Cum-Ex-Skandal in Hamburg: Zu nah an den Bonzen

Das Hamburger Bündnis von „Kaufleuten und Arbeiterklasse“ ist passé. Der Cum-Ex-Skandal bringt auch Kanzler Scholz erneut in Erklärungsnot.

Der frühere Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs

Geflecht von Abhängigkeiten und Kontakten: SPD-Mann Johannes Kahrs (hier 2019 im Bundestag) Foto: Kay Nietfeld/dpa

Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“, fragte einst der große Bertolt Brecht. Doch was ist die Gründung einer Bank gegen die Ausplünderung des Staates per hochkriminellen Cum-Ex-Deals? Vor allem, wenn dies durch das altehrwürdige Bankhaus M. M. Warburg & Co geschieht, gegründet 1798.

Die Hamburger Privatbankiers werben mit dem wunderbaren Slogan „Vertrauen, Zuverlässigkeit und Erfahrung – die Basis für dauerhaft solide Geschäfte“. Und was ist die Gründung einer Bank gegen eine Finanzbehörde, die der ertappten Bank per „teuflischem Plan“ die Diebesbeute belässt, indem sie eine Nachzahlungsaufforderung über Nacht als verjährt aufhebt?

Schon jetzt werfen die bislang bekannten Details ein grelles Licht auf das System Kahrs-Scholz: eine systematische, oft trotzig-selbstgerechte Nähe zur Wirtschaft. Helmut Schmidt hat die Machtbasis der Hamburger SPD einst auf die Formel vom Bündnis zwischen „Kaufleuten und Arbeiterklasse“ gebracht. Die interpretieren der Rüstungs- und Steinwollelobbyist Johannes Kahrs und Bundeskanzler Olaf Scholz heute so: Wir Sozialdemokraten sind die Guten.

Dafür müssen wir aber an die Macht. Das gelingt uns, wenn wir beste Kontakte zur Wirtschaft halten. Mit diesem Prinzip gewann Scholz zwei Bürgerschaftswahlen in Hamburg und die letzte Bundestagswahl 2021. Flankiert wird diese Politik der engen persönlichen Kontakte zur Wirtschaft, inklusive anschließender Gedächtnislücken, von einer machtvollen parteiinternen Durchsetzungsstrategie: Wie es Scholz mit Kahrs’ Hilfe gelang, erst Sigmar Gabriel und dann noch Andreas Nahles aus dem Weg zu räumen, war meisterhaft.

Aber auch von vorgestern. Denn sowohl Kahrs als auch der Kanzler sehen in Sachen politisches Profil alt aus. Kahrs, Vorkämpfer für die „Ehe für alle“, reicht dies als Ausweis seiner fortschrittlichen Gesinnung. Ansonsten hat er sich mit einem Geflecht von Abhängigkeiten und Kontakten den Weg durchs Unterholz der SPD gebahnt.

Seine Machtbasis: der traditionell stramm rechte Hamburger Bezirk Mitte, den er im Bundestag vertrat, bis der Vorsitzende des Seeheimer Kreises beleidigt von allen Ämtern zurücktrat, weil Eva Högl und nicht er Wehrbeauftragte wurde – oder war es doch schon aus Sorge um mögliche handfeste Ergebnisse des Hamburger Cum-Ex-Untersuchungsausschusses?

Wie auch immer: Sollte es dem Hamburger Untersuchungsausschuss oder – wohl eher – der Kölner Staatsanwalt gelingen, gerichtsfestes Material in dem „teuflischen Plan“ zu finden, dann würde auch Scholz Opfer des Bündnisses von Sozialdemokratie und Bank. Unabhängig davon ist diese Strategie auch an den Wahlurnen längst keine Erfolgsgarantie mehr.

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