Gelbwesten" sind. Das ändert aber kaum etwas an der Fragwürdigkeit der Forderung/Empörung bezüglich hoher Spritpreise, finde ich. In ein paar Jahren regten Autofahrer*innen sich dann über hohe Brotpreise auf, wenn in Folge Missernten sich wegen Wetterextreme häufen/ausweiten? ;)



        Als Ergänzung: dem, was Sie weiter unten bzgl. Fliegen, Tierprodukte usw. schreiben, kann ich nur zustimmen.

        • @Uranus:

          Ökologie muss man sich eben leisten können: Wie die Gelbwesten richtig sagen: "Die reden vom Ende der Welt, wir vom Ende des Monats!"

          Natürlich sind Vorschläge wie besserer ÖPNV etc.pp. richtig, aber es geht um das Hier und Jetzt, nicht um etwas, das in 10 Jahren vielleicht Wirklichkeit wird; um das auch, es ist aber nicht die Antwort auf die Forderungen: Realistisch und ein wenigstens minimaler Versuch etwas geradezubiegen wäre: die Abschaffung der ISF und der Haushaltsbeihilfen zu annullieren, und das Geld in die Hand zu nehmen, um es nach unten umzuverteilen. Aber das kommt für die Schützling der Finanzeliten offensichtlich nicht in Frage.

          • @farinet:

            Ich erwähnte ja bereits Vorschläge zur schnellen Verbesserung der Einkommenssituation ärmerer Menschen. So etwas wie (Anpassung) der Pendler*innenpauschale, höherer Mindestlohn und Mindestrente usw. sind schnell umsetzbar. Klar, der Ausbau des ÖPNVs dauert ein bisschen länger. 10 Jahre finde ich dann aber doch arg übertrieben. Wenn es schnell gehen soll, können Busse gekauft werden und Busfahrer*innen (samt Wartungs- und weiteres Organisationspersonal) innerhalb kurzer Zeit ausgebildet werden (mehr Arbeitsplätze auf dem Land!). Es ist ja zumeist nicht so, dass es auf dem Land gar keine ÖPNV-Strukturen gibt, so nehme ich an. Es mag allerdings sein, dass er teils (bspw. im Gebirge) recht ausgedünnt ist. Aber das kann ja wie geschrieben, verändert werden. Ihren Einwand kann ich so nicht nachvollziehen.

  • Guter Artikel. Besonders anhand des Schweizer Modells wird gut erklärt.



    Ein erkenntnisgewinn.



    Mehr von solch sachlichen Artikeln.



    Eine Ausnahme.

  • Etwas lang und Lea Salame ist wirklich nur schwer zum Aushalten, aber ein ziemlich guter Eindruck, speziell auch von den gilets jaunes:



    www.youtube.com/watch?v=CosA3LdijrI

  • @Age Krüger

    Sagen Sie das mal der ambulanten Physiotherapeutin, die pro Tag 100km+ fahren muss, um zu den Patienten zu kommen.

    • @farinet:

      Zum einen ist es ein Unterschied, ob ich zu meinem (festen) Arbeitsplatz fahre oder aber eben einen Job habe, der nur durch Mobilität ausführbar ist. Auch ein Notfallretter wird weiterhin sich in einem Auto bewegen müssen, wenn er zu einem Notfall muss und nicht per ÖPNV dahin fahren.



      Zum anderen ist Physiotherapeut einer der beiden Berufe (neben Altenpfleger) bei dem wirklich bundesweit wohl Mangel herrscht, was dann natürlich auch einen recht hohen Einzugsbereich mit sich bringt, wenn man Hausbesuche macht.

      Nur mal nebenbei: Welche Krankenkasse zahlt denn dermaßen Wegegeld. Ich habe für einen Verwandten schon Ärger innerhalb einer Großstadt einmal wöchentlich einen Hausbesuch voll erstattet zu bekommen, weil die private KV da schon immer was am Wegegeld kürzt? Ein privat Versicherter kann ja auch noch dagegen vorgehen und solange mit seiner Versicherung debattieren bis die das zahlen. Bei den gesetzlich Versicherten ziehen die einfach dem Betroffenen, also dem/der PhysiotherapeutIn Geld ab und der/die darf auch noch auf eigene Kosten fahren.

      • @Age Krüger:

        Vielleicht sollten Sie sich über die Arbeitsbedingungen auf dem "flachen Lande" in Frankreich etwas besser informieren.

  • @Age Krüger

    Sagen Sie das mal der ambulanten Physiotherapeutin, die pro Tag 100km+ fahren muss, um zu den Patienten zu kommen.

  • Vorschlag zur Kfz-Steuer: Bemessungsgrundlage: Leistung ² * Masse. Dann diesen Hebesatz auch für die City-Maut, das wäre schummel-sicher, sozial verträglich und würde zu Autos führen, die in unsere Zeit passen.

    • @Gregor Tobias:

      Oder noch einfacher: Benzinsteuer erhöhen.



      Damit sind alle proportionalen Faktoren enthalten und ganz einfach ab zu führen.



      Mehr Leistung und masse gleich mehr Verbrauch. Fördert auch noch gleichzeitig Innovation für antriebskonzepte.

      • @Demokrat:

        Genau das hat Macron ja versucht und ist dabei gescheitert.



        Wer sich einen Spritfresser leisten kann dem sind die Spritkosten meist relativ egal

  • Ohne Immobilienbranche wären so viele Probleme gelöst. Menschen könnten in der Gegend wohnen, in welcher sie auch arbeiten und leben.

    Na ja, ganz so einfach ist es nicht. Wer entscheidet denn, wer in der Stadt (günstig) wohnen darf und wer nicht? Und wer setzt die Entscheidung um, dass jemand seine Wohnung räumen muss, damit jemand anders diese beziehen kann? Das Problem besteht im (vermeintlich?) knappen Wohnraum in den Städten bzw. darin, dass die Wohnungen immer größer werden (bezogen auf Quadratmeter je Bewohner).

  • Die Vorschlaege des Autors sind nicht gerade sozial egalitaerer als eine Benzinsteuer:

    Förderung der Elektromobilität: Bisher mehr von den Wohlhabenden genutzt, die Garage und Zweitwagen besitzen.

    Verbrauchsnormen für die Hersteller: Verteuert mittelgrosse Autos, belastet auch diejenigen, die das Auto fuer kurze Strecken nutzen. Kleinwagen (oft Zweitwagen) werden quersubventioniert.

    Ausbau des öffentlichen Verkehrs: Im Falle Frankreich nutzt das v.a. den Metropolen mit dem ohnehin hoeheren materiellen Wohlstand.Wer sich keine Wohnung in Metronaehe leisten kann, geht leer aus. Gerade solche Geldausgaben von "ihren Steuergeldern" befeuern die Gelbwesten.

    • @meerwind7:

      Wieso soll der Ausbau des ÖPNV ausschließlich in der Stadt erfolgen?

      Auf dem Land ist er auch ausbaubar und da ist das sogar noch nötiger.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Age Krüger:

        Wahre Worte.

        Ein Landei bestätigt dies.

  • Interessanterweise haben sich in einer Umfrage gerade die weniger gut verdienenden am meisten fuer eine Steuerung des Klimawandels mit Ökosteuern ausgesprochen. Subventionen und Ordnungsrecht waren bei ihnen weniger beliebt.

    Das ist ja auch nachvollziehbar. Auflagen muss jeder befolgen. Jeder hat damit Kosten. Einer Besteuerung kann man sich durch weniger Verbrauch halbwegs entziehen.

    Beispiel Diesel



    Eine Abgas Nachruestung kostet z.B. 3000 Euro.



    Werden die Stadte gesperrt, "muss" man diesen Festbetrag ausgeben, oder wird ausgesperrt. Gibt es Subventionen, muss man die Steuern dafuer zahlen.



    Gibt es dagegej 10 Euro Citymaut je Fahrt mit Altdieseln, koennen auch sozial schwache diese gelegentlich fuer Fahrten in die Stadt nutzen.

    • @meerwind7:

      Kommentar entfernt. Bitte beachten Sie die Netiquette.

  • Generell sollte man Umweltpolitik nicht überfrachten. Will man sie mit einem deutlichen Umverteilungskomponente verbinden (schweizer Modell) gibt es wieder Gegenwind von anderer Seite.

    Also besser eine sozial und regional halbwegs neutralisierende Rueckfuehrung der Erloese aus einer Ressourcenbesteuerung.

    • @meerwind7:

      Es wäre imo schon ein gewaltiger Fortschritt, wenn man die aus den Benzinsteuern erzielten Gewinne in den ÖPNV so investieren würde, dass er dem Bedarf und auch dem Geldbeutel von weniger Betuchten angepasst wird. Es gibt mittlerweile mit fahrplanunabhänggigen Ruftaxis in vielen Ländern (und sogar in einigen Gemeinden in der BRD) ausreichend Erfahrungen, wie man den ÖPNV so logistisch attraktiv machen kann, scheitert meistens noch an den Kosten.

      (Und natürlich an dem Willen, dass man immer noch lieber jedem Bewohner 3 Autos andrehen will, um die Autoindustrie glücklich zu machen anstatt den ÖPNV zu fördern.)

  • Sozial ausgewogener wäre es ebenfalls, wenn auch der Spritverbrauch der Wohlhabenden (im Fluvgeug, auf der Kreuzfahrt usw.) erfasst würde.

  • Zitat: „...und auch die schlichte Freude an Gewalt ist nicht zu übersehen.“

    Diese Freude kommt nicht von ungefähr. Leider werden Wissenschaftler, deren Forschungsgebiet die menschliche Psyche ist, genau so wenig ernst genommen von der französischen Regierung wie Wissenschaftler, die sich mit Fragen des Klimawandels befassen.

    Das gesellschaftliche Klima hat sich gewandelt in den letzten 250 Jahren. Auch in Frankreich. Die Proteste der Gelbwesten kann man mit dem Sturm auf die Bastille nicht vergleichen. Gelbwesten sind keine Jakobiner. Das sollte die Regierenden aber nicht veranlassen, sie einfach zu ignorieren. Ein Wandel im gesellschaftlichen Klima ist schließlich nicht unumkehrbar. Wer alte Fehler wiederholt, muss mit den alten Konsequenzen rechnen. Dass die Guillotinen wieder aus den Kellern geholt und auf öffentlichen Plätzen aufgebaut werden, ist vielleicht nur eine Frage der Zeit. Es könnte sich dann fürchterlich rächen, auf den Hinweis, dass die Leute kein Brot haben, mit einem Schulterheben geantwortet zu haben: „Dann sollen sie halt Kuchen essen.“

    Nicht nur die Klimafrage, scheint mir, ist „im Zentrum der globalen Politik angekommen“. Die Gerechtigkeitsfrage scheint auch zurück zu sein.

    Apropos: Dass „die Sache längst geklärt“ ist, ist eine Lebenslüge solcher Umweltschützer, denen Gerechtigkeit am Arsch vorbei geht. Stimmt schon: Ohne Benzinsteuer nutzen Autofahrer die Erdatmosphäre als kostenlose Abgasdeponie. Aber so lange der Präsident der Führungsmacht der Westlichen Welt die Freiheit hat, mit Blick auf die Geschäfte seiner Untertanen selbst Mörder zu hofieren (und alle anderen Regierungschefs das auch tun ohne es laut zu sagen und dafür kritisiert zu werden von den Umweltschützern), bleibt eine Erhöhung der Benzinpreise ein Affront – und bewirkt das Gegenteil einer „gemeinsamen Zukunft“.

    Wenn Klimapolitik die soziale Spaltung vertieft, richtet sie sich gegen sich selbst. Wie jede andere Politik auch.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Ein kluger Kommentar. Endlich eine Betrachtung, die den Zusammenhang von Klimapolitik und Sozialpolitik ins Zentrum stellt.

    Ohne Einschränkungen, Verzicht und die Kunst des Teilens wird die Menschheit keine Zukunft haben.

    Diese ungewünschten und ungeliebten Botschaften müssen jedem Einzelnen nahegebracht werden.

    Wachstum ist Vergangenheit. Reduzierung auf das Wesentliche die Zukunft.

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Sehe ich ebenso, nur bleibt die Frage, ob der Mensch da über seinen Schatten springen kann. Also keinen Urlaub mehr im Ressort oder Anreise im Flieger. Kein Nachwuchs wegen der Überbevölkerung der Erde. Kein neues Haus, keine Stadterweiterung, kein Auto usw. usf.



      Ich schätze, der Zug hat den Bahnhof schon vor einigen tausend Jahren verlassen. Bin da ziemlich pessimistisch eingestellt und fürchte leider auch recht realistisch.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Hampelstielz:

        Skepsis und Zweifel sind völlig legitim. Mit Pessimismus nehmen wir uns selbst den nötigen Mut.

        Die Geschichte der Menschheit ist nicht gerade eine Geschichte der Klugheit und Vernunft. 'Krone der Schöpfung' würden uns Tiere mit Sprachvermögen wohl kaum bezeichnen.

        Pessimismus habe ich bereits mit der Muttermilch aufgenommen und mich mühsam im Laufe der Jahrzehnte von ihm befreit.

        Ihr Bild vom abgefahrenen Zug am Bahnhof aufnehmend: den werden wir nicht mehr aufhalten können. In neue Züge können wir hingegen einsteigen. Jeden Tag auf's Neue.

        Glückauf!

  • Interessant finde ich tatsächlich den Schweizer Ansatz. Die Lenkungsfunktion trifft tatsächlich den richtigen. Selbst bei Benzin müsste dies halbwegs funktionieren. Dann lohnt sich der Umstieg auf öffentliche plötzlich doppelt. Halbwegs, da man in Grenzgebieten auf das billigere Ausland ausweichen kann, wenn es dort keine entsprechende Steuer gibt.

  • Zum Thema, aber nur spezifisch bezogen auf Grossstädte.

    Das Problem zieht sich dessen leider weiter. Jemensch der nicht reich ist, kann sich keine Wohnungen leisten in der Nähe von der Arbeitsstelle. Deshalb müssen viele pendeln. (Diesbezüglich gibt es natürlich auch Profiteure, diese mal ausgeschlossen).



    Durch die Gentrifizierung in vielen Städten sind viele Leute gezwungen in Aussenbezirke zu ziehen, dadurch angewiesen auf Auto oder ÖV. Dadurch werden unglaublich viele Emission erschaffen, welche nur aus Profit von Wohnraum begründet werden können.



    Und eben dieser ist, meiner Meinung nach, das schlimmste Verbrechen überhaupt. Ohne Immobilienbranche wären so viele Probleme gelöst. Menschen könnten in der Gegend wohnen, in welcher sie auch arbeiten und leben. Folgend müssten auch sehr viele Menschen nicht mehr pendeln.

    Dadurch würden dann direkt auch Ressourcen für die Leute billiger die wirklich auf ein Auto angewiesen sind.

    • @Mensch Meier:

      Irgendwie pendeln aber viele aneinander vorbei. Technische Zeichner aus Stuttgart düsen eine Stunde nach Waiblingen und Technische Zeichner aus Waiblingen arbeiten bei Bosch. Verdienst ist ähnlich, die Miete für den Stuttgarter etwas höher.

  • Der soziale Aspekt ist komplexer; die Förderung fossiler Energien wird immer aufwändiger, dieser Aufwand reduziert die Produktivität und erhöht die Kosten. Das ist wohl der Grund für die Spreizung der Einkommensschere, es findet ein Squeeze-Out der ärmeren Schichten statt. Damit fällt die Nachfrage nach Energie, so dass volatile Preise entstehen. Alternative Energien haben drastische Folgekosten, zB E-Netze, so dass man sich fragen muss, ob das Gesamtsystem Windrad, Netz, Akku netto überhaupt Energie erzeugt. Der relative Energiemangel, für den die Klimaziele nur eine Ersatzdebatte sind, führt zu einer Dauerrezession und langfristig zu einem Verlust von Lebensstandard. Dieser Prozess scheint heute unumkehrbar. An Bilder wie diese werden wir uns also gewöhnen müssen!

  • Kein einziges Wort über die deutsche Stromumlage und die Ausnahmen für besonders energieintensive Industrien (und Golfplätze etc)? Das bemerkenswerte ist doch eigentlich, dass deutsche Bürger angesichts dieser Umverteilung von unten nach oben NICHT auf die Strasse gehen.

  • 8G
    82236 (Profil gelöscht)

    Das Auto ist ja nur ein Faktor, denn Flugzeuge verschmutzen die Umwelt beträchtlich und die selben, die kein Auto brauchen, weil sie in einer Stadt mit ÖPNV wohnen, wo sie auch arbeiten, nehmen am Wochenende mal einen Billigflieger, um sich ein Konzert oder eine Ausstellung in Barcelona oder Paris anzusehen und das auch noch steuerfrei. Und derjenige, der auch im Winter nicht auf frische Erbeeren aus Chile verzichten kann oder unbedingt Kängerufleisch oder argentinische Steaks essen muss, der bekommt sie von Überseefrachtern geliefert.... Und die Massentierhaltung, damit der Deutsche sein Kotelett billig futtern kann, trägt auch erheblich zur Erderwärmung bei. Schweröl, Kerosin und Kuhscheisse sind zusammen viel gefährlicher für das Klima als der gesamte Diesel, der in der ganzen Welt verbrannt wird, aber das wird nicht oder kaum besteuert, weil das den sogenannten freien und ach so fairen Welthandel gefährden würde. Der Autofahrer kann nicht unter anderer Flagge segeln und steuerfrei tanken, ausser wenn er wie ich nicht weit von Andorra wohnt.

  • Macron hat doch nichts mit Umwelt am Hut. Das war einfach ein weiterer Vorwand für Steuererhöhungen.

    Den Menschen, die sich in den Großstädten kaum noch die Miete leisten können oder von ihrem 20%-Arbeitslosigkeits-Kaff irgendwohin pendeln müssen, nützt das herablassende Öko-Geschwätz genau gar nichts. Sollen die ab jetzt zur Tafel gehen oder die 40 km radeln? Sie können sich ja ein neues E-Auto kaufen und auf dem Land ein zweites Häusschen, für den Nachwuchs, der sich die Stadt nicht mehr leisten kann. Das isses - das schlagen wir ihnen vor! Ach so. Haben wir schon.

  • Sozial gerecht wird es nur werden , wenn es individuelle CO2 Kontingente gibt. Weltweit. Dann können Familien in Afrika die nicht verbrauchten nach Europa verkaufen.

    Wird Aber nie realisiert.

  • Benzinsteuern zu erhöhen ist solange sinnlos, wie es keine Alternativen gibt. Solange die Industrie nicht gezwungen wird Wasserstoffautos oder E-Autos zu entwickeln, ist es tatsächlich nur Steuern abgreifen.



    Gibt es endlich Wasserstoff oder E-Autos, inkl. Bus, LKW und Langstreckentauglichkeit, ist es höchste Eisenbahn für solch eine Steuer.



    Vorher hat der Autofahrer kaum eine Wahl, außer mehr zu bezahlen.



    Der Umwelt hilft das jedenfalls nicht, Auto wird trotzdem gefahren. Eher fällt der Zorn der Menschen auf den "Ökowahn" und damit geht der Schuß nach hinten los.



    Unsere Gesellschaft funktioniert nun leider über den Individualverkehr. Wer vom Dorf pendelt hat meist keine wirkliche Wahl, wer 4 Kinder (so wie ich) hat kann sich auch kein E-Auto kaufen, die sind zu klein.



    Eine Lenkungssteuer die beim Kunden ansetzt ist zum Scheitern verdammt, bei (ich hör schon den Aufschrei) Drogenkriminalität wird auch nicht der konsument bestraft sondern der Dealer. Klar, Autos sind keine Drogen und die Industrie kein Dealer, aber hier wie dort kann man nicht dem letzten Glied in der Kette die Verantwortung aufdrücken und erwarten, das sich etwas zum Besseren ändert.

    • @nutzer:

      Der Konsument wird durchaus bestraft. Ausschluß aus sozialen Berufen, Verlust der Fahrerlaubnis, Prozesskosten, etc.



      Um zu konsumieren muß man erwerben und besitzen. Mitunter gibt man auch weiter, weil nicht jeder eine Quelle hat.



      Der Vergleich hinkt massiv.



      Wenn der Sprit billig ist, wird auf den Verbrauch gepfiffen (Beispiel USA, jahrzehntelang wurden Spritschleudern erfolgreich verkauft, weil der Literpreis im Centbereich lag).

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @nutzer:

      Für unorthodoxe Gedanken bin ich stets empfänglich.

      Was den Kontext von Autos-Drogen-Industrie-Dealer betrifft: für mich sind Kleinkriminelle in diesem Vergleich - zumindest quantitativer - Fliegenschiss.

      Die Systematik, mit der die Autoindustrie mit billigendem Wegsehen großer Teile der Politik Natur- und Gesundheitszerstörung betreibt, sucht Ihresgleichen.

    • @nutzer:

      Danke,



      der Vergleich mit dem Dealer trifft es ziemlich gut, wenn auch rein strafrechtlich anders gelagert.



      Das betrifft nicht nur den Verkehr, sondern auch andere Lebensbereiche wie Landwirtschaft+Ernährung z.B.

      • @nun_aber_mal_halblang:

        Interessant ist bei dem Vergleich, dass der Autofahrer der Süchtige ist.

        Wenn ich mich als Raucher darüber beschweren würde, dass ein Päckchen Zigaretten heute 5 € und mehr normalerweise kostet, sagt man mir bestimmt auch, dass ich das Rauchen ja auch lassen könnte.



        Wieso kann man einem Autofahrer nicht sagen, dass er das Autofahren einfach sein lassen soll?