piwik no script img

Antisemitismus beim FrauenkampftagWidersprüche machen einsam

Die Berliner Großdemo am FLINTA-Kampftag ist wichtig, aber spaltet auch. Sie wird unterwandert von antisemitischen und transfeindlichen Gruppen.

Frauenkampftag, FLINTA-Kampftag oder feministischer Kampftag? Hauptsache nicht „Weltfrauentag“! Foto: Maskot/imago

D er 8. März war früher mein Lieblingstag. Feministische Praxis gilt das ganze Jahr über, aber es fühlt sich besonders an, bei Frühlingswetter zwischen zig anderen Feminist_innen zu laufen, laut zu sein und gemeinsam die Straßen einzunehmen. Es ist einfach unser Tag.

Umso belastender, dass diese Euphorie von Unbehagen verdrängt wurde und sich Einsamkeit breitmacht. Widersprüchliche Lebensrealitäten und leidenschaftliche Grabenkämpfe sind schon immer Teil politischer Bewegungen gewesen. Doch manche Debatten überschatten diesen Tag so sehr, dass die Nuancen dazwischen nicht brillieren können.

Ein Evergreen: Frauenkampftag, FLINTA-Kampftag oder feministischer Kampftag? Solange es nicht „Weltfrauentag“ heißt oder mich niemand als „Frau*“ bezeichnet, kann ich mit allen drei Varianten leben. Ja, „Frau“ als materielle Kategorie sollte nicht verschwinden. Nein, es wird niemaus „verboten“, sich als Frau zu identifizieren.

Keine Kompromisse bei Misogynie

Ja, manchen Frauen wird der Einlass verwehrt, mal subtil, mal gewaltvoll. Nein, nicht alle, die unter dem Cis-Hetero-Patriarchat leiden, sind Frauen. Ja, biologistische Argumentationen schmecken völkisch. Nein, ich habe keine Lust darauf, bei Transfeindlichkeit und Misogynie Kompromisse einzugehen.

Die zweite Abwärtsspirale ist Antisemitismus. Schon zum zweiten Mal in Folge sucht maus bei der internationalistischen Demo vergebens nach der Einbindung jüdischer Feminist_innen im Aufruf oder der langen Redebeitragsliste. Scheint kaum wen zu stören. Gleichzeitig fragt maus sich bei Demos für Moria, Hanau, Queer Pride, dem 1. Mai und auch am 8. März, ob maus gerade versehentlich auf einer „Free Palestine“-Demo gelandet sei.

Das Thema erscheint prominenter als das eigentliche. Natürlich wünsche ich mir, dass Palästinenser_innen in Frieden und Sicherheit leben können. Doch diese Forderung darf kein Ventil für Antisemitismus sein.

Israel-Auslöschungsfantasien

Zum Kotzen, dass es Antisemit_innen gelingt, fast jeden Protest für sich zu vereinnahmen – egal, wie räudig es ist, auf einer Gedenkdemo für einen rechtsradikalen Terroranschlag Parolen über Israel-Auslöschungsfantasien zu chanten.

Auf die Kritik an dieser Instrumentalisierung antworten Anhänger_innen dieser Ideologie damit, Kämpfe „intersektional“ zu denken. Komischerweise habe ich bei Kimberlé Crenshaw keinen Hinweis finden können, dass es cool sei, jedes Thema mit antisemitischer Rhetorik zu derailen und sich zwischen Bündnissen mit anti-Schwarzen Gruppierungen ein paar Begriffe und Konzepte aus Schwarzen Widerstandsstrategien und -kämpfen anzueignen. Also lieber zu Hause bleiben und ihnen die Straßen überlassen?

Die andere Demo, auf der weiße cis Frauen in lila Gauklerinnen-Kostümen gegen trans Leute und Sexarbeiter_innen Stimmung machen, kommt auch nicht infrage. Alles sketchy. Ambivalenz macht einsam. Für uns gibt es keine Großdemo.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Hengameh Yaghoobifarah
Mitarbeiter_in
Hengameh Yaghoobifarah studierte Medienkulturwissenschaft und Skandinavistik an der Uni Freiburg und in Linköping. Heute arbeitet Yaghoobifarah als Autor_in, Redakteur_in und Referent_in zu Queerness, Feminismus, Antirassismus, Popkultur und Medienästhetik.
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Ist ne komische Sache mit dem Antisemitismus.

    Bin mittlerweile dazu übergegangen mir die gemeinsame Schnittmenge von Antisemiten anzuschauen, und die heißt: totale Unbewusstheit.

    Ob von Islamisten, Rechtsextremen oder gewissen Teilen der Linken.

    Alle projizieren nur das was sie bei sich selbst nicht sehen wollen, auf Juden.

    Begann schon um die Zeit etwa 670, als Mohammed, als er Teile Israels eroberte, Juden, die nicht zu ihm konvertieren wollten, die Köpfe abschlagen ließ. Die Überlebenden bezeichnete er als "Dhimmis" eine Art Halbmensch zweiter Klasse. Diese hatten besondere Abgaben zu erreichten und dafür weniger Rechte. Darauf dann 1300 Jahre Diskriminierung, Antisemitismus und Rassismus.

    Im frühen Mittelalter zog Europa nach. Mit absolut widerwärtiger Diskriminierung, Inquisitionen übelstem Zeugs über die Jahrhunderte, irgendwann auch die Urmutter aller Verschwörungstheorien, die "Protokolle der Weisen von Zion". Mal reingeschaut? Unfassbar.

    Na ja, und irgendwann kamen die Nazis. Mit ihren sechs Millionen ermordeten Juden, davon 1,5 Millionen Kinder. Zwölf Millionen waren geplant.

    Teile der Linken haben sich das Zeugs dann auch noch reingezogen. Zu den Anfängen ganz hervorragend die taz:

    "Antisemitismus in der RAF. Radikal antijüdisch"



    taz.de/Antisemitis...-der-RAF/!5193915/

    Nun, das geht bis heute so weiter.

    Der Islamismus hat alle Spielarten aufgesaugt.

    Nun, und jetzt stehen diese ganzen Antisemiten da und brüllen gegen Israel.

    Man sollte sich Israels Geschichte schon mal über 3000 Jahre anschauen um zu sehen, wem das Land gehört.

    Und wer hat 1947 den Teilungsplan für Palästina, der von der UN-Generalversammlung als Resolution 181 angenommen wurde, abgelehnt und warum?

    Wer wollte keine "Dhimmis" in seiner Nachbarschaft?

    Juden dienen all diesen Leuten nur als Projektionsfläche. Nie was von Freud gehört? Nie reflektiert?

    Sartre fasst das perfekt zusammen: „Existierte der Jude nicht, der Antisemit würde ihn erfinden".

  • Wo ist das Problem mit dem Begriff "Weltfrauentag"?

    • @Affi:

      Es gibt keine... Es ist nur eine positive Diskrimination... Es ist erlaubt... Fertig.