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(De-)Transition und RespektDie Veränderung

Ob Geschlechter- oder Gewichts(de)transition: Wir durchleben dabei radikale Veränderung – und Missverständnisse.

Gewichts- oder Geschlechtstransitionen sind erstmal schlicht: Veränderungen Foto: Marie Tercafs/Plainpicture

N eulich sprach ich mit Torrey Peters über ihren Roman „Detransition, Baby“. In einer regressiven Detransition-Debatte, geprägt von Moral Panic, Body Policing und Fehlinformationen, ist sie eine Stimme der Vernunft. Mit ihrem universalistischen Anspruch verhandelt sie Geschlechter(de)transitionen als das, was sie wirklich sind: Veränderungen. Wie ein Umzug oder eine Scheidung. Oder, wie ich selbst erlebe, eine Gewichtsabnahme.

Ich war immer dick, mal mehr, mal weniger. Obwohl die Maßregelung meines Essverhaltens mich seit dem Kindergarten begleitet, machte ich mit 11 meine erste Diät. Es folgten unzählige weitere. Das Verhältnis zu meinem Körper ist meine längste On-off-Beziehung. Während meine Pubertät von obsessivem Kalorienzählen bestimmt war, verbrachte ich meine Zwanziger damit, kontinuierlich zuzunehmen. Bis ich mich mit 28 entschied, es nicht mehr zu tun. Mein Körper veränderte sich von ziemlich dick zu etwas dick – dachte ich, bis die Realitätsschelle der Krankenkasse kam, die mich weiterhin als „adipös“ kategorisiert. Meine Top Surgery, wegen der ich abnahm, zahlte ich trotzdem selbst. Die Veränderung bleibt: Gewichtstechnisch bin ich gut ein Jahrzehnt detransitioniert.

Statt Zeit und Energie in Diäten zu setzen, widmete ich mich dem Schreiben. Es rettete mich.

Es gibt zahlreiche Parallelen zwischen einer Geschlechter- und einer Gewichts(de)transition: die pharmazeutischen bis operativen Katalysatoren, das Wechselverhältnis von gesellschaftlichem Druck, Überleben und Selbstbestimmung, die Auswirkungen auf mentale Gesundheit, die neuen Zugänge, die Kommentare und Blicke. Die größte Gemeinsamkeit dieser zwei dennoch unterschiedlichen Prozesse ist das Missverstandenwerden.

Obwohl Reue nur für Einzelne und nicht für die Mehrheit eine Motivation ist, wird dieses Gefühl als Hauptantrieb propagiert. Das ist falsch. Wie bei vielen transitionierten trans Personen ging es mir nicht darum, auf einmal schlank sein zu wollen, sondern mir das Leben leichter zu machen und dafür ein paar Schritte zurückzugehen. Es war pragmatisch: Ich hatte keine Lust, alle ein, zwei Jahre meine halbe Garderobe auszusortieren und immer schwerer an nice Mode zu kommen. Ich habe die in meinen Zwanzigern dazugewonnenen Kilos nicht bereut. Statt Zeit und Energie in Diäten zu setzen, widmete ich mich dem Schreiben. Es rettete mich.

Gravierender ist die Scham über das Abnehmen. Ich möchte dickenfeindlichen Hatern nicht vermitteln, sie hätten mit ihrer Hetze gewonnen. Ich möchte nicht, dass andere dicke Menschen denken, ich hintergehe sie mit meiner Entscheidung. Ich möchte nicht hören, dass ich meinen einst „ruinierten“ Körper nun „geheilt“ hätte.

Dieses Gefühl teile ich nicht nur mit (de)trans Personen, sondern mit fast allen, die eine radikale Veränderung durchgemacht und vielleicht rückgängig gemacht haben. Deshalb braucht es in der Debatte um Detransition Empathie und Respekt statt Instrumentalisierung und Beschämung.

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Hengameh Yaghoobifarah
Mitarbeiter_in
Hengameh Yaghoobifarah studierte Medienkulturwissenschaft und Skandinavistik an der Uni Freiburg und in Linköping. Heute arbeitet Yaghoobifarah als Autor_in, Redakteur_in und Referent_in zu Queerness, Feminismus, Antirassismus, Popkultur und Medienästhetik.
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12 Kommentare

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  • Ist es wirklich zielführend, Transition und Detransition quasi in einem Atemzug zu behandeln, als wären sie das Gleiche? Wird das dem Phänomen der Detransition gerecht?

  • Wenn man Detransitionierern zuhört, klingt es nicht so, es wäre es einfach nur eine weitere Veränderung, die sie durchleben. Da gibt es viel Leid und Verlust and teilweise auch langfristige Folgeschäden. Und deswegen auch Wut über ausgebliebene oder falsche Beratung und Therapie. Das anzuerkennen gehört zur Empathie mit Detransitionierern dazu.

  • "Scham über das Abnehmen" - da kämpfen wohl identitäre Optimierung und gutes Leben.

  • "Gravierender ist die Scham über das Abnehmen. Ich möchte dickenfeindlichen Hatern nicht vermitteln, sie hätten mit ihrer Hetze gewonnen. Ich möchte nicht, dass andere dicke Menschen denken, ich hintergehe sie mit meiner Entscheidung. Ich möchte nicht hören, dass ich meinen einst „ruinierten“ Körper nun „geheilt“ hätte."

    Ich kann diesen Gedanken nicht so recht nachvollziehen, denn, um bei dem Vergleich mit Trans* zu bleiben, wäre eine (ausbleibende-)Transition dann auch ein Verrat an der ein oder anderen Gruppe. Ich glaube, man darf sich da nicht in identitätspolitischen Ideen verlieren, denn zunächst geht es doch in obigem Beispiel um eine persönliche Entscheidung abzunehmen (die Gründe sind da erstmal egal und gehen letztlich auch niemanden etwas an). Aber das bedeutet ja nicht, dass man sich deshalb nicht mehr solidarisch und unterstützend ggü. bestimmten Personen zeigt, nur weil man nicht mehr den selben Körper wie früher hat. Im Umkehrschluss würde das ja bedeuten, dass Menschen, die nicht über 'viel' Körper verfügen, sich nicht gegen Dickenfeindlichkeit einsetzen können. Letztlich kommt es doch auf die Haltung an und die erfolgt aus Überzeugung und hat wirklich nur bedingt etwas mit der Körperform bzw. -masse zu tun.

  • @WEAVER

    Nur wünsche ich mir, dass wir alle versuchen, ungefähr so miteinander umzugehen.

    "Told you so" ist meist eklig und arrogant. Die einzige Ausnahme, die ich mir nicht immer verkneifen kann ist der Spiegel: wenn jemensch auch so daherkommt.

    Danach frage ich mich jedesmal, ob ich das nicht fehlinterpretiert habe.

    • @tomás zerolo:

      Es kommt darauf an, wie klugscheißerisch der Es-endlich-einsehende vorher war.

      Sahra Wagenknecht zB hatte nach dem 24. Februar aber sowas von viele Toldyousos verdient.

  • Wir leben in einer Gesellschaft, die unglaublich Druck aufbaut. Der daraus folgende Trend zur "Selbstoptimierung" ist atemberaubend schädlich für die heranwachsende Generation. Jedes Gramm kommt auf die Waage, jeder kleine Knick in der Nase ist ein Riesenproblem.

    Die allerwichtigste Botschaft, die man den jungen Leuten von heute zurufen möchte, ist die: Du bist okay! Du kannst dich annehmen, so wie du bist. Das steckt sogar schon mit im göttlichen Gebot "Liebe deinen Nächsten WIE DICH SELBST". Wenn Gott dich so gemacht hat, warum sollte irgendetwas an dir unpässlich sein?

  • Inwieweit kann Detransitionierung ein Hintergehen, ein Verrat sein? Vielleicht zeigt dies eine mögliche gedankliche Falle (und Inkonsistenz sowie Grenzen) von Identitätsdenken auf: Weil ich zu dieser Gruppe gehöre(n kann), bin ich ihr verpflichtet, gehe in ihr auf. Ihr, ihrer Logik, ihrem Vertretungsanspruch. Identität ist mehr als Gewicht, Gender, was auch immer ein Teil der Kategorisierung des Selbst sein kann; sie ist: ich.

  • Wer Kinder hat, kennt das schon: Bei minus 5 Grad Außentemperatur wird sich entschlossen geweigert, eine Jacke anzuziehen. Diese Entscheidung wird als Ausdruck der eigenen Individualität gedeutet. Kommentare der Eltern und gar wildfremder Menschen ("Hater!") auf der Straße verstärken die Bockigkeit noch. Nun wird es nach 15 Minuten Außenaufenthalt dann doch etwas frisch an den Ärmchen. Nun heißt es aus Elternsicht äußerste diplomatische Vorsicht walten zu lassen: Die Entscheidung, sich doch etwas anzuziehen, hat NICHTS mit dem Rat der Eltern oder der Kälte zu tun, sondern kommt zu 100% aus der inneren Erkenntnis, dass die Farbe der Schuhe nicht zum Pulli passt und man dies mit der Jacke kaschieren kann.



    Kein Schmunzeln, kein "Told-you-so" darf unsere Lippen verlassen, nur die reine Bewunderung dieser *Veränderung* ist erlaubt .

    • @weaver:

      Ist es wirklich zielführend Hater zu verharmlosen und mit diesem Vergleich ihnen auch noch Recht zu geben?



      Im Fall Abnehmen haben Dickenhasser zwar rein theorisch Recht, das weniger Gewicht gesünder ist. Nur ist es nie wirklich deren tatsächlicher Grund dafür, sich verächtlich oder hetzend zu äußern. Solche Leute interessiert nicht die Gesundheit anderer sondern nur ihr eigener Ekel vor Dicken.



      Von daher ist es richtig diesen Leuten nicht zuspielen zu wollen. Und alle die es ehrlich meinten mit "du solltest Abnehmen wegen deiner Gesundheit" werden sich sowieso ein "ich habs dir doch gesagt" sparen und einen stattdessen einfach beglückwünschen oder Komplimente machen.



      Von daher kann ich nicht zustimmen das dies ein guter Vergleich wäre.

      Erwachsene Menschen mit Kindern gleichzusetzen, nur weil sie etwas tun was man selbst für falsch hält, ist meiner Meinung nach generell keine gute Idee.

    • @weaver:

      I see what you did there ;)

    • @weaver:

      Ein, von allen Seiten aus betrachtet, wunderbarer Vergleich :)